Bestandsdatenblatt

Seelachs Nordsee, Skagerrak/Kattegat, westl. Schottlands

Gültig 06/2017 - 06/2018

Seelachs Nordsee, Skagerrak/Kattegat, westl. Schottlands

gültig 06/2017 - 06/2018

Zugehörige Fischart

Seelachs

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Keltischer und Biskaya-Schelf
Fanggebiet:Nordsee (4, 3.a), westl. Schottland (6) FAO 27
Art:Pollachius virens

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung fast vollständiger Fangdaten und einer unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreise, die Seelachse jedoch erst ab Alter 3 erfasst. Die Vorhersagen für diesen Bestand und die daraus resultierenden Fangempfehlungen werden maßgeblich bestimmt durch die Annahmen über den in die Fischerei einwachsenden Jahrgang, dessen Größe aber zum Zeitpunkt der Berechnung noch nicht bekannt ist. Daraus resultiert eine hohe Variabilität der Empfehlung zwischen den Jahren und die Bestandsberechnung ist sehr unsicher. Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz sind definiert, sie basieren auf der Biomasse-Nachwuchs-Relation. Nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages sind zwei Referenzwerte festgelegt (Btrigger, Fmsy). [999] [1014]

Wesentliche Punkte

2017: Seelachs Nordsee, Skagerrak/Kattegat und westlich Schottlands liegt weiterhin vollständig im grünen Bereich. Die Laicherbiomasse ist wieder gestiegen und der Fischereidruck nochmals gesunken. [999] [1014]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Der Bestand erreichte Anfang der 1970er Jahre eine Maximalmenge, in Folge sehr guter Umweltbedingungen („gadoid outburst“). Eine sehr hohe Entnahme bei gleichzeitig nachlassender Nachwuchsproduktion führte zu einer schnellen Abnahme des Bestandes. In der Folge war Nordsee-Seelachs 7 Jahre überfischt (Laicherbiomasse unter MSY-Btrigger), bis er sich ab Ende der 1990er Jahre wieder positiv entwickelte und eher moderat genutzt wurde – maßgeblich durch eine geringere Nachfrage auf dem Markt. Die Biomasse stieg bis 2006 an, hat dann bis 2012 abgenommen, steigt seitdem aber wieder. Der Bestand liegt seit 1996 über dem (aktualisierten) Referenzwert des Konzeptes zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrigger). Der Fischereidruck schwankte zwischen 1997 und 2013 um den MSY-Referenzwert und liegt seither darunter. Die Nachwuchsproduktion schwankt und liegt seit 2003 meist unter dem Langzeitmittel. [47] [999] [1014]

