Bestandsdatenblatt

Nordsee-Schellfisch

Gültig 06/2010 - 06/2011

Nordsee-Schellfisch

gültig 06/2010 - 06/2011

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Schellfisch

Allgemeine Informationen

Ökoregion:Nordsee
Fanggebiet:Nordsee (4, 3.a20) FAO 27
Art:Melanogrammus aeglefinus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und drei unabhängigen wissenschaftlichen Surveys. Rückwürfe und Beifang in der Industriefischerei gehen in die Berechnungen ein. Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz (Fpa, Flim, Bpa, Blim) und zwei Referenzwerte nach dem Konzept zur Erlangung des höchsten Dauerertrages (Btrig, Fmsy) sind definiert. [143]

Wesentliche Punkte

2010: Der Bestand ist nach beiden Managementansätzen vollständig im grünen Bereich (Fischereiliche Sterblichkeit und Biomasse). Die fischereiliche Sterblichkeit liegt nah am historisch niedrigsten Wert. Der Bestand nimmt weiter langsam ab, nachdem der sehr starke 1999er-Jahrgang die Fischerei viele Jahre getragen hat. In jüngster Vergangenheit sind nur noch 2005 und 2009 überdurchschnittliche Jahrgänge aufgetreten. [143]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

 

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  unter dem Grenzwert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Fischerei auf diesen Bestand wird im wesentlichen von gelegentlich auftretenden, sehr starken Jahrgängen getragen, die zu einer raschen Zunahme der Laicherbiomasse führen. Zwischen diesen Ereignissen ist die Nachwuchsproduktion sehr gering. Herausragende Jahrgänge sind 1967, 1974 und 1999 aufgetreten, diese haben über viele Jahre eine gute Fischerei ermöglicht. Die fischereiliche Sterblichkeit war über den größten Teil der Zeitreihe viel zu hoch, vor allem durch erhebliche Rückwürfe in der gemischten Rundfischfischerei, und konnte erst seit Beginn dieses Jahrtausends auf ein nachhaltiges Maß gesenkt werden. Dies führt nun zu einer Stabilisierung der Biomasse. Der Bestand wird als einer der wenigen europäischen Bestände bereits nach dem anspruchsvollen MSY-Konzept bewirtschaftet. [143] [144]

Ausblick

Bis zum nächsten Auftreten eines starken Jahrgangs ist eine langsame Reduzierung der Fangmenge absehbar. Basierend auf dem Managementplan hätten die Höchstfangmengen (TACs) für 2011 um 5% gekürzt werden müssen, tatsächlich wurden sie um nur 2% gekürzt (Nordsee) bzw. sogar um 9% angehoben (Skagerrak). [167]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Das Wachstum von Schellfisch in der Nordsee hängt von der Wassertemperatur ab. Warmes Wasser führt zu schnellerem Wachstum in den frühen Lebensstadien, aber auch zu früherer Geschlechtsreife und somit zu geringeren maximalen Längen. Ursache und Auslöser für das bemerkenswerte unregelmäßige Auftreten sehr starker Jahrgänge sind nicht bekannt. [143] [144]

Wer und Wie

Das Management erfolgt durch die Europäische Union und Norwegen. Ein Managementplan ist seit 2005 in Kraft. Dieser Plan wurde vom ICES 2007 provisorisch positiv bewertet (in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz) und ist Basis für Fangempfehlung und Festsetzung der TACs. 2008 wurde der Plan leicht überarbeitet, um eine geringfügige Übertragbarkeit der Quoten zwischen den Jahren zu ermöglichen. Weitere Managementinstrumente sind Verordnungen zu Maschenweiten und Mindestanlandelängen (MLS). Die seit 1998 zunehmend implementierten Schutzmaßnahmen für den Nordsee-Kabeljau haben zwar nicht zu einer Erholung dieses Bestandes geführt, hatten aber eindeutig sehr positive Auswirkungen auf den Nordsee-Schellfischbestand. [143] [144].

