Bestandsdatenblatt

Seelachs Nordsee, Skagerrak/Kattegat, westl. Schottlands

Gültig 11/2016 - 06/2017

Seelachs Nordsee, Skagerrak/Kattegat, westl. Schottlands

gültig 11/2016 - 06/2017

Zugehörige Fischart

Seelachs

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Keltischer und Biskaya-Schelf
Fanggebiet:Nordsee (4, 3.a), westl. Schottland (6) FAO 27
Art:Pollachius virens

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung fast vollständiger Fangdaten und einer unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreise, die Seelachse jedoch erst ab Alter 3 erfasst. Die Vorhersagen für diesen Bestand und die daraus resultierenden Fangempfehlungen werden maßgeblich bestimmt durch die Annahmen über den in die Fischerei einwachsenden Jahrgang, dessen Größe aber zum Zeitpunkt der Berechnung noch nicht bekannt ist. Daraus resultiert eine hohe Variabilität der Empfehlung zwischen den Jahren und die Bestandsberechnung ist sehr unsicher. Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz sind definiert, sie basieren auf der Biomasse-Nachwuchs-Relation. Nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages sind zwei Referenzwerte festgelegt (Btrigger, Fmsy). [921] [932]

Wesentliche Punkte

Nov. 2016: Aufgrund neuer Daten aus der jährlichen Sommer-Forschungsreise wurde die Bestandsberechnung von Nordsee-Seelachs im November aktualisiert. An der Klassifizierung des Bestandes hat sich aber nichts geändert. Der Bestand wurde im Juni einem „benchmark“ unterzogen, in dessen Rahmen Bestandsberechnung und Referenzwerte überarbeitet wurden und sich die Wahrnehmung des Bestandszustandes auch für die Vergangenheit geändert hat. Der Bestand liegt demnach vollständig im grünen Bereich (Laicherbiomasse seit 1996 über dem Referenzwert des Konzeptes zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrigger)). Der Fischereidruck liegt seit 2013 unter Fmsy. Ein Teil der Fänge aus diesem Bestand fällt seit Januar 2016 unter das Anlandegebot der EU. [921] [927] [932]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  über dem Grenzwert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  unter dem Grenzwert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Der Bestand erreichte Anfang der 1970er Jahre eine Maximalmenge, in Folge sehr guter Umweltbedingungen („gadoid outburst“). Eine sehr hohe Entnahme bei gleichzeitig nachlassender Nachwuchsproduktion führte zu einer schnellen Abnahme des Bestandes. In der Folge war Nordsee-Seelachs 7 Jahre überfischt (Laicherbiomasse unter MSY-Btrigger), bis er sich ab Ende der 1990er Jahre wieder positiv entwickelte und eher moderat genutzt wurde – maßgeblich durch eine geringere Nachfrage auf dem Markt. Die Biomasse stieg bis 2006 an, hat dann bis 2012 abgenommen, steigt seitdem aber wieder. Der Bestand liegt seit 1996 über dem (aktualisierten) Referenzwert des Konzeptes zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrigger). Der Fischereidruck schwankte zwischen 1997 und 2013 um den MSY-Referenzwert und liegt seither darunter. Die Nachwuchsproduktion liegt seit 2008 unter dem Langzeitmittel. [47] [921] [932]

