Bestandsdatenblatt

Hering zentrale Ostsee (Frühjahrslaicher)

Gültig 05/2012-05/2013

Hering zentrale Ostsee (Frühjahrslaicher)

gültig 05/2012-05/2013

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Hering

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Ostsee
Fanggebiet:zentrale Ostsee (25-29 (ohne 28.1) und 32) FAO 27
Art:Clupea harengus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

 

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung vollständiger Fangdaten und einer unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreise. Referenzpunkte für die fischereiliche Sterblichkeit sind nach Vorsorgeansatz (Fpa) und nach dem Konzept des höchsten Dauerertrages (Fmsy) definiert. Für die Laicherbiomasse gibt es keine Referenzpunkte mehr. [464] [465]

 

Wesentliche Punkte

2012: Die fischereiliche Sterblichkeit ist im letzten Jahr zwar etwas gesunken, liegt aber noch immer über allen Referenzwerten (Fpa, Fmsy). Der Bestand wird also nicht nachhaltig bewirtschaftet. Die Laicherbiomasse und Nachwuchsproduktion scheinen auf niedrigem Niveau stabil zu sein. [464]

 

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

   Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nicht nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  übernutzt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse ist von 1974 bis Ende der 1990er Jahre kontinuierlich gesunken. Nach 1999 stieg sie leicht an und ist nun auf niedrigem Niveau relativ stabil. Parallel zur sinkenden Biomasse wurden die Fänge reduziert, trotzdem stieg die fischereiliche Sterblichkeit bis Ende der 1990er Jahre stark an. Die dann folgende Reduzierung der Sterblichkeit war nicht ausreichend, um den Bestand wieder anwachsen zu lassen, vor allem da gleichzeitig das individuelle Gewicht der Heringe abnahm – ein Hinweis auf eine schlechte Ernährungssituation. Seit Anfang der 1980er Jahre liegt die fischereiliche Sterblichkeit ununterbrochen oberhalb aller Referenzwerte, ist im letzten Jahr aber wieder etwas gesunken. [464] [465]

 

Ausblick

Der stark angewachsene Dorschbestand im gleichen Gebiet hat einen geringeren Einfluss auf die Heringsbiomasse als erwartet. Gemeinsam mit dem relativ starken Jahrgang 2007 und der gesunkenen fischereilichen Sterblichkeit ist der Ausblick eher positiv: Bei stabilen Fangmengen wird der Bestand bald nachhaltig bewirtschaftet werden. [464]

 

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Seit Ende der 1980er Jahre ist bei diesem Heringsbestand eine starke Reduzierung des Individualgewichtes zu beobachten. Dies führte bei konstanter Anzahl der Tiere zu einer Abnahme der Gesamt-Biomasse. Der geringe Fettgehalt der Tiere hat auch Auswirkungen auf die Vermarktung. Mögliche Ursache ist die Veränderung der Nahrungszusammensetzung, welche wiederum auf den sinkenden Salzgehalt zurückzuführen ist. Eine weitere mögliche Ursache ist die erhöhte Nahrungskonkurrenz durch Sprotten. Der Bestand wird außerdem von Wegfraß durch den Dorsch beeinflusst (Räuber-Beute-Beziehung). [128] [129] [464] [465]

 

Wer und Wie

Der Bestand wird seit 2003 getrennt vom Hering im Rigaer Meerbusen (28.1) und seit 2004 getrennt vom Hering der westlichen Ostsee (22-24) bewirtschaftet. Seit Auflösung der „International Baltic Sea Fishery Commission“ (IBSFC) und Aufgabe des IBSFC-Managementplanes 2006 legen die Europäische Union und Russland autonome Quoten fest. Ein Managementplan für alle pelagischen Bestände der Ostsee ist seit 2008 in Entwicklung, aber auch 2011 nicht eingerichtet worden. Gemischte Fänge von Hering und Sprott dürfen in der EU nur in Häfen angelandet werden, in denen ein Stichprobenkontrollprogramm zur Überwachung der angelandeten Arten durchgeführt wird. Seit 2010 ist auch in der Ostsee das „Highgrading“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) verboten. [206] [241] [464]