Ausblick

Bei langsam wachsendem Bestand und niedrigem Fischereidruck können die Fangmengen in den nächsten Jahren stabil gehalten werden oder sogar leicht steigen. [999] [1014]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Nordsee-Seelachs ist der südlichste große Seelachsbestand in europäischen Gewässern. Seit Mitte der 1980er Jahre sind diese Seelachse immer langsamer gewachsen, dieser Trend ist aber seit einigen Jahren gestoppt. Es ist noch nicht geklärt, ob diese Entwicklung durch veränderte Umweltbedingungen verursacht wurde. Die seit 2008 geringe Nachwuchsproduktion ist nicht durch eine geringe Laicherbiomasse (also zu wenig Elterntiere) verursacht, sondern hängt wahrscheinlich mit Umweltveränderungen zusammen. Die vorhandenen Informationen reichen allerdings nicht aus, um einen Zusammenhang zwischen Nachwuchsproduktion und z.B. Temperatur, Strömungen oder Nahrungsverfügbarkeit herzustellen. [999] [1014]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt gemeinsam durch die Europäische Union und Norwegen über einen Managementplan, der seit 2009 in Kraft ist. Er sieht Grenzwerte für die Laicherbiomasse und die fischereiliche Sterblichkeit vor. Der Plan wurde vom ICES 2012 erneut positiv bewertet (als in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz), benötigt nach Änderungen in der Bestandsberechnung und Überarbeitung der Referenzwerte 2016 nun aber eine Neubewertung. Er ist daher derzeit nicht mehr Basis für die Fangempfehlung des ICES. Der Bestand ist in drei Managementgebieten verbreitet, für die zwei getrennte Höchstfangmengen (TACs) festgelegt werden (siehe „Karten“). Technische Maßnahmen richten sich nach EU- bzw. norwegischen Regeln (z.B Referenzmindestgrößen für die Bestandserhaltung). Ein Teil der Fänge aus diesem Bestand fällt seit Januar 2016 unter das Anlandegebot der EU. [686] [998] [999] [1014]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die wissenschaftliche Empfehlung gilt für den gesamten Bestand, der in drei Managementgebieten verbreitet ist. Die zwei Höchstfangmengen (TACs) müssen für den Vergleich also summiert werden. Die TACs werden seit vielen Jahren der wissenschaftlichen Empfehlung entsprechend festgesetzt. 2016 lag der TAC für die Gebiete 4 und 3.a etwas über der Anlande-Empfehlung, 2017 aber wieder darunter. Die Fangmengen wurden bis einschl. 2014 selten ganz ausgeschöpft, 2015 wurden jedoch beide TACs überschritten, 2016 der kam es zu einer Überschreitung in Gebiet 6. [981] [999] [1014]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Bestand ist in drei verschiedenen Managementgebieten verbreitet: In der Nordsee (4), dem Skagerrak und Kattegat (3.a) und dem Gebiet westlich Schottlands (6). Im Norden kann es zur Vermischung mit Nordost-Arktischem Seelachs kommen. Es werden zwei getrennte Höchstfangemengen (TACs) festgesetzt: Eine für die Nordsee (inkl. EU-Gewässern von 2.a) mit Skagerrak/Kattegat und bis 2016 der gesamten Ostsee (22-32), sowie eine für das Gebiet westlich Schottlands (inkl. EU- und internationalen Gewässern von 5.b, 12 und 14). [981] [999] [1014]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2016: 78,7 (Anlandungen 68,1, Rückwürfe 10,4, Anlandungen unter der Mindestgröße: 0,18); von den Anlandungen: Grundschleppnetze 89,7%, Kiemennetze 4,9%, andere 5,4%
TACs 4, 3.a, 2.a (EU) & bis 2016 22-32/6; 5.b, 12, 14 (EU & internat. Gewässer)/(Summe)2009: 126/13/(139)  2010: 107/11/(118)  2011: 93/10/(103)  2012: 79/8/(87) 2013: 91,2/9,5(100,7)  2014: 77,5/8,1/(85,6)  2015: 66,0/6,8/(72,9)  2016: 65,7/6,8/(72,5)  2017: 100,3/10/(110,3) [981] [999]
  

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf unberichtete oder illegale Anlandungen aus diesem Bestand. [999] [1014]

Struktur und Fangmethode

Fast alle Nordsee-Anrainerstaaten (Ausnahmen: Niederlande, Belgien) unterhalten gerichtete Fischereien, überwiegend mit Frischfischfängern, aber auch mit Vollfrostern (Fabrikschiffen). Seelachs wird in der Nordsee überwiegend in einer gerichteten Fischerei im tiefen Wasser entlang der nördlichen Schelfkante und in der Norwegischen Rinne gefangen. Hauptfangnation 2016 war hier Norwegen, gefolgt von Frankreich, dem Vereinigten Königreich (UK) und Deutschland. Westlich Schottlands fischen vor allem die französische und die UK-Flotte. [999] [1014]

Beifänge und Rückwürfe

In norwegischen Gewässern sind sämtliche Rückwürfe von quotierten Arten verboten. Seit Januar 2016 ist in EU-Gewässern der Nordsee (Gebiete 3.a und 4) der Rückwurf von Seelachs aus gerichteter Schleppnetzfischerei ebenfalls verboten. In anderen Fischereien und westlich Schottlands gilt für Seelachs bis spätestens Ende 2018 nur ein Verbot des „highgradings“ (Verwerfen maßiger Fische aus ökonomischen Gründen). Durch Fraß beschädigter Fisch ist vom Anlandegebot jedoch ausgenommen. Rückwürfe werden nicht vollständig erfasst, ein kleiner Teil wird hochgerechnet. Junge Seelachse wachsen in Fjorden und sehr küstennah (Norwegen, Schottland, Shetland-Inseln) auf und werden deshalb auf den Fangplätzen für die Erwachsenen in der nördlichen Nordsee meist nicht mitgefangen. Rückwürfe sind deshalb in dieser Fischerei kein Problem. In der gemischten Fischerei können die Rückwürfe allerdings höher sein. In einzelnen Jahren gab es Berichte über „highgrading“. Seelachs wird außerdem als Beifang gefangen und es kann zu Rückwürfen kommen, wenn Schiffe keine Seelachsquote besitzen. Die Rückwürfe betrugen 2013, 2014 und 2015 etwa 9%, 8% und 6% des Gesamtfanges (bezogen aufs Gewicht). 2016 betrugen die Rückwürfe 13%. Der hohe Wert resultierte aus Meldungen der schottischen Fischerei. Bei den sogenannten „unerwünschten Fängen“ wird nun zwischen Rückwürfen und Anlandungen unter der Mindestgröße (2016: 182 t, wahrscheinlich unvollständig) unterschieden. Die Seelachsfischerei gilt als fast rein: unerwünschte Beifänge von Nichtzielarten sind sehr gering. [39] [48] [72] [686] [750] [998] [999] [1014]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Beim Seelachsfang in der Nordsee können die Netze jedoch mit geringer Grundberührung eingesetzt werden, weil Seelachs deutlich oberhalb des Meeresbodens schwimmt. Beifänge geschützter Arten (Seevögel, Meeresäuger) sind in dieser Fischerei selten. [8] [30] [999] [1014]

