Bestandsdatenblatt

Nordost-Arktischer Seelachs

Gültig 06/2010 - 06/2011

Nordost-Arktischer Seelachs

gültig 06/2010 - 06/2011

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Seelachs

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Barentsmeer (Nordost-Arktis), Norwegische See
Fanggebiet:Nordost-Arktis und Norw. See (1, 2.ab) FAO 27
Art:Pollachius virens

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Anlandedaten und einer wissenschaftlichen Forschungsreise. Alle 4 Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz (Fpa, Flim, Bpa, Blim) sind definiert. Referenzwerte für das Konzept des höchsten Dauerertrages sind noch nicht festgelegt. Die Bestandsberechnung ist aufgrund des Fehlens von verlässlichen Daten zu Nachwuchsproduktion und Rückwürfen recht unsicher. [123] [37]

Wesentliche Punkte

2010: Nach Vorsorgeansatz liegen Laicherbiomasse und fischereiliche Sterblichkeit im grünen Bereich. Im Einklang mit dem Managementplan wird die Fangmenge in 2011 um maximal mögliche 15% auf 173.000 t reduziert (ohne russische AWZ). [37] [123] [124]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  über dem Grenzwert (nach Managementplan)

  Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach Managementplan)

  Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Anlandungen von nordostarktischem Seelachs erreichten 1970-76 Maximalwerte von bis zu 264.924 t (1970). Die fischereiliche Sterblichkeit war über einen langen Zeitraum hoch und die Laicherbiomasse sank Mitte der 1980er sogar unter den Limitreferenzpunkt (Blim). Seit 1995 liegt die Laicherbiomasse aber wieder über dem Referenzwert des Vorsorgeansatzes (Bpa) und erreichte 2005 und 2007 (590.680 t) historische Höchstwerte. In den folgenden Jahren sank die Biomasse wieder, liegt aber noch über dem Vorsorge-Referenzwert. Die Nachwuchsproduktion war nach 2002 schwach bis mittelmäßig. [37] [123] [124]

Ausblick

Auch bei Einhaltung des Managementplanes wird aufgrund relativ schwacher Nachwuchsproduktion mit weiter sinkender Biomasse gerechnet. [123]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Das Verbreitungs- und Wandermuster von nordostarktischem Seelachs variiert, die Veränderungen konnten aber bisher nicht direkt bestimmten Umwelteinflüssen zugeordnet werden. Die Nachwuchsproduktion scheint in Jahren mit geringerem Einstrom von Wasser aus dem Atlantik geringer zu sein. [123]

Wer und Wie

Seelachs in der Nordostarktis wird vom Norwegischen Ministerium für Fischerei und Küstenangelegenheiten bewirtschaftet. Seit Herbst 2007 gibt es einen Managementplan (Harvest control rule) der vom ICES als im Einklang mit dem Vorsorgeansatz bewertet wurde. Der Zielwert für die fischereiliche Sterblichkeit entspricht dem Referenzwert nach Vorsorgeansatz (F= 0,35) und Veränderungen der zulässigen Höchstfangmenge werden auf ±15% begrenzt. Russland legt eine eigene Quote für seine ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) fest. Neben den Höchstfangmengen wird die Fischerei durch Mindestfanggrößen, Festlegung minimaler Maschenweiten, Sortiereinrichtungen, die maximal zulässige Menge von juvenilen Fischen als Beifang, Echtzeitschließungen, Gebietsbeschränkungen und saisonale Schließungen reguliert. Erste Studien ergaben, dass Gebietsschließungen tatsächlich zu einer deutlichen Abnahme von Rückwürfen kleiner Schellfische und Kabeljaue geführt haben. [123] [37]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die Empfehlungen des ICES beziehen sich auf die gesamten Anlandungen aus dem Bestand. Im Einklang mit dem Managementplan empfahl der ICES für 2011 eine Reduzierung der Höchstfangmenge (TAC) um 15% auf 173.000 t und das norwegische Ministerium folgte dieser Empfehlung bei Festsetzung seiner Fangmengen. Die Fänge in der russischen AWZ sind hier jedoch noch nicht enthalten (zusätzlich etwa 5%). Generell stimmen die wissenschaftlichen Empfehlungen und die Managemententscheidungen über Höchstfangmengen sehr gut überein. In den letzten Jahren lagen die gesamten Anlandungen meist unter den empfohlenen Höchstfangmengen. [123] [37]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Verbreitungs- und Managementgebiete decken sich. Der Bestand ist hauptsächlich entlang der norwegischen Küste, von der Kola-Halbinsel im Nordosten bis zur Halbinsel Stad im Süden (etwa 62°N) verbreitet. Die südliche Grenze dient eher Managementaspekten, als das sie eine natürliche Begrenzung des Bestandes ist, der auch Wanderungen in die Nordsee und nach Island unternehmen kann. Russland legt für seine AWZ eine eigene kleine Quote fest. [123]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

GesamtfangAnlandungen 2009: 161,5; davon Grundschleppnetze 50%, Ringwaden 22%, Kiemennetze 20%, andere 7%
TACs (ohne Russland-AWZ)2007: 222,5 2008: unter 247 2009: 225 2010: 204 2011: 173 [123] [37]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf unberichtete oder illegale Fänge von Nordostarktischem Seelachs. [123] [37]

