Bestandsdatenblatt

Nordsee-Seezunge

Gültig 06/2014 - 06/2015

Nordsee-Seezunge

gültig 06/2014 - 06/2015

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Seezunge

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee
Fanggebiet:Nordsee (4) FAO 27
Art:Solea solea

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Anlandedaten und zweier unabhängiger wissenschaftlicher Forschungsreisen. Rückwürfe gehen nicht in die Bestandsberechnungen ein. Die Referenzwerte nach dem Konzept des höchsten Dauerertrages (MSY) sind definiert (Fmsy, Btrigger). Nach dem Vorsorgeansatz sind nur drei von vier Referenzpunkten festgelegt. Sie alle basieren auf der Biomasse-Nachwuchs-Relation. Diese Bestandsberechnung ist eher unsicher. [751] [755]

Wesentliche Punkte

2014: Die Laicherbiomasse liegt komplett im grünen Bereich. Die fischereiliche Sterblichkeit konnte im letzten Jahr erneut gesenkt werden und liegt nur noch knapp über dem Referenzwert des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). Die Rückwurfmenge von Schollen in der gemischten Plattfisch-Fischerei ist unverändert hoch. [751] [755]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  über dem Grenzwert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  unter dem Grenzwert (nach Managementplan)

  übernutzt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Nachwuchsproduktion dieses Bestandes ist sehr variabel, daher schwankt auch die Laicherbiomasse stark. Der Bestand war in den frühen 1960er Jahren und Anfang der 1990er Jahre am größten und 2007 am kleinsten. Die fischereiliche Sterblichkeit stieg zwischen Anfang der 1960er und 1997 fast stetig. Laicherbiomasse und Anlandungen der letzten Jahre wurden von dem starken Jahrgang 2005 dominiert, der nun aber langsam abnimmt. Der 2009er Jahrgang liegt ebenfalls über dem Mittelwert und trägt seit 2012 zur Laicherbiomasse bei. Diese liegt seit 2012 über dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrigger). Erst seit der Einführung eines EU-Managementplans 2006 sinkt die fischereiliche Sterblichkeit deutlich und liegt seit 2008 unter dem Vorsorge-Referenzpunkt. [751] [755]

Ausblick

Die eher überdurchschnittliche Nachwuchsproduktion der letzten Jahre wird den Bestand zunächst noch langsam anwachsen lassen. Danach folgen aber zwei schwache Jahrgänge (2011 und 2012). Der Managementplan sieht eine weitere Senkung der fischereilichen Sterblichkeit vor, bis sie Fmsy entspricht. Die Fangmengen werden daher kurzfristig weiter reduziert werden müssen. Bei einer Bewirtschaftung unter Berücksichtigung des Auftretens verschiedener Arten in gemischten Fischereien wäre eine noch stärkere Senkung der Fangmengen nötig, um Bestände in einem schlechteren Zustand, wie den Nordsee-Kabeljau, zu schonen. [755]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Als südliche Art lebt die Seezunge in der Nordsee an ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze. Sie ist sehr kälteempfindlich und verbringt die Winter in wärmerem Tiefenwasser. Sehr kalte Winter können sich negativ auf den Bestand auswirken. Die seit 1989 ansteigende Wassertemperatur in der südlichen Nordsee führte zu höheren Wachstumsraten und zur Verlängerung der Wachstumsperiode. In der Zeit hoher Nährstoffeinleitungen (vor allem durch den Rhein) stiegen die Wachstumsraten der Nordsee-Seezunge. [2] [25] [32] [33] [60] [751]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt faktisch seit 2006, formell seit 2008 nach einem EU-Langzeit-Managementplan gemeinsam für Scholle und Seezunge, die unvermeidlich zusammen gefangen werden. Dieser Plan wurde vom ICES 2010 positiv bewertet (als in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz) und ist nun Basis für die wissenschaftliche Fangempfehlung. Nach der abgeschlossenen Erholungsphase sollen die Bestände im Folgenden nach dem Konzept des höchstmöglichen Dauerertrags (MSY) bewirtschaftet werden. Der Übergang in diese 2. Phase muss aber vom Ministerrat beschlossen werden und erfordert die Änderung einiger Artikel des Managementplanes, was bisher nicht erfolgt ist. Der Bestand wird gemeinsam mit Norwegen genutzt, aber nicht gemeinsam bewirtschaftet. Norwegen erhält eine Quote in EU-Gewässern. Die Bewirtschaftung erfolgt außerdem über technische Maßnahmen (z.B. Maschenweitenregulierungen, Mindestanlandelängen und Gebietsschließungen (siehe dazu auch unter „Zusätzliche Informationen“). [10] [751] [755]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Über viele Jahre wurde die legale Höchstfangmenge (TAC) oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlung festgesetzt. Seit 2009 decken sich die auf dem Managementplan basierende wissenschaftliche Empfehlung und beschlossener TAC weitestgehend. Der TAC wurde seit 2010 nicht ausgefischt. [755]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Nordsee-Seezunge ist im ICES Gebiet IV verbreitet. Die Höchstfangmenge (TAC) wird für die Nordsee (nur EU-Gewässer von ICES-Gebiet IV) und die EU-Gewässer von ICES-Gebiet IIa festgelegt. Verbreitungs- und Managementgebiet stimmen überein. [732] [755]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2013: Anlandungen: 13,1; davon Baumkurre 84,1%, Kiemen- und Verwickelnetze 10,4%, Grundscherbrettnetze 2,2%, andere 3,3%
TACs2007: 15,0 2008: 14,5 2009: 14,0 2010: 14,1 2011: 14,1 2012: 16,2 2013: 14,0 2014: 11,9 [732] [755]

