Bestandsdatenblatt

Europäische Sardelle (Anchovis) vor der marokkanischen und mauretanischen Küste

Gültig 05/2015 - 01/2016

Europäische Sardelle (Anchovis) vor der marokkanischen und mauretanischen Küste

gültig 05/2015 - 01/2016

Zugehörige Fischart

Sardelle, europäische / Anchovis

Allgemeine Informationen

Ökoregion:Kanarenstrom
Fanggebiet:Marokko und Mauretanien FAO 34 (Mittlerer Ostatlantik)
Art:Engraulis encrasicolus

Wissenschaftliche Begutachtung

Fischereikomitee für den mittleren Ostatlantik (CECAF), FAO-Arbeitsgruppe für die Begutachtung von kleinen pelagischen Arten vor der Küste Nordwest-Afrikas (Working Group on the Assessment of Small Pelagic Fish off Northwest Africa), www.fao.org/fishery/rfb/cecaf/en

Methode, Frequenz

Je nach Datenlage finden unterschiedliche Modelle für die Bestandsberechnung Anwendung. Aufgrund fehlender Daten kann derzeit kein Produktionsmodell gerechnet werden. In die Begutachtung gehen Daten aus Forschungsreisen und der Beprobung der kommerziellen Fischerei ein. Für die fischereiliche Sterblichkeit sind ein Ziel-Referenzwert (F0,1) und ein Limit-Referenzwert (Fmax) festgelegt. Die Bestandsberechnung ist aufgrund der hohen Bestands-Variabilität dieser kurzlebigen Art sowie erheblicher Datenmängel und unklarer Bestandsstruktur sehr unsicher. [814] [815]

Wesentliche Punkte

2015: Die letzte verfügbare Bestandsberechnung ist aus dem Jahr 2012 und damit im Grunde überholt. Zu dieser Zeit wurde Sardelle vor der marokkanischen und mauretanischen Küste als „maximal genutzt“ eingestuft. Aufgrund der qualitativen und quantitativen Unzulänglichkeit der Daten ist diese Einordnung jedoch sehr unsicher. Weitere Begutachtungen erfolgten 2013 und 2014, die Ergebnisse stehen aber noch nicht zur Verfügung. [814] [815]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  unbekannt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Die letzte verfügbare Bestandsberechnung ist aus dem Jahr 2012 und damit überholt. Der Bestandszustand wurde daher mit Fragezeichen klassifiziert.

Bestands­entwicklung

In der ersten Hälfte der 1990er Jahre lagen die Fänge von Sardelle in diesem Gebiet zwischen 10.000 und 34.000 t, 1997 waren es jedoch bereits 60.000 t. Bis 2003 stiegen die Fänge weiter an (Maximum 180.000 t) und schwanken seit 2006 auf etwas niedrigerem Niveau zwischen 115.000 und 150.000 t. Der Fischereiaufwand (catch per unit effort, CPUE) kann nicht für das gesamte Verbreitungsgebiet berechnet werden, da Aufwandsdaten wichtiger Fischereien fehlen. Die verfügbaren Daten aus 2011 reichten nicht aus, um ein Produktionsmodell anzuwenden, daher wurden andere Modelle zur Berechnung verwendet. Sie ergaben, dass die damalige fischereiliche Sterblichkeit (Fcur) nahe dem Ziel-Referenzwert (F0,1 = 0,78) lag. Der Bestand wurde daher als „maximal genutzt“ klassifiziert, mit erheblicher Unsicherheit. [814] [815]