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Das Management befolgte zwischen 2007 und 2010 den Bewirtschaftungsplan, der auch die Basis für die wissenschaftliche Empfehlung bildete. Für 2011 wich das Management jedoch vom Plan ab und setzte höhere Fangmengen fest. [143]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Die Empfehlungen des ICES werden für die Nordsee (IV) und das Skagerrak (IIIaN) gegeben. Die Höchstfangmengen (TACs) hingegen werden für IV und den EU-Teil von IIa, sowie für das gesamt Gebiet III (Skagerrak/Kattegat und EU-Gebiete der eigentlichen Ostsee) festgelegt. [143]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2009: 43,4 (Anlandungen: 32,8; Angelandete Beifänge in der Industriefischerei: 0,05; Rückwürfe: 10,5); überwiegend Grundschleppnetze
TACs 4 & 2.a (EU) / 32007: 55,0/3,4 2008: 46,0/2,9 2009: 42,0/2,6 2010: 35,8/2,2
2011:34,1/2,1 [18] [143] [167]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge von Nordsee-Schellfisch. Die Anlandemengen waren in den letzten 20 Jahren immer geringer als die TACs, in einzelnen Jahren betrugen sie nur die Hälfte der legalen Höchstanlandemenge. [143]

Struktur und Fangmethode

Schellfisch wird in der Nordsee überwiegend mit Grundschleppnetzen gefangen, zu einem kleineren Teil mit Umkreisungsnetzen. Er ist zum einen Zielart einiger Flotten, wird aber auch in gemischter Fischerei mit Kabeljau, Wittling und Kaisergranat gefangen. [143]

Beifänge und Rückwürfe

Schellfisch wird als weniger wertvoll angesehen als Kabeljau und ist schwieriger zu vermarkten. Daher kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Rückwürfen großer Mengen anlandefähigen Schellfischs, um den Platz an Bord für Kabeljau vorzuhalten. Noch 2007 wurde ebensoviel Schellfisch verworfen wie für den menschlichen Verzehr angelandet. Selbst nach dem Verbot des highgradings (Rückwurf marktfähiger Ware in Erwartung wertvollerer Fänge) in EU-Gewässern 2010 wird noch davon ausgegangen, dass bis 25% der Gesamtfänge verworfen werden. Beifänge von Schellfisch in der Industriefischerei spielen seit 2003 keine Rolle mehr. Grundschleppnetze fangen neben den Zielarten auch Arten, die nicht kommerziell genutzt werden, deren Entnahme kann einen Einfluss auf das Ökosystem haben. [143]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen kann der Meeresboden geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. [7] [8] [30]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand wird als ein „spasmodic spawner“ bezeichnet: Alle paar Jahre produziert er einen sehr starken Nachwuchsjahrgang, der dann zu einem schnellen Anstieg der Laicherbiomasse führt und die Fischerei über viele Jahre tragen kann. Zwischen diesen Ereignissen ist die Nachwuchsproduktion sehr gering. Herausragende Jahrgänge sind 1967, 1974 und 1999 aufgetreten. [143]

Zusätzliche Informationen

Die gemischte Rundfischfischerei in der Nordsee lässt sich wie die gemischte Plattfischfischerei kaum sinnvoll mit einem Ein-Arten Ansatz bewirtschaften: Die gemeinsam gefangenen Arten liefern sehr unterschiedliche Anlandeerlöse und deshalb werden die weniger wertvollen Arten in erheblichem Umfang verworfen.
Mit Rückgang des Kabeljaus ist vermehrt Nordsee-Schellfisch die Basis für das berühmte britische Gericht „Fisch und Chips“. [4] [143]

Zertifizierte Fischereien

Eine Fischerei auf Schellfisch in der Nordsee ist seit 2010 nach den Standards des Marine Stewardship Councils zertifiziert (2009: 83% der Anlandungen), eine weitere ist im Zertifizierungsverfahren. [4]

Soziale Aspekte

Schellfisch wird mit mittleren und großen Fahrzeugen aller Nordsee-Anrainer gefangen. Die meisten Anlandungen werden vom Vereinigten Königreich getätigt. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. [13] [143]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[18]Europäische Union (EU)2010Verordnung (EU) Nr. 219/2010 des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 53/2010 hinsichtlich der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und nach Abschluss der bilateralen Fischereivereinbarungen für 2010 mit Norwegen und den Färöerneuropa.eu
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[143]ICES2010Report of the Advisory Committee, 2010. Book 6. The North Sea. 6.4.3 Haddock in Subarea (North Sea) and Division IIIa West (Skagerrak)ices.dk
[144]ICES2010Report of the Working Group on the Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (WGNSSK), 5 -11 May 2010, ICES Headquarters, Copenhagen. ICES CM 2010/ACOM:13. 1058 pp. 13 Haddock in Subarea IV and Division IIIa (N)ices.dk
[167]Europäische Union (EU)2011Verordnung (EU) Nr. 57/2011 des Rates vom 18. Januar 2011 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den EU-Gewässern sowie für EU-Schiffe in bestimmten Nicht-EU-Gewässern (2011)europa.eu