Bestandsdatenblatt

Nordost-Arktischer Schellfisch

Gültig 06/2016 - 06/2017

Nordost-Arktischer Schellfisch

gültig 06/2016 - 06/2017

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Schellfisch

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Barentsmeer (Nordost-Arktis), Norwegische See
Fanggebiet:Nordost-Arktis und Norw. See (1, 2.ab) FAO 27
Art: Melanogrammus aeglefinus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und vier unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz (Fpa, Flim, Bpa, Blim) sind definiert. Die Referenzwerte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Btrig, Fmsy) sind ebenfalls festgelegt. Die Fangempfehlung des ICES basiert auf dem gemeinsamen Managementplan von Russland und Norwegen. [789] [942]

Wesentliche Punkte

2016: Der Bestand liegt weiterhin komplett im grünen Bereich. Die Laicherbiomasse hat nach dem historischen Höchstwert 2015 etwas abgenommen, der Fischereidruck ist leicht gestiegen. [789] [942]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  über dem Grenzwert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse dieses Bestandes liegt seit 1989 über dem Referenzwert des Konzeptes zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrig). Seit dem Jahr 2000 ist sie schnell gestiegen, erreichte 2015 den höchsten Wert der Zeitreihe und nahm 2016 leicht ab. Die fischereiliche Sterblichkeit schwankte von Mitte der 1990er bis 2011 um den MSY-Referenzwert, hat danach aber deutlich abgenommen. Der Bestand liegt seit 2012 vollständig im grünen Bereich. Die Anlandungen erreichten 1973 ihren Höchstwert (322.000 t) und 11 Jahre später den niedrigsten Wert (21.000 t), seitdem stiegen sie schwankend an, erreichten 2011 und 2012 fast wieder den Maximalwert, sind danach aber niedriger. Die Nachwuchsproduktion liegt seit 2000 im oder über dem Langzeitmittel. Die Jahrgänge 2004-2006 waren besonders stark und dominieren noch immer die Laicherbiomasse. [789] [942]