IUU-Fischerei

Seit 2002 nehmen die Anlandungen aus diesem Bestand, die nicht zugeordnet werden können („unallocated“), ab. 2012 konnten keine unberichteten Anlandungen nachgewiesen werden. [755]

Struktur und Fangmethode

Das vorwiegend zum Plattfischfang in der Nordsee eingesetzte Gerät ist die Baumkurre. Diese Technik hat sich seit den 1950er Jahren, von den Niederlanden ausgehend, in vielen Anrainerstaaten durchgesetzt. Der enge Kontakt des Fanggeschirrs mit dem Grund bedingt einen hohen Schleppwiderstand. Die gestiegenen Treibstoffkosten haben zu einer Abnahme des Aufwandes geführt (oder zur Umrüstung von Baumkurren auf Scherbrettnetze oder Snurrewaden), und die Entwicklung treibstoffsparender Fangmethoden gefördert. So haben einige, vor allem niederländische Fahrzeuge im letzten Jahr auf Baumkurren mit weniger Bodenkontakt umgerüstet, bei denen Ketten durch Scheuchelektroden (Pulsbaumkurren, „Pulse trawl“) oder gezielte, feine Wasserströme („Wingsum“, „Hydroriggs“) ersetzt werden. Eine gerichtete Fischerei findet außerdem mit Kiemennetzen und Grundscherbrettnetzen statt. [2] [30] [751] [755]

Beifänge und Rückwürfe

Die Fischerei ist gemischt und fängt gleichzeitig mehrere Plattfischarten, vor allem Seezunge und Scholle. Da die Seezunge die höchsten Anlandepreise erzielt, gilt sie für die Fischerei als Hauptzielart. Für deren Fang sind wegen ihres schlankeren Körperbaus enge Netzmaschen erforderlich, die unweigerlich auch kleine Schollen und Kabeljau mitfangen (z.Zt. 80 mm Maschenöffnung). Diese Fische werden überwiegend verworfen. In den letzten Jahren gibt es auch Hinweise auf steigende Rückwürfe von überwiegend einjährigen Seezungen. Vorläufige Schätzungen für 2013 gehen von einem Seezungen-Rückwurf von 20% aus (bezogen auf das Gewicht). Rückwürfe von Scholle und Seezunge in Schleppnetzfischereien haben im Mittel Überlebensraten von vermutlich unter 10%. Die Aufwandsregulierung (Tage auf See), hohe Treibstoffpreise und die unterschiedliche Entwicklung der Höchstfangmengen von Scholle und Seezunge haben den Fischereiaufwand insbesondere der großen niederländischen Flotte in die südliche Nordsee verlagert. Das verstärkt die Beifang-Problematik, da hier das Hauptverbreitungsgebiet junger Schollen ist. Größere Maschenweiten würden die Beifänge, aber auch den Anteil marktfähiger Seezungen stark verringern. [235] [422] [751] [755]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Da die Baumkurren auf dem Grund geschleppt werden, und die Scheuchketten einige cm tief eindringen können, werden regelmäßig (abhängig vom Fanggrund) größere Mengen an bodennah lebendem Meeresgetier mitgefangen, sowohl Fische als auch Wirbellose. Diese sind als Rückwürfe vielfach nicht überlebensfähig. Insbesondere die Baumkurrenfischerei kann Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge im befischten Gebiet erheblich verändern. Diese Fangmethode ist außerdem sehr energieaufwändig. Baumkurrenfischerei ist eine der legalen Fangmethoden mit dem größten unmittelbaren Einfluss auf die Meeresumwelt. Die Auswirkungen der Scherbrett- und Snurrewadenfischerei sind geringer. Pulsbaumkurren („Pulse trawls“) sind noch in der Erprobung, über deren Umweltauswirkungen lassen sich derzeit noch keine fundierten Aussagen machen. Innerhalb einzelner Arten kann die Größenselektion des Fanggerätes zu einer Verschiebung der Reife kommen. In den letzten Jahren erreichen jüngere und kleinere Schollen und Seezungen die Geschlechtsreife. [7] [8] [30] [637] [751] [755]