Ausblick

Aufgrund der verbesserten Bestandswahrnehmung könnten die Fangmöglichkeiten kurzfristig stark ansteigen, werden dann aber im Rahmen des Managementplanes eher stabil bleiben. Dieser Plan könnte auch die kurzfristige Zunahme der Fangmengen dämpfen. [921]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Nordsee-Seelachs ist der südlichste große Seelachsbestand in europäischen Gewässern. Seit Mitte der 1980er Jahre sind diese Seelachse immer langsamer gewachsen, dieser Trend ist aber seit einigen Jahren gestoppt. Es ist noch nicht geklärt, ob diese Entwicklung durch veränderte Umweltbedingungen verursacht wurde. Die seit 2008 geringe Nachwuchsproduktion ist nicht durch eine geringe Laicherbiomasse (also zu wenig Elterntiere) verursacht, sondern hängt wahrscheinlich mit Umweltveränderungen zusammen. Die vorhandenen Informationen reichen allerdings nicht aus, um einen Zusammenhang zwischen Nachwuchsproduktion und z.B. Temperatur, Strömungen oder Nahrungsverfügbarkeit herzustellen. [921] [932]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt gemeinsam durch die Europäische Union und Norwegen über einen Managementplan, der seit 2009 in Kraft ist. Er sieht Grenzwerte für die Laicherbiomasse und die fischereiliche Sterblichkeit vor. Der Plan wurde vom ICES 2012 erneut positiv bewertet (als in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz), benötigt nach Änderungen in der Bestandsberechnung und Überarbeitung der Referenzwerte nun aber eine Neubewertung. Er ist daher derzeit nicht mehr Basis für die Fangempfehlung des ICES. Der Bestand ist in drei Managementgebieten verbreitet, für die zwei getrennte Höchstfangmengen (TACs) festgelegt werden (siehe „Karten“). Technische Maßnahmen richten sich nach EU- bzw. norwegischen Regeln. Ein Teil der Fänge aus diesem Bestand fällt seit Januar 2016 unter das Anlandegebot der EU. [71] [907] [921] [932]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die legalen Höchstfangmengen (TACs) werden seit vielen Jahren der wissenschaftlichen Empfehlung entsprechend festgesetzt. 2016 liegt der TAC für die Gebiete IV und IIIa aber etwas über der Anlande-Empfehlung. Die Fangmengen wurden in den letzten Jahren nie ganz ausgeschöpft, 2015 wurden jedoch beide TACs überschritten. [907] [921] [932]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Bestand ist in drei verschiedenen Managementgebieten verbreitet: In der Nordsee (IV), dem Skagerrak und Kattegat (IIIa) und dem Gebiet westlich Schottlands (VI). Im Norden kann es zur Vermischung mit Nordost-Arktischem Seelachs kommen. Es werden zwei getrennte Höchstfangemengen (TACs) festgesetzt: Eine für die Nordsee (inkl. EU-Gewässern von IIa) mit Skagerrak/Kattegat und der gesamten Ostsee, und eine für das Gebiet westlich Schottlands (inkl. EU- und internationalen Gewässern von Vb, XII und XIV). [907] [921] [932]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2015: Gesamtfang 81,9 (Anlandungen 76,9, Rückwürfe 5,0); von den Anlandungen: Grundschleppnetzee 87%, Kiemennetze 5%, andere 8%
TACs (Summe)2009: 139,0 2010: 118,2 2011: 103,0 2012: 87,6 2013: 100,7 2014: 85,6 2015: 72,9 2016: 72,14 [907] [921] [932]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf unberichtete oder illegale Anlandungen aus diesem Bestand. [921] [932]

Struktur und Fangmethode

Fast alle Nordsee-Anrainerstaaten (Ausnahmen: Niederlande, Belgien) unterhalten gerichtete Fischereien, überwiegend mit Frischfischfängern, aber auch mit Vollfrostern (Fabrikschiffen). Seelachs wird in der Nordsee überwiegend in einer gerichteten Fischerei im tiefen Wasser entlang der nördlichen Schelfkante und in der Norwegischen Rinne gefangen. Hauptfangnation 2015 war hier Norwegen, gefolgt von Frankreich, dem Vereinigten Königreich (UK) und Deutschland. Westlich Schottlands fischen vor allem die französische und die UK-Flotte. [921] [932]

Beifänge und Rückwürfe

Die Seelachsfischerei gilt als fast rein: unerwünschte Beifänge von Nichtzielarten sind sehr gering. Junge Seelachse wachsen in Fjorden und sehr küstennah (Norwegen, Schottland, Shetland-Inseln) auf und werden deshalb auf den Fangplätzen für die Erwachsenen in der nördlichen Nordsee meist nicht mitgefangen. Rückwürfe sind deshalb in dieser Fischerei kein Problem. In der gemischten Fischerei können die Rückwürfe allerdings höher sein. In einzelnen Jahren gab es Berichte über „highgrading“, also das Verwerfen maßiger Fische, die aus ökonomischen Gründen oder zur Optimierung des Arbeitsablaufes nicht verwendet wurden. Seelachs wird außerdem als Beifang gefangen und es kann zu Rückwürfen kommen, wenn Schiffe keine Seelachsquote besitzen. 2015 wurden schätzungsweise 5.010 t Seelachs zurückgeworfen (6% des Gesamtfanges). In norwegischen Gewässern sind sämtliche Rückwürfe von quotierten Arten verboten, in EU-Gewässern der Nordsee (Gebiete IIIa und IV) ist der Rückwurf von Seelachs aus gerichteter Schleppnetzfischerei seit Januar 2016 ebenfalls verboten. In anderen Fischereien und westlich Schottlands gilt für Seelachs bis spätestens Ende 2018 nur ein Verbot des „highgradings“. [39] [48] [72] [631] [750] [921] [927] [928] [932]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Beim Seelachsfang in der Nordsee können die Netze jedoch mit geringer Grundberührung eingesetzt werden, weil Seelachs deutlich oberhalb des Meeresbodens schwimmt. Beifänge geschützter Arten (Seevögel, Meeresäuger) sind in dieser Fischerei selten. [8] [30] [921] [932]