 

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

2005 und 2006 lag die festgelegte Höchstfangmenge im Rahmen der wissenschaftlichen Empfehlung des ICES bzw. leicht darüber. Die ab 2007-2009 festgelegten autonomen EU-Quoten lagen unter den wissenschaftlichen Empfehlungen, die russische Quote ist hier aber noch nicht berücksichtigt. 2010 und 2011 lag bereits die EU-Quote über der wissenschaftlichen Empfehlung, für 2012 liegt die Summe von EU- und russischer Quote knapp über der Empfehlung des ICES. [381] [464]

 

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Bestand ist in der zentralen Ostsee verbreitet. In den Gebieten 28.1, 30 und 31 leben getrennte Bestände. Die Bewirtschaftung erfolgt seit 2007 getrennt durch die EU (für den weitaus größten Teil des Verbreitungsgebietes, rot dargestellt) und Russland (gelb). An den Grenzen des Verbreitungsgebietes kommt es zur Vermischung mit benachbarten Beständen. [464]

 

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang

2011: 116,8 (davon Russland ~8,5); überwiegend pelagische Schleppnetze, geringerer Anteil Ringwaden, Stellnetze und Reusen

TACs (EU Quote)2007: 133   2008: 153   2009: 144   2010: 126   2011: 107
2012: 78 (+ 15 russische Quote) [381] [464]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge aus diesem Bestand. Durch das gemeinsame Auftreten von Hering und Sprotte in der pelagischen Fischerei kann es zu falschberichteten Fangzusammensetzungen kommen, zumal die Heringsquote meist ausgefischt wird, die Sprottquote jedoch nicht. Es gibt keine Informationen über die Menge der falschberichteten Fänge, diese scheinen aber nicht mehr bedeutend zu sein. Die Anlandung gemischter Hering-Sprott-Fänge ist in der EU verboten, wenn kein System zur Feststellung der Artenzusammensetzung zur Verfügung steht (Stichprobenskontrollprogramm). [206] [464]

 

Struktur und Fangmethode

Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien auf den Hering der zentralen Ostsee, vor allem mit pelagischen Schleppnetzen und einem geringerem Anteil Ringwaden, Stellnetzen und Reusen. Die deutsche Fischerei verwendet nur pelagische Schleppnetze. Die größte Quote hält Schweden, gefolgt von Polen. Hering wird sowohl für den menschlichen Verzehr als auch für die Produktion von Fischmehl und –öl verwendet. [381] [464]

 

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe sind in allen pelagischen Fischereien der Ostsee minimal, die passiven Fangmethoden sowie die Ringwaden Fischerei sind fast rein. In der Fischerei mit pelagischen Schleppnetzen kommt es hingegen zu gemischten Fängen von Hering und Sprott, diese dürfen aber nur unter bestimmten Bedingungen angelandet werden. Beifangmengen von Sprott und jungen Dorschen in der Heringsfischerei sind nicht bekannt. Durch das Verbot des „Highgradings“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) ist für quotierte Arten ohne Mindestanlandelänge (z.B. Hering und Sprotte) der Rückwurf in EU-Gewässern faktisch verboten, sofern das Fahrzeug über Heringsquote verfügt. [206] [241] [464]

 

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Hering ist gemeinsam mit Sprotte eine Hauptnahrungsquelle für Dorsch. Die Heringsfischerei kann daher indirekt den Dorschbestand beeinflussen. Die pelagischen Schleppnetz- und die Stellnetzfischereien beeinflussen den Meeresboden kaum (weil sie ihn in der Regel nicht berühren). Potentiell problematisch können Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern in Stellnetzen sein. [30] [97] [208] [464]

 

