Bestandsdatenblatt

Nordsee-Scholle

Gültig 06/2010 - 06/2011

Nordsee-Scholle

gültig 06/2010 - 06/2011

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Scholle

Allgemeine Informationen

Ökoregion:Nordsee
Fanggebiet:Nordsee (4) FAO 27
Art:Pleuronectes platessa

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Anlande- und Rückwurfdaten (letztere seit 2000) und drei unabhängiger wissenschaftlicher Forschungsreisen (nur erwachsene Tiere). Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz sind definiert, sie basieren auf der Biomasse-Nachwuchs-Relation. Die Referenzwerte nach dem Konzept des höchsten Dauerertrages (MSY) sind vorläufig. Die Bestandsberechnung ist sehr unsicher, vor allem wegen des hohen Anteils an Rückwürfen am Gesamtfang. [55] [62]

Wesentliche Punkte

2010: Die fischereiliche Sterblichkeit liegt unter dem Zielwert des Managementplanes (Ftgt), aber noch über dem Referenzwert des höchsten Dauerertrages (FMSY). Die Biomasse wächst schnell an und liegt über dem Referenzwert des höchsten Dauerertrages (Btrig). Die Menge der Rückwürfe ist mit 45% des Gesamtfanges unverändert hoch. [55]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

 

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  unter dem Grenzwert (nach Managementplan)

  übernutzt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Nach einer stetigen Ausweitung der Fischerei nach dem 2. Weltkrieg erreichten die Erträge und die Bestandsgröße in den 1980er Jahren ihr Maximum. Die fischereiliche Sterblichkeit nahm weiter zu, gleichzeitig ließ die Nachwuchsproduktion nach. In der Folge sanken Biomasse und Erträge schnell. Die fischereiliche Sterblichkeit erreichte 1997 den Maximalwert von 0,8, schwankte danach stark und liegt seit 2004 beständig unter dem Vorsorgereferenzwert (Fpa). Die Biomasse wächst seit 2005 stetig. [62]

Ausblick

In der Übergangszeit zum Bestandsmanagement nach dem Konzept des höchsten Dauerertrages (MSY) ist trotz starker Abnahme der fischereilichen Sterblichkeit und – mit einiger Verzögerung – Zunahme der Laicherbiomasse in absehbarer Zukunft höchstens noch mit moderat steigenden Fangmengen zu rechnen. [55]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Die Scholle gehört zu den borealen Arten und lebt in den südlichen Gebieten der Nordsee an ihrem Verbreitungslimit. Schwankungen und Trends in der Erzeugung von Nachwuchs sind daher mit hoher Wahrscheinlichkeit klimabedingt, ebenso eine Verschiebung der Verbreitung junger Schollen in tieferes Wasser. Für das Überleben im empfindlichen Larvenstadium und eine erfolgreiche Ansiedlung im Watt müssen Wetter- und Strömungsbedingungen günstig sein. Kalte Winter verbessern die Aussicht auf einen starken Nachwuchsjahrgang. [55] [33] [61]

Wer und Wie

Das Management erfolgt nach einem durch die EU im Jahre 2007 eingeführten Langzeit-Management-Plan, gemeinsam für Scholle und Seezunge, die unvermeidlich zusammen gefangen werden. Der Plan ist bislang vom ICES nicht abschließend bewertet worden. Die EU und Norwegen haben sich nicht auf eine gemeinsame Bewirtschaftung geeinigt, Norwegen hat in seinem Hoheitsgebiet eigene Bewirtschaftungsregeln erlassen. [55] [10]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Über viele Jahre (2003-2008) wurde die legale Höchstfangmenge erheblich oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlung festgesetzt. Erst seit 2009 decken sich Empfehlung und verabschiedeter TAC zumindest in EU-Gewässern wieder, weil beide dem Managementplan folgen. [55] [10]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Nordsee-Scholle ist nur in Gebiet IV verbreitet. Verbreitungs- und Managementgebiet stimmen überein.

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2009: Gesamtfang: 100,2, Anlandungen: 55,0 (geschätzt, da Daten aus Dänemark und Frankreich nicht rechtzeitig vorlagen), Rückwürfe: 45,2; davon Baumkurre XX%, Scherbrettnetze XX%, Stellnetze XX%, Snurrewaden XX%
TACsTACs 2007:50,0 2008: 49,0 2009: 55,5 2010: 63,8 [55] [18]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge von Scholle aus der Nordsee. [55]

Struktur und Fangmethode

Scholle wird hauptsächlich mit Baumkurren in der zentralen Nordsee und in einer gemischten Fischerei in der südlichen Nordsee gefangen. Die Baumkurre ist ein Schleppnetz an einem stählernen Rahmen, das mit Kufen direkt auf dem Grund aufsetzt. Um die oft im Boden eingegrabenen Plattfische aufzustören, läuft vor der eigentlichen Netzöffnung ein Satz stählerner Ketten (Scheuchketten). Diese Technik hat sich als sehr effizient erwiesen und seit den 1950er Jahren, von Holland ausgehend, in vielen Anrainerstaaten durchgesetzt. [2] [55]