Ausblick

Aufgrund schwächerer Jahrgänge wird die Biomasse in den nächsten Jahren sinken. Dies wird auch in geringeren Fangempfehlungen resultieren, die aber für 2017 weniger einschneidend sind als nach Managementplan möglich. Der Managementplan beschränkt die Reduzierung von einem Jahr zum nächsten auf 25%, solange die Laicherbiomasse über dem Vorsorgereferenzwert liegt. Der ICES prognostiziert trotz Abnahme der Biomasse ein relativ hohes Bestandsniveau in den nächsten Jahren. [789] [942]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Die variable Nachwuchsproduktion von Schellfisch in der Nordost-Arktis kann auf Veränderungen im Einstrom von Atlantikwasser in die Barentssee zurückgeführt werden. Die Wassertemperatur im ersten und zweiten Lebensjahr ist ein wichtiger Faktor, der die Jahrgangsstärke beeinflusst. Zu kaltes Wasser in der Bodenschicht verringert die Wahrscheinlichkeit starker Jahrgänge. Kabeljau ist der Haupträuber auf Schellfisch, der große Kabeljaubestand in diesem Gebiet führt daher in den letzten Jahren zu einem hohen Wegfraß von Schellfisch. [789] [942]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt gemeinsam durch Norwegen und die Russische Föderation durch die "Joint Norwegian-Russian Fisheries Commission“ (JNRFC). Der 2004 eingeführte Managementplan (Harvest Controle Rule, HCR) wurde seitdem mehrmals überarbeitet. Der Zielwert für die fischereiliche Sterblichkeit (Ftgt) basiert inzwischen auf dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen Dauerertrages (MSY). Veränderungen der zulässigen Höchstfangmenge werden auf jährlich ±25% begrenzt (wenn die Laicherbiomasse über Bpa liegt). Der ICES hat den Plan als im Einklang mit dem Vorsorgeansatz und nicht im Widerspruch zum MSY-Konzept bewertet. Er ist Basis für Fangempfehlung und Festsetzung der Höchstfangmengen (TACs). Neben den TACs wird diese Fischerei durch Mindestfanggrößen, Festlegung minimaler Maschenweiten, Sortiereinrichtungen in den Netzen, die maximal zulässige Menge von juvenilen Fischen als Beifang, Echtzeitschließungen, Gebietsbeschränkungen und saisonale Schließungen reguliert. Seit Januar 2011 sind die technischen Regularien von Norwegen und Russland aufeinander abgestimmt. Eine Fischereikontrolle erfolgt durch Inspektionen auf See und generell bei allen Anlandungen, sowie durch Logbücher und tägliche Meldungen an die zuständigen Behörden. [81] [789] [941] [942]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Bis einschließlich 2008 wurde die Höchstfangmenge (TAC) meist über den Empfehlungen des ICES festgelegt. 2009 bis 2012 entsprach der TAC den wissenschaftlichen Empfehlungen. 2013 wurde er niedriger festgelegt (-37% im Vergleich zum Vorjahres-TAC, auf 200.000 t), die maximal 25% Reduzierung des Managementplanes wurde also überschritten. Basis für die Fangempfehlung für 2014 war der tatsächliche niedrige 2013er-TAC und die 25% Regelung, bei der Festlegung des 2014er-TACs wurde jedoch ein höherer 2013er-TAC von 238.000 t (wie er der Empfehlung entsprochen hätte) zugrunde gelegt und um 25% reduziert. Der 2014er TAC liegt daher über der Empfehlung, faktisch entspricht er aber dem Wert, der bei jeweiliger Reduzierung um 25% über die zwei Jahre für 2014 erreicht worden wäre. 2015 wurde der TAC aufgrund der sehr guten Prognosen in der Bestandsberechnung noch im laufenden Fischereijahr erhöht und dann der ICES gebeten, eine erneute aktualisierte Fangempfehlung für 2016 zu geben. Die erste Fangempfehlung für 2016 basierte auf einer Erhöhung des ursprünglichen 2015er-TAC um die erlaubten 25%. Durch den erhöhten 2015er-TAC konnte die Fangempfehlung bei Einhaltung des Managementplanes um weitere 9% erhöht werden. Der 2016er TAC wurde entsprechend festgesetzt. Die TACs wurden in den letzten 10 Jahren meist voll ausgeschöpft oder die Anlandungen lagen sogar geringfügig darüber. 2013 und 2015 wurde jedoch etwas weniger als der TAC entnommen. [789] [839] [941] [942] [953]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Verbreitungs- und Managementgebiete decken sich, allerdings gibt es nationale Regelungen der Küstenstaaten und Sonderregelungen in internationalen Gewässern. [789] [942]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2015: Anlandungen 194,8; davon Grundschleppnetze 68%, Langleinen 12%, andere 20%
TACs2007: 150 2008: 155 2009: 194 2010: 243 2011: 303
2012: 318 2013: 200 2014: 178,5 2015: 223 2016: 244
[789] [839] [941] [942] [953]

IUU-Fischerei

Illegale, unregulierte und nicht gemeldete (IUU) Fänge waren in früheren Jahren ein erhebliches Problem in dieser Fischerei. Zwischen 2002 und 2008 betrugen die nicht gemeldeten Fänge 4 bis 34% der Anlandungen. Seit 2009 liegen die geschätzten IUU-Fänge bei Null. [789] [942]

Struktur und Fangmethode

Schellfisch wird in der Nordost-Arktis ganzjährig vor allem mit Schleppnetzen, seltener mit Langleinen gefangen. Langleinen werden fast ausschließlich von norwegischen Fahrzeugen eingesetzt. Bei hohen Bestandsdichten ist Schellfisch Ziel einer gerichteten Fischerei, in anderen Jahren tritt er vor allem als (erwünschter) Beifang in der Kabeljaufischerei auf. 2015 hat Norwegen 49% und Russland 47% der Anlandungen getätigt, aber auch färöische und EU-Fahrzeuge haben Fangrechte. [39] [789] [942]

