Bestandsdatenblatt

Hering: Frühjahrslaicher westliche Ostsee

Gültig 05/2012 - 05/2013

Hering: Frühjahrslaicher westliche Ostsee

gültig 05/2012 - 05/2013

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Hering

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Ostsee
Fanggebiet:westliche Ostsee (22-24), Skagerrak/Kattegat (20-21) FAO 27
Art:Clupea harengus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung vollständiger Fangdaten und zweier unabhängiger wissenschaftlicher Forschungsreisen, die alle Lebensstadien abdecken. Referenzpunkte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy, Btrig) sind definiert. [466] [467]

 

Wesentliche Punkte

2012: Der Bestand nimmt aufgrund stärkerer Jahrgänge wieder zu und liegt nun nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) im grünen Bereich. Die Summe der Höchstfangmengen wurde viel zu hoch festgesetzt, aber nicht ausgefischt (bzw. nicht von diesem Bestand gefischt), so dass sich der Bestand weiter positiv entwickelt – allerdings steigt durch dieses Verfahren die Unsicherheit der Vorhersage drastisch. [466]

 

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

 Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Zeitserie für diesen Bestand ist vergleichsweise kurz, weil erst ab Anfang der 1990er Jahre Methoden zur Trennung der beiden im Kattegat und Skagerrak gemischten Bestände (Nord- und Ostseehering) zur Verfügung stehen. In diesem Zeitraum hat die Laicherbiomasse zunächst stark abgenommen, konnte aber ab 1996 stabilisiert werden. Seit 2007 ist die Laicherbiomasse wegen der ab 2004 plötzlich nachlassenden Nachwuchsproduktion erneut gesunken und hat 2011 den niedrigsten Wert der Zeitserie erreicht. Im Frühjahr 2012 liegt die Laicherbiomasse aber wieder über dem Referenzwert nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). Die jüngste Abnahme der Laicherbiomasse durch die nachlassende Nachwuchsproduktion zwischen 2004 und 2008 ist eine natürliche Schwankung, auf die das Management allerdings nicht schnell genug reagiert hat. Die fischereiliche Sterblichkeit lag in den meisten Jahren mit 0,35 bis 0,8 für einen Schwarmfischbestand sehr hoch, hat im Jahr 2010 aber stark abgenommen und liegt nun unter dem MSY-Referenzwert. Dadurch wächst der Bestand nun trotz der schwachen Nachwuchsproduktion: Die Jahrgänge 2010 und 2011 scheinen etwas stärker, liegen aber noch immer unter dem Durchschnitt. [466] [467]

 

Ausblick

Mit dem Einwachsen etwas stärkerer Jahrgänge in die Fischerei ist mit steigenden Fangmengen aus diesem Bestand zu rechnen – vorausgesetzt die empfohlene Fangmenge wird nicht überschritten. [466]

 

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Zwischen 2004 und 2008 produzierte dieser Bestand immer schwächer werdende Nachwuchsjahrgänge. Offenbar lieferte die immer noch ausreichende Anzahl erwachsener Fische nur noch unzureichende Mengen an Larven. Die Ursachen hierfür sind noch nicht bekannt, es deutet aber alles auf natürliche, möglicherweise klimainduzierte und in der südlichen Ostsee wirkende Ursachen. [466]

 

Wer und Wie

Das Management dieses Bestandes erfolgt gemeinsam durch die Europäische Union und (im Norden) Norwegen durch Höchstfangmengen (TACs), jeweils getrennt für die drei Managementgebiete westliche Ostsee (22-24), Skagerrak/Kattegat (IIIa) und Nordsee (IV). Die TACs werden für alle vier im Verbreitungsgebiet operierenden Flotten mit Fängen aus diesem Bestand festgelegt. Drei Flotten fischen für den menschlichen Konsum (Flotte F in 22-24, Flotte C in IIIa, Flotte A in IV), eine für industrielle Zwecke (für die Fischmehl- und Fischölproduktion (Flotte D in IIIa, maximale Beifangmenge). Bis zu 50% des 2012er TACs von Flotte C dürfen in der Nordsee gefangen werden. Gemischte Fänge von Hering und Sprott dürfen in der EU nur in Häfen angelandet werden, in denen ein Stichprobenkontrollprogramm zur Überwachung der angelandeten Arten durchgeführt wird. Seit 2010 ist auch in der Ostsee das „Highgrading“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) verboten. Ein Managementplan für alle pelagischen Bestände der Ostsee ist seit 2008 entwickelt, aber auch 2011 nicht eingerichtet worden. [206] [241] [380] [466] [467]