Struktur und Fangmethode

90 % der Seelachs-Anlandungen werden von der norwegischen Flotte getätigt. Über den Tausch von Quoten erhalten weitere Länder Fischereirechte auf diesen Bestand. Die Fischerei mit Kiemennetzen ist im Winter am aktivsten, wohingegen im Sommer mehr mit Ringwaden gefischt wird. Ringwadenfischerei wir vor allem vor der Küste und in den Fjorden durchgeführt. Schleppnetze werden ganzjährig eingesetzt. Andere Nationen setzen vor allem Grundschleppnetze ein. [39][123]

Beifänge und Rückwürfe

Rückwurfe sind illegal, können jedoch vorkommen, vor allem wenn Fischereien auf andere Zielarten (wie z.B. Kabeljau) keine Seelachsquote besitzen oder die vorhandene bereits ausgeschöpft ist. Auch „slipping“ (Verwerfen des gesamten Fanges) kommt gelegentlich vor, z.B. wenn zu viele untermaßige Fische im Fang enthalten sind. Es gibt keine gesicherten Zahlen über Seelachs-Rückwürfe. Der Beifang nicht kommerziell genutzter Arten wie Kliesche, Haie und Rochen ist gering. Auch Meeressäuger und Vögel werden selten beigefangen. [123] [39]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen kann der Meeresboden geschädigt werden. Einen negativen Effekt hat dieses Gerät auf die Fauna des Hartbodens, hier hat als Folge des Einsatzes des Grundschleppnetzes die Abundanz von z.B. Schwämmen und Kaltwasser-Korallen abgenommen. Beim Seelachsfang können die Netze allerdings fast ohne Grundberührung eingesetzt werden. Außerdem sind empfindliche Bodenlebewesen-Gemeinschaften, die vor allem auf Hartsubstrat vorkommen, im Barentsmeer weitgehend auf die Randbereiche beschränkt (z.B. Seetangwälder an der Norwegischen und Svalbard-Küste). Verlorengegangene Geräte wie Kiemennetze können für eine gewisse Zeit weiterfischen (ghost fishing). Der Einfluss des „ghost fishing“ ist jedoch noch nicht quantifiziert worden. [30] [39] [83] [123] [7] [8] [178]

Biologische Besonder­heiten

Seelachs unternimmt Wanderungen zu Fraß- und Laichgebieten. Markierungs- experimente ergaben auch weite Wanderungen zwischen Beständen, z.B. von jungen Tieren in die Nordsee und von älteren Tieren nach Island und zu den Färöer Inseln. Der nordostarktische Seelachs wird mit etwa 5-7 Jahren geschlechtsreif. Hauptlaichgründe liegen zwischen den Lofoten und der Nordsee, wo etwa im Februar bei Wassertemperaturen von 6-10°C gelaicht wird. Die Larven driften nach Norden, wachsen küstennah in den Fjorden auf und wandern mit 2 bis 4 Jahren in offeneres Wasser vor der norwegischen Küste. [123] [39]

Zusätzliche Informationen

In den ICES Gebieten I und II ist Seelachs ein wichtiger Räuber auf junge Heringe, Schellfische und Stintdorsche. [123]

Zertifizierte Fischereien

Die gesamte nordostarktische Seelachsfischerei Norwegens ist nachhaltigkeitszertifiziert nach den Standards des Marine Stewardship Councils (MSC), und somit etwa 90% der Gesamtfangmenge. Weitere vier internationale Fischereien, die nur zum Teil diesen Bestand befischen, sind ebenfalls MSC-zertifiziert. Eine weitere Fischerei befindet sich im Zertifizierungsverfahren. [4]

Soziale Aspekte

Die Fischerei auf nordostarktischen Seelachs wird hauptsächlich von norwegischen Schiffen betrieben. Ein kleiner Teil entfällt auf andere Nationen. Die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgen nach Landesregeln. [13] [39]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[37]Havforskningsinstituttet, NorwegenOnline Portal des Havforskningsinstituttet (Institut für Meeresforschung), Norwegenimr.no
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[83]Fossa JH, Mortensen PB, Furevik DM2002The deep-water coral Lophelia pertusa in Norwegian waters: distribution and fishery impacts Hydrobiologia 471:1-12
[123]ICES2010Report of the Advisory Committee, 2010. Book 3. The Barents Sea and the Norwegian Sea. 3.4.4. Saithe in Subareas I and II (Northeast Arctic)ices.dk
[124]ICES2010Report of the Arctic Fisheries Working Group (AFWG), 22-28 April 2010, Lisbon, Portugal/Bergen, Norway). ICES CM 2010/ACOM:05. 664 pp. 5. Saithe in Subareas I and IIices.dk
[178]FAO Food and Agriculture Organization2016Abandoned, lost and discarded gillnets and trammel nets, Methods to estimate ghost fishing mortality, and the status of regional monitoring and management FAO Fisheries and Aquaculture Technical Paper 600, FOOD AND AGRICULTURE ORGANIZATION OF THE UNITED NATIONS, Rome, 2016