Biologische Besonder­heiten

Der Bestand setzt sich aus schneller wachsenden (südliche Ostsee) und langsamer wachsenden (nördliche Gebiete) Individuen zusammen. Frühjahrslaicher dominieren im Gebiet, es gibt jedoch auch eine kleine herbstlaichende Population. Das Laichgeschäft im Frühjahr findet an der Küste statt, danach wandern die Heringe in die tiefen Becken zum Fressen. Der wachsende Dorschbestand kann vor allem in ICES-Gebiet 25, wo beide Arten gemeinsam vorkommen, einen Einfluss auf den Hering haben. Weiter östlich und nördlich gibt es relativ wenig Dorsch und der Heringsbestand dort wird kaum beeinflusst. [464]

 

Zusätzliche Informationen

Die Reduzierung der altersspezifischen Gewichte von Heringen der zentralen Ostsee und die Wechselwirkung mit dem zweiten großen pelagischen Bestand der zentralen Ostsee, der Sprotte, ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen. Sie lieferten Belege für einen „regime shift“, eine grundlegende Änderung der Umweltbedingungen in der zentralen Ostsee in den 1990er Jahren, die unmittelbaren Einfluss auf die Produktivität der Fischbestände hat. [128] [129] [464]

 

Zertifizierte Fischereien

Bislang ist keine Fischerei auf Hering der zentralen Ostsee nach einem der gängigen Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert.

 

Soziale Aspekte

Die Heringsfischerei in der Ostsee wird mit Fahrzeugen verschiedener Größe durchgeführt. Die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgen nach Landesregeln. Die Fischerei in der zentralen Ostsee macht nur einen kleinen Teil der deutschen Heringsfischerei aus. Deutschland landet den größten Teil dieser Fänge in auswärtigen Häfen an. [12] [13] [465]

 

AutorJahrTitelQuelle
[12]Europäische Gemeinschaften2009Die Gemeinsame Fischereipolitik. Ein Leitfaden für Benutzerec.europa.eu
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[97]Zydelis R, Bellebaum J, Österblom H, Vetemaa M, Schirmeister B, Stipniece A, Dagys M, van Eerden M, Garthe S2009Bycatch in gillnet fisheries – An overlooked threat to waterbird populations Biological Conservation 142:1269–1281
[128]Cardinale M, Arrhenius F2000Decreasing weight-at-age of Atlantic herring (Clupea harengus) from the Baltic Sea between 1986 and 1996: a statistical analysis. ICES J. Mar. Sci. 57: 882-893
[129]Möllmann C, Kornilovs G, Fetter M, Köster FW, Hinrichsen H-H2003The marine copepod Pseudocalanus elongatus, as a mediator between climate variability and fisheries in the Central B altic Sea. Fish. Oceanogr., 12: 360-368
[206]Europäische Union (EG)2005Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen in der Ostsee, den Belten und dem Öresund, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 88/98europa.eu
[208]Bellebaum, J2011Untersuchung und Bewertung des Beifangs von Seevögeln durch die passive Meeresfischerei in der Ostsee. BfN-Skripten 295 Bundesamt für Naturschutz, ISBN 978-3-89624-030-9, www.bfn.de
[241]Europäische Union (EG)2011Verordnung (EU) Nr. 579/2011 des europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1288/2009 des Rates zur Festlegung technischer Übergangsmaßnahmen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2011europa.eu
[381]Europäische Union2011Verordnung (EU) Nr. 1256/2011 des Rates vom 30. November 2011 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee (2012) und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1124/2010europa.eu
[464]ICES2012Report of the Advisory Committee, 2012. Book 8. Baltic Sea. 8.4.4. Herring in Subdivision 25-29 and 32 (excluding Gulf of Riga herring)ices.dk
[465]ICES2012Report of the Baltic Fisheries Assessment Working Group 2012 (WGBFAS), 12 - 19 April 2012, ICES Headquarters, Copenhagen. ICES CM 2012/ACOM:10. 841 pp. 6.2 Herring in Subdivisions 25-27, 28.2, 29 and 32 (update assessment)ices.dk