Ausblick

Aufgrund der starken jährlichen Bestandsschwankungen und der kurzen Lebensspanne von Sardellen können keine mittelfristigen Vorhersagen für diesen Bestand gemacht werden. Die Wissenschaft empfiehlt, den Fischereiaufwand und die Fänge nicht zu erhöhen. Höchstfangmengen werden jedoch nicht festgelegt. [814]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Häufigkeit und Wanderverhalten kleiner Schwarmfische im Nordostatlantik und mittleren Ostatlantik variieren mit den Warm- und Kaltphasen der atlantischen Mehrdekaden-Oszillation (atlantic multidecadal oscillation, AMO). Diese wird über Abweichungen der Oberflächen-Wassertemperatur vom Mittelwert definiert (sog. Anomalien). Es ist jedoch nicht in erster Linie die Wassertemperatur, die die Dynamik der Fischbestände beeinflusst, sondern komplexe Prozesse, die u.a. Richtung und Stärke von Meeresströmungen verändern. [818]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung dieses Bestandes erfolgt durch Marokko und Mauretanien. In den nördlichen Gebieten fischte außerdem eine Flotte spanischer Ringwadenfänger, die aber nach Beendigung des EU-Marokko-Fischereiabkommens Ende 2011 mehr als zwei Jahre nicht mehr aktiv war. Erst seit Mitte 2014 haben EU-Schiffe wieder Fangrechte in marokkanischen Gewässern. Das derzeit gültige Abkommen wurde im Juli 2014 von Marokko ratifiziert und gilt für 4 Jahre. Eine Höchstfangmenge (TAC) für Sardelle ist nicht festgelegt. [816] [817]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die Wissenschaft empfiehlt, die Beprobung der einzelnen Fischereisegmente zu intensivieren, um bessere Daten über die Anlandungen und die Verarbeitung von Sardellen in Mauretanien zu erhalten. Außerdem sollten genetische Untersuchungen erfolgen, um die Bestandsstruktur der Art in diesem Gebiet zu analysieren. Aufgrund des Datenmangels empfiehlt die Wissenschaft aus Vorsorgegründen, Fischereiaufwand und Fänge nicht zu erhöhen. [814] [815]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Aufgrund fehlender Informationen zur Bestandsstruktur wird die Sardelle von der nördlichen Atlantikgrenze Marokkos (an der Straße von Gibraltar) bis zur südlichen Grenze des Senegals als ein Bestand betrachtet. Die Bewirtschaftung erfolgt durch die Anrainerstaaten Marokko und Mauretanien. In der AWZ der Westsahara erfolgt die Bewirtschaftung faktisch durch Marokko. [814]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

GesamtfangAnlandungen 2011: 150,4; Ringwaden und pelagische Schleppnetze
TACsnicht festgelegt [814]

IUU-Fischerei

Es gibt diverse Hinweise, dass es sich bei einem Großteil der Fänge, die in Mauretanien als Sardelle deklariert werden, um junge Stöcker oder andere Arten handelt. Da diese Fänge zu Fischmehl verarbeitet werden, ist es nicht möglich, sie nach der Verarbeitung zu identifizieren. Ein Beobachterprogramm an Bord der pelagischen Flotte soll nun dafür sorgen, dass die Fänge vor der Anlandung getrennt werden. [814]

Struktur und Fangmethode

Sardelle wird vor Nordwest-Afrika vor allem von Mauretanien (2011: 74% der Fänge) und Marokko aus gefischt. Vor der marokkanischen Küste ist eine marokkanische Sardellen-Flotte tätig (Gebiete A und B). In Abhängigkeit von den gerade gültigen Fischereiabkommen (siehe „Zusätzliche Informationen“) fischen in den marokkanischen Gewässern eine Flotte spanischer Ringwadenfänger, sowie Schiffe aus weiteren EU-Ländern. In Mauretanien ist Sardelle keine Zielart der industriellen pelagischen Fischerei, sie wird aber als Beifang angelandet. Hier fischen u.a. eine Russische sowie eine Ukrainische Flotte (2011 zusammen 51% der Mauretanischen Fänge), aber auch diverse andere Länder (z.B. Estland, Litauen, Lettland und Polen). [814] [815]

Beifänge und Rückwürfe

Die Rückwurfmengen von Sardelle sind nicht bekannt, in der Fischerei mit Ringwaden in der Regel aber gering. Über Beifänge anderer Arten liegen keine Informationen vor. [558] [814] [815]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Die Fischerei mit Ringwaden und pelagischen Schleppnetzen wird in tiefem Wasser durchgeführt und hat keinen Einfluss auf den Meeresboden, da sie ihn nicht berührt. [30]

Biologische Besonder­heiten

Die Bestandsstruktur von Sardellen vor Marokko und Mauretanien ist nicht geklärt. Für die Begutachtung wird daher ein einziger Bestand angenommen. [814]