 

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Viele Jahre entsprachen die festgesetzten Höchstfangmengen der wissenschaftlichen Empfehlung, in den letzten fünf Jahren sind die Fangmengen jedoch erheblich höher festgesetzt worden als empfohlen, genau zu der Zeit, in der schnell auf die sinkende Nachwuchsproduktion reagiert werden sollte. Der ICES empfiehlt den erlaubten Quotentransfer von Gebiet IIIa in die Nordsee nicht mehr zu ermöglichen, da er die Vorhersage erheblich unsicherer macht. [466]

 

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Bestand ist in drei verschiedenen Managementgebieten verbreitet: der westlichen Ostsee (22-24), dem Skagerrak/Kattegat (IIIa) und der Nordsee (IV). Für alle drei Gebiete gelten separate Höchstfangmengen (TACs). In den beiden letzten Gebieten werden Nordsee-Herbstlaicher gemischt mit Frühjahrslaichern der Westlichen Ostsee gefangen. Menge und Anteil variieren und können nicht genau vorhergesagt werden. [466] [467]

 

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2011: 27,8 (nur Frühjahrslaicher, alle Managementgebiete)
TACs (22-24/IIIa)2007: 49,5/69,0  2008: 45,0/51,7  2009: 27,2/37,7  2010: 22,7/33,9  
2011: 15,9/30,0  2012: 20,9/45,0 (incl. Nordseehering in IIIa)
[380] [381] [466]

IUU-Fischerei

Über viele Jahre wurden eigentlich in der Nordsee getätigte Heringsfänge in das Skagerrak fehlberichtet. Durch eine Änderung der Regularien scheint diese Praxis seit 2009 unterbunden worden zu sein, was insgesamt zu höheren Fängen aus diesem Bestand führte. Es gibt keine Hinweise mehr auf erhebliche Mengen illegaler oder unberichteter Fänge aus diesem Bestand. [466] [467]

 

Struktur und Fangmethode

Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien auf Hering der westlichen Ostsee, vor allem durch kleinste bis kleinere Fahrzeuge mit Stell- oder pelagischen Schleppnetzen. Die Heringe werden überwiegend für den menschlichen Konsum gefangen (Flotte F in 22-24; Flotte C in IIIa, Flotte A in IV), aber auch als Beifang in der Industriefischerei im Norden angelandet (Flotte D in IIIa). [466] [467]

 

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe scheinen in keiner der Fischereien ein Problem zu sein, die Stellnetzfischereien sind hochselektiv. Allerdings kann es in Abhängigkeit von Jahreszeit und Fangplatz in der Schleppnetzfischerei zu Beifängen von Sprotten kommen, gemischte Fänge dürfen aber nur unter bestimmten Bedingungen angelandet werden. Durch das Verbot des „Highgradings“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) ist für quotierte Arten ohne Mindestanlandelänge (z.B. Sprotte und Hering in der Ostsee) der Rückwurf in EU-Gewässern faktisch verboten. [206] [241] [466]

 

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Pelagische Schleppnetz- und Stellnetzfischereien beeinflussen der Meeresboden kaum (weil sie ihn in der Regel nicht berühren). Potentiell problematisch können Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern in Stellnetzen sein. [30] [97] [208] [466]

 

Biologische Besonder­heiten

Anders als die meisten anderen Heringsbestände im Nordost-Atlantik laicht dieser auf Großalgen und Seegräsern (Makrophyten) im Küstenbereich. Mit Abstand wichtigstes Laichgebiet dieses Bestandes ist der Greifswalder Bodden (zwischen Rügen und dem vorpommerschen Festland). Diese Konzentration ermöglicht es, mit Hilfe eines Larvensurveys schon sehr früh Kenntnisse über die Stärke von Nachwuchsjahrgängen zu erlangen, die erst in 2-3 Jahren von der Fischerei erfasst werden. Außerdem ist der Hering auf den Laichplätzen für die Fischerei gut zugänglich.
Nach dem Ablaichen im März bis Mai wandern erwachsene Heringe dieses Bestandes in das Kattegat und Skagerrak und bis in die östliche Nordsee auf die Nahrungsgründe. Hier vermischen sie sich mit dem herbstlaichenden Hering der Nordsee und werden mit diesem auch gemeinsam gefangen, was die Bestandsberechnung erheblich erschwert. [88] [466] [467]