Biologische Besonder­heiten

Die Jungtiere und die Erwachsenen dieses Bestandes sind räumlich deutlich getrennt: 1-3 Jährige Nordsee-Seelachse leben an der norwegischen Küste und in den Fjorden, an der Küste der Shetland Inseln und vor Schottland. Erst ab Alter 4 ziehen sie auf die Nahrungsgründe in der nördlichen Nordsee und werden dort Ziel der internationalen Flotten. Durch diese Trennung treten, anders als bei den meisten Rundfischfischereien in der Nordsee, wenig Probleme mit dem Beifang von juvenilen Tieren der Zielart auf. Andererseits kann die Wissenschaft immer erst vier bis fünf Jahre nach der Geburt eines neuen Jahrgangs zuverlässige Angaben über dessen Stärke machen. [72] [999] [1014]

Zusätzliche Informationen

Der Bestand war viele Jahre unternutzt, höhere Erträge wären auch nach dem Konzept des maximalen Dauerertrags möglich gewesen. Ursache hierfür waren vor allem Vermarktungsprobleme: Der Konsument schätzt das eher graue Filet das Seelachses nicht so wie das weiße anderer Rundfische. Durch die Struktur der Fischerei (überwiegend Frischfischfänger ohne Verarbeitung an Bord) war auch die Vermarktung in Form von Filetblöcken z.B. für die Fischstäbchenproduktion lange Zeit nicht möglich. Sogar Interventionskäufe wurden durch die EU durchgeführt, um den Marktpreis zu stützen. Eine Imagekampagne der Marktverbände ("Trendfisch Seelachs") und die Verwendung zumindest der nachhaltigkeitszertifizierten Ware auch für Fischstäbchen waren für die Förderung des Absatzes nützlich. [13] [14] [999] [1014]

Soziale Aspekte

Die Seelachsfischerei in der Nordsee wird überwiegend mit kleineren und mittleren Fahrzeugen durchgeführt. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. [13] [185] [999] [1014]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[47]Cushing DH1984The gadoid outburst in the North Sea ICES Journal of Marine Science 41:159-166
[48]Europäische Union (EU)2008Verordnung (EG) Nr. 1342/2008 des Rates zur Festlegung eines langfristigen Plans für die Kabeljaubestände und die Fischereien, die diese Bestände befischen, sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2004europa.eu
[72]Kamenos NA, Moore PG, Hall-Spencer, JM2004Small-scale distribution of juvenile gadoids in shallow inshore waters; what role does maerl play? ICES Journal of Marine Science 61:422-429
[185]Europäische KommissionEuropäische Kommission, Fischerei, Homepageeuropa.eu
[686]Europäische Union (EU)2016DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/2375 DER KOMMISSION vom 12. Oktober 2016 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in den nordwestlichen Gewässerneuropa.eu
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[981]Europäische Union (EU)2017VERORDNUNG (EU) 2017/127 DES RATES vom 20. Januar 2017 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2017 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässerneuropa.eu
[998]Europäische Union (EU)2016DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/2250 DER KOMMISSION vom 4. Oktober 2016 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in der Nordsee und in den Unionsgewässern der ICES-Division IIaeuropa.eu
[999]ICES2017ICES Advice on fishing opportunities, catch, and effort, Celtic Seas, Faroes, and Greater North Sea Ecoregions, Saithe (Pollachius virens) in subareas 4 and 6, and in Division 3.a (North Sea, Rockall and West of Scotland, Skagerrak and Kattegat)ices.dk
[1014]ICES2017Report of the Working Group on Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (2017), 26 April–5 May 2017, ICES HQ. ICES CM 2017/ACOM:21. 1077 pp.ices.dk