Zusätzliche Informationen

Das erste zwischen der EU und Marokko abgeschlossene Fischereiabkommen von 1995 war das damals wichtigste zwischen der EU und einem Drittland. Das Protokoll wurde jedoch 1999 nicht verlängert, erst 2007 kam es zu einer neuen Vereinbarung, die am 27. Februar für einen Zeitraum von 4 Jahren in Kraft trat. Nach Ablauf der 4 Jahre stimmte das EU-Parlament mit knapper Mehrheit gegen eine Verlängerung. Gründe waren u.a. der schlechte Zustand einiger Fischbestände in dem Gebiet und die völkerrechtlich ungelöste Problematik, die durch die Annexion der Westsahara durch Marokko nach 1975 entstand. 2012 begannen die Verhandlungen für ein neues Protokoll, und im Dezember 2013 schlossen die EU und Marokko ein Fischereiabkommen mit der erneuten Laufzeit von 4 Jahren. Dieses trat jedoch erst im Juli 2014 in Kraft, nachdem es schließlich auch von Marokko ratifiziert wurde. Im Gegenzug zu Zahlungen erhalten nun EU-Schiffe wieder bestimmte Fangrechte in marokkanischen Gewässern. [185] [816] [817]

Zertifizierte Fischereien

Zwei Fischereien auf Sardelle vor der marokkanischen und mauretanischen Küste sind nach dem weniger anspruchsvollen Standard der Organisation „Friend of the Sea“ (FOS) zertifiziert.

Siehe: http://www.friendofthesea.org/fisheries.asp?ID=102

Soziale Aspekte

Sardelle wird vor der marokkanischen und mauretanischen Küste mit Fahrzeugen aller Größen von verschiedenen Nationen gefischt. Die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung sind daher sehr unterschiedlich, und richten sich nach den Regeln der jeweiligen Staaten. Im Fischereiabkommen zwischen Marokko und der EU ist eine Menschenrechtsklausel enthalten, außerdem unterstützt das Protokoll die Schaffung von Arbeitsplätzen für marokkanische Fischer. Es sieht auch die Beschäftigung marokkanischer Seeleute an Bord der EU-Schiffe oder entsprechende Ausgleichszahlungen vor. [814] [816] [817]

Marktdaten (ggf. mehrere Arten)

2022 (vorl.): Verbrauch in Deutschland (Speisesardellen): 2.008 t (2021: 2.743 t), Marktanteil (Fische, Krebse, Weichtiere): 0,2 % (2021: 0,2 %)  [13] [14]

Anlandungen (in 1.000 t)Fänge (in 1.000 t)Laicherbiomasse (in 1.000 t)Laicherbiomasse ZustandFischereiliche SterblichkeitAnmerkungen (insbesondere Managementplan)Gültigkeit
Marokko & Mauretanien 150,4 - - letzte verfügbare Begutachtung von 2012 05/2015 -
01/2016

Klassifizierung nach dem Ansatz des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY), durch den ICES bis 2020 oder analog zu dessen Einteilung:

SymbolBiomasseBewirtschaftung (fischereiliche Sterblichkeit)
innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertangemessen oder unternutzt
außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertübernutzt
Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende DatenZustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten
AutorJahrTitelQuelle
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[185]Europäische KommissionEuropäische Kommission, Fischerei, Homepageeuropa.eu
[558]Kelleher K2005Discards in the world\'s marine fisheries: An update FAO fisheries technical paper 470, Rome, 154 pp
[814]Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO)2013Report of the FAO working group on the assessment of small pelagic fish off northwest Africa, Dakar, Senegal, 21–25 May 2012 FAO Fisheries and Aquaculture Repor. No. 1036. Rome. 245 pp.
[815]Scientific, Technical and Economic Committee for Fisheries (STECF)2014Consolidated Advice on Fish Stocks of Interest to the European Union (STECF-14-24). 2014. Publications Office of the European Union, Luxembourg, EUR 27028 EN, JRC 93360, 747 pp.
[816]Europäische Union (EU)2013Protokoll zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen den beiden Vertragsparteieneuropa.eu
[817]Europäische Union (EU)2014Internationale Übereinkünfte, Mitteilung über das Inkrafttreten des Protokolls zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokkoeuropa.eu
[818]Alheit J, Licandro P, Coombs S, Garcia A, Giráldez A, Garcia Santamaría MT, Slotte A, Tsikliras AC2014Reprint of “Atlantic Multidecadal Oscillation (AMO) modulates dynamics of small pelagic fishes and ecosystem regime shifts in the eastern North and Central Atlantic” Journal of Marine Systems 133, 88–102