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe von quotierten Arten wie Kabeljau, Schellfisch und Seelachs sind sowohl in Norwegen als auch in Russland illegal. Der Rückwurf von Schellfisch kommt trotzdem vor, kann aber nicht quantifiziert werden. Es wird angenommen, dass diese Menge in den letzten Jahren unter 5% liegt. Wenn zu viele untermaßige Fische in den Fängen vorkommen (mehr als 15%), werden einzelne Gebiete zeitnah für die Fischerei geschlossen. Einige Gebiete sind zum Schutz von jungen Schellfischen und Kabeljau komplett geschlossen. Selektivere Fanggeräte haben den Fang und Rückwurf von Jungfischen seit 1997 reduziert. Infolge der gestiegenen Fangmöglichkeiten für Kabeljau und den gleichzeitig gesunkenen für Schellfisch kam es 2013 zu mehr Rückwurf von Schellfisch. [39] [789] [942]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Sie fangen neben den Zielarten auch Arten, die nicht kommerziell genutzt werden und deren Entnahme einen Einfluss auf das Ökosystem haben kann. Auf sandigem Boden konnten allerdings keine großen Veränderungen festgestellt werden. In der Nordost-Arktis können Grundschleppnetze vor allem einen negativen Effekt auf empfindliche Bodenlebewesen-Gemeinschaften haben, die auf Hartsubstrat vorkommen. Besonders empfindlich sind Schwämme und Kaltwasser-Korallen. Die Kartierung der Kaltwasser-Riffe schreitet stetig voran, auch Fischer versuchen den Kontakt mit Riffen zu vermeiden, um ihr Fanggerät zu schonen. In einigen Gebieten ist zum Schutz dieser Riffe der Einsatz von Grundschleppnetzen verboten. In der Fischerei mit Langleinen können Nicht-Zielarten (z.B. Haie) beigefangen werden. [7] [8] [30] [83] [149] [942]

Biologische Besonder­heiten

Schellfisch kann sehr unterschiedliches Futter nutzen und zwischen Fisch, Plankton und bodenlebenden Tieren variieren. Wenn verfügbar, ist er ein großer Räuber auf Lodde und deren Brut, kann aber auch auf andere Fischarten, Krill und Bodentiere wechseln. Ist der Loddenbestand groß, ist Schellfisch wiederum seltener Beute von Meeressäugern. [789] [942]

Zusätzliche Informationen

Schellfisch wird in Norwegen gerne in der Sportfischerei geangelt. Er ist Grundlage vieler landestypischer Rezepte, wie zum Beispiel dem Fischpudding und Fischbällchen. [39]

Zertifizierte Fischereien

Neun Fischereien auf Nordost-Arktischen Schellfisch sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils zertifiziert. Insgesamt fangen diese Fischereien den größten Teil der Höchstfangmenge (TAC). [4]

Soziale Aspekte

Die Fahrzeuge in der Norwegensee und in der Barentssee fahren unter norwegischer, russischer, färöischer oder EU-Flagge, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach den (sehr unterschiedlichen) Regeln dieser Staaten. [13] [39]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[81]Ministerium für Handel, Industrie und Fischerei, NorwegenOnline Portal des Nærings- og fiskeridepartementet (Ministerium für Handel, Industrie und Fischerei), Norwegenregjeringen.no
[83]Fossa JH, Mortensen PB, Furevik DM2002The deep-water coral Lophelia pertusa in Norwegian waters: distribution and fishery impacts Hydrobiologia 471:1-12
[149]MAREANO: The Sea in Maps and PicturesMareano Homepage: Vulnerable biotope mapsmareano.no
[789]ICES2016Report of the Advisory Committee, 2016. Book 3, Barents Sea and Norwegian Sea Ecoregions, 3.3.5 Haddock (Melanogrammus aeglefinus) in subareas 1 and 2 (Northeast Arctic)ices.dk
[839]Ministry of Fisheries and Coastal Affairs, Norwegen2014Undertegnet norsk-russisk fiskeriavtale, Pressemelding, Dato: 10.10.2014, Nr: 102/2014 (auf Norwegisch)regjeringen.no
[941]Ministry of Fisheries and Coastal Affairs, Norwegen2015Abkommen über die norwegisch-russischen Quotenvereinbarung für das Jahr 2016: Enighet om norsk-russisk kvoteavtale for 2016, Pressemelding, Dato: 09.10.2015 (auf Norwegisch)regjeringen.no
[942]ICES2016Report of the Arctic Fisheries Working Group (AFWG), Dates 19-25 April 2016, ICES HQ, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2016/ACOM:06. 621 pp.ices.dk
[953]Ministry of Fisheries and Coastal Affairs, Norwegen2016Erhöhung der Schellfisch-Quote 2015: Auke i hysekvoten for 2015. Pressemelding, Dato: 10.06.2015 (auf Norwegisch)regjeringen.no