Beifänge und Rückwürfe

Die Fischerei ist vor allem in der südlichen Nordsee „gemischt“ und fängt gleichzeitig mehrere Plattfischarten, vor allem Seezunge und Scholle. Da die Seezunge die höchsten Anlandepreise erzielt, gilt sie für die Fischerei als Hauptzielart. Die engen Netzmaschen (z.Zt. 80 mm Maschenöffnung), die wegen des schlankeren Körperbaus für die Seezunge nötig sind, fangen unweigerlich auch kleine Schollen und Kabeljau mit, die als nicht vermarktbare und nur eingeschränkt überlebensfähige Rückwürfe auch für den Laicherbestand verloren sind. Diese Beifänge machen den überwiegenden Teil der Gesamtfänge der Scholle nach Anzahl, bzw 50% des Fanges nach Gewicht aus. Eine Verlagerung des Fischereiaufwandes in die südliche Nordsee verstärkt diese Problematik, da hier das Hauptverbreitungsgebiet junger Schollen ist. Größere Maschenweiten würden die Beifänge, aber auch den Anteil marktfähiger Seezungen stark verringern. Erst die Erhöhung der minimalen Anlandegröße der Seezunge wäre Anreiz, mit größeren Maschen zu fischen. [55]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Da die Baumkurren auf dem Grund geschleppt werden und die Scheuchketten einige cm tief eindringen können, werden regelmäßig (abhängig vom Fanggrund) größere Mengen an bodennah lebendem Meeresgetier mitgefangen, sowohl Fische als auch Wirbellose. Diese sind als Rückwürfe meist nicht überlebensfähig. Insbesondere die Baumkurrenfischerei kann Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge im befischten Gebiet erheblich verändern. Baumkurrenfischerei ist die Fangmethode mit dem größten unmittelbaren Einfluss auf die Meeresumwelt. Diese Fangmethode ist außerdem sehr energieaufwändig. [7] [8]

Biologische Besonder­heiten

Die Scholle ist an allen nordeuropäischen Küsten verbreitet, ist aber in der Nordsee besonders produktiv. Die jüngsten Stadien wachsen im Flachwasser des Wattenmeers auf und wandern dann mit zunehmender Größe ins Tiefere ab, so dass große Schollen besonders im nördlichen Teil der mittleren Nordsee zu finden sind. Der Zug ins Tiefere findet jüngerer Zeit früher statt, so dass junge Schollen in Gebieten fast fehlen, in denen sie früher sehr häufig waren. [55] [33] [61]

Zusätzliche Informationen

Ein Streifen entlang der holländischen, deutschen und dänischen Küste ist für größere ( 300 PS) Baumkurrenfahrzeuge gesperrt, um Jungfische zu schonen (Schollenbox). Die zeitigere Abwanderung junger Schollen in tieferes, küstenfernes Wasser hat die Effektivität dieser Schutzmaßnahme stark verringert, da die Jungtiere früher in stark befischte Gebiete gelangen. Der enge Kontakt des Fanggeschirrs mit dem Grund bedingt einen hohen Schleppwiderstand. Die hohen Treibstoffkosten haben zu einer Abnahme des Aufwandes geführt (oder zur Umrüstung von Baumkurren auf Scherbrettnetze oder Snurrewaden), und die Entwicklung treibstoffsparender Fangmethoden gefördert (z.B. Baumkurren mit weniger Bodenkontakt und dem Ersatz der Ketten durch Scheuchelektroden). [14] [55] [24] [61]

Zertifizierte Fischereien

Zwei Schollenfischereien in der Nordsee sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils zertifiziert. Deren Fangmenge beträgt ca. 8% der Gesamtanlandungen. Zwei weitere Fischereien befinden sich im Bewertungsprozess. [4]

Soziale Aspekte

Die gemischte Plattfischfischerei in der Nordsee wird überwiegend mit kleineren Fahrzeugen durchgeführt. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. [12] [13]

AutorJahrTitelQuelle
[2]Muus BJ, Nielsen JG1999Die Meeresfische Europas Franckh-Kosmos Verlag
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[10]Europäische Union (EU)2007Verordnung (EG) 676/2007 des Rates zur Einführung eines Mehrjahresplans für die Fischereien auf Scholle und Seezunge in der Nordseeeuropa.eu
[12]Europäische Gemeinschaften2009Die Gemeinsame Fischereipolitik. Ein Leitfaden für Benutzerec.europa.eu
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[18]Europäische Union (EU)2010Verordnung (EU) Nr. 219/2010 des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 53/2010 hinsichtlich der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und nach Abschluss der bilateralen Fischereivereinbarungen für 2010 mit Norwegen und den Färöerneuropa.eu
[24]Pastoors MA, Rijnsdorp AD, van Beek FA2000Effects of a partially closed area in the North Sea (\"plaice box\") on stock development of plaice ICES J Mar Sci 57:1014-1022
[33]Rijnsdorp AD, Peck MA, Engelhard GH, Möllmann C, Pinnegar JK2009Resolving the effect of climate change on fish populations ICES Journal of Marine Science 66:1570-1583
[55]ICES2010Report of the Advisory Committee, 2010. Book 6. The North Sea. 6.4.7. Plaice in Subarea IV (North Sea)ices.dk
[61]Van Keeken OA, Van Hoppe M, Grift RE, Rijnsdorp AD2007The implications of changes in the spatial distribution of juveniles for the management of North Sea plaice (Pleuronectes platessa) Journal of Sea Research 57:187–197
[62]ICES2010Report of the Working Group on the Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (WGNSSK). 8. Plaice in Subarea IVices.dk