Zusätzliche Informationen

Der Hering der westlichen Ostsee ist eher schlank und kleinwüchsig und eignet sich daher besonders für die Marinadenproduktion. Für die Herstellung von Rollmops und Kronsild gibt es keine alternativen Rohwaren-Quellen, daher sind die Anlandepreise bei deutlich sinkenden Fangmengen in den letzten drei Jahren stark gestiegen. [14]

 

Zertifizierte Fischereien

Bislang ist keine Fischerei auf Hering der westlichen Ostsee nach einem der gängigen Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert, eine deutsche und eine schwedische Fischerei befinden sich jedoch seit vielen Jahren ohne erkennbaren Fortschritt im Bewertungsverfahren nach den Kriterien des Marine Stewardship Councils. [4] Siehe
http://www.msc.org/track-a-fishery/in-assessment/north-east-atlantic/western-baltic-spring-spawning-herring
http://www.msc.org/track-a-fishery/in-assessment/north-east-atlantic/sppo-baltic-herring-and-sprats
Eine Heringsfischerei, die vor allem in der Nordsee operiert, trägt das MSC-Siegel auch für Beifänge des Herings der westlichen Ostsee im Skagerrak und Kattegat
http://www.msc.org/track-a-fishery/certified/north-east-atlantic/norway-north-sea-and-skagerrak-herring/

Soziale Aspekte

Die Heringsfischerei in der Ostsee wird mit Fahrzeugen verschiedener Größe durchgeführt. In der westlichen Ostsee spielen kleine und kleinste Fahrzeugen eine wichtige Rolle. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die Fahrzeuge fahren unter EU- oder norwegischer Flagge, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgen daher nach deren Regeln. [13] [466]

 

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[88]Aneer G1989Herring (Clupea harengus L.) spawning and spawning ground characteristics in the Baltic Sea Fisheries Research 8:169-195
[97]Zydelis R, Bellebaum J, Österblom H, Vetemaa M, Schirmeister B, Stipniece A, Dagys M, van Eerden M, Garthe S2009Bycatch in gillnet fisheries – An overlooked threat to waterbird populations Biological Conservation 142:1269–1281
[206]Europäische Union (EG)2005Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen in der Ostsee, den Belten und dem Öresund, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 88/98europa.eu
[208]Bellebaum, J2011Untersuchung und Bewertung des Beifangs von Seevögeln durch die passive Meeresfischerei in der Ostsee. BfN-Skripten 295 Bundesamt für Naturschutz, ISBN 978-3-89624-030-9, www.bfn.de
[241]Europäische Union (EG)2011Verordnung (EU) Nr. 579/2011 des europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1288/2009 des Rates zur Festlegung technischer Übergangsmaßnahmen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2011europa.eu
[380]Europäische Union2012Verordnung (EU) Nr. 44/2012 des Rates vom 17. Januar 2012 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten im Jahr 2012 in EU-Gewässern und für EU-Schiffe in bestimmten Nicht-EU-Gewässern für bestimmte, über internationale Verhandlungen und Übereinkünfte regulierte Fischbestände und Bestandsgruppeneuropa.eu
[381]Europäische Union2011Verordnung (EU) Nr. 1256/2011 des Rates vom 30. November 2011 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee (2012) und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1124/2010europa.eu
[466]ICES2012Report of the Advisory Committee, 2012. Book 6. North Sea. Herring in Division IIIa and Subdivision 22-24 (western Baltic spring spawners)ices.dk
[467]ICES2012Report of the Herring Assessment Working Group for the Area South of 62 N (HAWG), 13 - 22 March 2012, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2012/ACOM:06. 835 pp. 3 Herring in Division IIIa and Subdivisions 22–24 [update assessment]ices.dk