Biologische Besonder­heiten

Die Jungtiere und die Erwachsenen dieses Bestandes sind räumlich deutlich getrennt: 1-3 Jährige Nordsee-Seelachse leben an der norwegischen Küste und in den Fjorden, an der Küste der Shetland Inseln und vor Schottland. Erst ab Alter 4 ziehen sie auf die Nahrungsgründe in der nördlichen Nordsee und werden dort Ziel der internationalen Flotten. Durch diese Trennung treten, anders als bei den meisten Rundfischfischereien in der Nordsee, wenig Probleme mit dem Beifang von juvenilen Tieren der Zielart auf. Andererseits kann die Wissenschaft immer erst vier bis fünf Jahre nach der Geburt eines neuen Jahrgangs zuverlässige Angaben über dessen Stärke machen. [72] [921] [932]

Zusätzliche Informationen

Der Bestand war viele Jahre unternutzt, höhere Erträge wären auch nach dem Konzept des maximalen Dauerertrags möglich gewesen. Ursache hierfür waren vor allem Vermarktungsprobleme: Der Konsument schätzt das eher graue Filet das Seelachses nicht so wie das weiße anderer Rundfische. Durch die Struktur der Fischerei (überwiegend Frischfischfänger ohne Verarbeitung an Bord) war auch die Vermarktung in Form von Filetblöcken z.B. für die Fischstäbchenproduktion lange Zeit nicht möglich. Sogar Interventionskäufe wurden durch die EU durchgeführt, um den Marktpreis zu stützen. Eine Imagekampagne der Marktverbände ("Trendfisch Seelachs") und die Verwendung zumindest der nachhaltigkeitszertifizierten Ware auch für Fischstäbchen waren für die Förderung des Absatzes nützlich. [13] [14] [921] [932]

Soziale Aspekte

Die Seelachsfischerei in der Nordsee wird überwiegend mit kleineren und mittleren Fahrzeugen durchgeführt. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. [13] [185] [921] [932]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[47]Cushing DH1984The gadoid outburst in the North Sea ICES Journal of Marine Science 41:159-166
[48]Europäische Union (EU)2008Verordnung (EG) Nr. 1342/2008 des Rates zur Festlegung eines langfristigen Plans für die Kabeljaubestände und die Fischereien, die diese Bestände befischen, sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2004europa.eu
[71]2008Long-term management plan for the saithe stock in the Skagerrak, the North Sea and west of Scotland
[72]Kamenos NA, Moore PG, Hall-Spencer, JM2004Small-scale distribution of juvenile gadoids in shallow inshore waters; what role does maerl play? ICES Journal of Marine Science 61:422-429
[185]Europäische KommissionEuropäische Kommission, Fischerei, Homepageeuropa.eu
[631]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rates über die zulässige Anlandung von Hering zu industriellen Zwecken ohne Bestimmung für den unmittelbaren menschlichen Verzehreuropa.eu
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[907]Europäische Union (EU)2016VERORDNUNG (EU) 2016/72 DES RATES vom 22. Januar 2016 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2016 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern und zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/104europa.eu
[921]ICES2016Report of the Advisory Committee, 2016. Greater North Sea and Celtic Seas ecoregions. 6.3.38 Saithe (Pollachius virens) in subareas 4 and 6 and Division 3.a (North Sea, Rockall and West of Scotland, Skagerrak and Kattegat)ices.dk
[927]Europäische Union (EU)2015DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2015/2440 DER KOMMISSION vom 22. Oktober 2015 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in der Nordsee und in den Unionsgewässern der ICES-Division IIaeuropa.eu
[928]Europäische Union (EU)2015DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2015/2438 DER KOMMISSION vom 12. Oktober 2015 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in den nordwestlichen Gewässerneuropa.eu
[932]ICES2016Report of the Working Group on the Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (WGNSSK), 26 April-5 May 2016, Hamburg, Germany. ICES CM 2016/ ACOM:14. 19 pp.ices.dk