Biologische Besonder­heiten

Der Seezungenbestand hängt stark vom gelegentlichen Vorkommen besonders starker Jahrgänge ab. Die jüngsten Stadien bleiben etwa 2 Jahre in den Aufwuchsgebieten, bevor sie in tieferes Wasser wandern. Seezungen sind nachtaktiv, dadurch werden sie nachts leichter gefangen als bei Tageslicht. [2] [26] [751] [755]

Zusätzliche Informationen

Ein Streifen entlang der holländischen, deutschen und dänischen Küste ist für größere Baumkurrenfahrzeuge (mit mehr als 221 kW Maschinenleistung) gesperrt, um Jungfische zu schonen („Schollenbox“). Seit ihrer Einrichtung wurde hier keine Veränderung im Anteil untermassiger Seezungen festgestellt. [24] [751] [755]

Zertifizierte Fischereien

Zwei Seezungenfischereien in der Nordsee sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils zertifiziert (ca. 6 % der Anlandungen). [4]

Soziale Aspekte

Die gemischte Plattfischfischerei in der Nordsee wird überwiegend mit kleineren Fahrzeugen durchgeführt. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. Hauptfangnation sind die Niederlande. [12] [13] [755]

AutorJahrTitelQuelle
[2]Muus BJ, Nielsen JG1999Die Meeresfische Europas Franckh-Kosmos Verlag
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[10]Europäische Union (EU)2007Verordnung (EG) 676/2007 des Rates zur Einführung eines Mehrjahresplans für die Fischereien auf Scholle und Seezunge in der Nordseeeuropa.eu
[12]Europäische Gemeinschaften2009Die Gemeinsame Fischereipolitik. Ein Leitfaden für Benutzerec.europa.eu
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[24]Pastoors MA, Rijnsdorp AD, van Beek FA2000Effects of a partially closed area in the North Sea (\"plaice box\") on stock development of plaice ICES J Mar Sci 57:1014-1022
[25]Burt GJ , Millner RS2008Movements of sole in the southern North Sea and eastern English Channel from tagging studies (1955 2004) Cefas Lowestoft, Sci Ser Tech Rep 144:44pp
[26]Rijnsdorp AD, Van Beek FA, Flatman S, Millner RM, Riley JD, Giret M, De Clerck R1992Recruitment of sole stocks, Solea solea (L.), in the northeast Atlantic Netherlands Journal of Sea Research 29:173 192
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[32]Woodhead, P.M.J.1964The death of North Sea fish during the winter of 1962/1963, particularly with reference to the sole, Solea vulgaris, during cold winters, and the relation between the winter catch and sea temperatures Helgoländer Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen 10:283-300
[33]Rijnsdorp AD, Peck MA, Engelhard GH, Möllmann C, Pinnegar JK2009Resolving the effect of climate change on fish populations ICES Journal of Marine Science 66:1570-1583
[60]Teal LR, de Leeuw JJ, van der Veer HW, Rijnsdorp AD2008Effects of climate change on growth of 0-group sole and plaice Marine Ecology Progress Series 358:219–230
[235]Beek FA van, Leeuwen PI van, Rijnsdorp AD1990On the survival of plaice and sole discards in the otter-trawl and beam-trawl fisheries in the North Sea. Netherlands Journal of Sea Research 26: 151-160
[422]Europäische Gemeinschaft (EG)1998Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren.europa.eu
[637]Soetaert M, Decostere A, Polet H, Verschueren B, Chiers K2015Electrotrawling: a promising alternative fishing technique warranting further exploration Fish and Fisheries, 16.1:104–124
[732]Europäische Union (EU)2014Verordnung (EU) Nr. 432/2014 des Rates vom 22. April 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 43/2014 hinsichtlich bestimmter Fangmöglichkeiteneuropa.eu
[751]ICES2014Report of the Working Group for the Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (WGNSSK), 30 April–7 May 2014, ICES HQ, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2014/ACOM:13. 1493 pp.ices.dk
[755]ICES2014Report of the Advisory Committee, 2014. Book 6. North Sea. 6.3.27. Sole in Subarea IV (North Sea)ices.dk