Bestandsdatenblatt

Ostsee-Sprotte

Gültig 05/2015 - 05/2016

Ostsee-Sprotte

gültig 05/2015 - 05/2016

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Andere Bestände

Nordsee-Sprotte

Zugehörige Fischart

Sprotte

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Ostsee
Fanggebiet:Ostsee (22-32) FAO 27
Art:Sprattus sprattus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung vollständiger Fangdaten und zweier unabhängiger wissenschaftlicher Forschungsreisen (Hydroakustik). Nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages sind zwei Referenzwerte definiert (Btrig und Fmsy). Nach Vorsorgeansatz sind alle Referenzwerte für die Laicherbiomasse (Bpa und Blim) und für die fischereiliche Sterblichkeit (Fpa und Flim) festgelegt. [819] [826]

Wesentliche Punkte

2015: Die Laicherbiomasse von Ostsee-Sprotte liegt weiter vollständig im grünen Bereich. Die fischereiliche Sterblichkeit ist jedoch zu hoch: Sie liegt über dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy) und ist nun auch über dem Limitwert des Vorsorgeansatzes (Flim) gestiegen. Der MSY-Referenzwert für die fischereiliche Sterblichkeit wurde im Zuge der Erarbeitung von Korridoren für den Mehrjahres-Bewirtschaftungsplan für die Ostsee geringfügig gesenkt (von 0,29 auf 0,26). Der 2014er-Jahrgang erscheint sehr stark. [819] [826]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nicht nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  übernutzt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Größe des Sprottbestandes in der Ostsee hängt vor allem von den Umweltbedingungen und über Räuber-Beute Beziehungen von der Größe des Dorschbestandes ab. Aufgrund der abnehmenden Dorschbiomasse und günstigen Bedingungen für die Nachwuchsproduktion für Sprotte wuchs der Bestand seit Ende der 1980er Jahre stark an und erreichte 1996 ein historisches Hoch. In den folgenden Jahren sank die Bestandsgröße und schwankte ab 2002 um 1 Mio. Tonnen. Seit 2010 nimmt sie langsam aber fast kontinuierlich ab, liegt aber noch immer deutlich über dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrig). Die fischereiliche Sterblichkeit (F) nahm in den 1990ern mit den steigenden Fangmengen zu, konnte bis 2012 gesenkt werden, liegt aber aktuell wieder über dem MSY-Referenzwert (Fmsy). Die Nachwuchsproduktion schwankt stark mit den klimatischen Bedingungen. Nach mehreren schwachen Jahrgängen von 2009-2013 erscheint der 2014er Jahrgang sehr stark. [93] [819] [826]

Ausblick

Die fischereiliche Sterblichkeit ist im letzten Jahr deutlich gestiegen und liegt nun über Flim, also im roten Bereich. Nach MSY werden die Fangmengen also wenigstens vorübergehend (für 2016) reduziert werden müssen. Da der 2014er Jahrgang nach derzeitigen Kenntnissen sehr stark ist, werden Biomasse und Fangmengen danach voraussichtlich wieder steigen können. [819] [826]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Sprotte lebt in der Ostsee an ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze, und klimatische Faktoren können sich vor allem auf den Reproduktionserfolg auswirken. Dieser wird von hohen Wassertemperaturen und milden Wintern gefördert. Bei höheren Temperaturen ist die Sterblichkeit der Eier geringer, und die Häufigkeit bevorzugter Nahrungsorganismen nimmt zu. Die Biomasse der Sprotten hängt außerdem auch von der Räuber-Beute Beziehung zum Dorsch ab („Dorsch-Sprott-Schaukel“, siehe auch unter „Biologische Besonderheiten“). [93] [142] [463] [819] [826]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung von Sprotte in der Ostsee erfolgt über Quoten und Maschenweitenregulierung. Seit Auflösung der „International Baltic Sea Fishery Commission“ (IBSFC) und Aufgabe des IBSFC-Managementplanes 2006 legen die Europäische Union und Russland autonome Quoten fest. Gemischte Fänge von Hering und Sprotte dürfen in der EU nur in Häfen angelandet werden, in denen ein Stichprobenkontrollprogramm zur Überwachung der angelandeten Arten durchgeführt wird. Seit 2010 war auch in der Ostsee das „Highgrading“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) verboten. Seit Januar 2015 gilt ein generelles Rückwurfverbot für Sprotten in EU-Gewässern. Ein neuer Managementplan für alle pelagischen Bestände der Ostsee und Dorsch wird voraussichtlich im Herbst 2015 verabschiedet. [206] [631] [750] [819] [826]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die festgesetzten Fangmengen (TACs) bzw. ab 2007 die Summe der Quoten (EU + Russland) lagen bis 2012 mit wenigen Ausnahmen immer über den wissenschaftlichen Empfehlungen des ICES. Die Differenz zwischen Empfehlungen und TACs war allerdings sehr unterschiedlich. 2013 war die Summe der Quoten etwas niedriger als die Empfehlung, seit 2014 liegt sie wieder darüber. Die TACs bzw. Quoten wurden bisher meist nicht ausgefischt, 2013 wurde die EU-Quote jedoch zu 99,9% genutzt. 2014 wurden 91% der Gesamtquoten gefischt. Die Nachfrage an Fisch für industrielle Zwecke und für die Nutztierzucht ist derzeit so hoch, dass eine weitgehende Nutzung der Quoten in Zukunft wahrscheinlich ist. Der ICES empfiehlt die Einrichtung eines regionalen Managementplanes, der die Konkurrenz zwischen Fischerei und dem Dorschbestand der östlichen Ostsee minimiert. [819] [826]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Bestand ist in der gesamten Ostsee verbreitet. Die Bewirtschaftung erfolgt seit 2007 getrennt durch die EU und Russland (Ausschließliche Wirtschaftszone EU rot, Russland gelb). [819] [826]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2014: 243,8 (davon Russland 23,4 in Gebiet 26); überwiegend pelagische Schleppnetze
Quote EU/Russland2010: 380/40 2011: 288,8/33,7 2012: 225,2/30,1 2013: 250/25.4 2014: 240/27,9 2015: 213,6/26,6 [819] [821] [826]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge aus diesem Bestand. Durch die gemischte Fischerei mit Hering kann es zu falschberichteten Fangzusammensetzungen kommen, zumal die Heringsquote meist ausgefischt wurde, die Sprottquote jedoch meist nicht. Im Jahr 2016 wird allerdings voraussichtlich die Sprottenquote limitierend sein, weil sie deutlich sinkt und die Heringsquote steigen kann. Die Anlandung gemischter Hering-Sprott-Fänge ist in der EU verboten, wenn kein System zur Feststellung der Artenzusammensetzung zur Verfügung steht (Stichprobenkontrollprogramm). Die Einführung dieser Maßnahme führte wahrscheinlich zu einer Reduzierung der falschberichteten Fänge. [206] [819] [826]

Struktur und Fangmethode

Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien auf Ostseesprotte. Hauptfanggerät sind pelagische Schleppnetze, in einigen Gebieten kommen auch Grundschleppnetze zum Einsatz. Die Sprottfischerei findet das ganze Jahr über statt, Hauptsaison ist jedoch in der ersten Jahreshälfte, sofern es die Eisbedeckung zulässt. Sprotten werden für die Fischmehlproduktion, als Nahrung für Nutztiere und in geringerem Umfang für den menschlichen Konsum angelandet. [819] [826]

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe sind in der Sprottfischerei vernachlässigbar, denn auch kleine Tiere und mindere Qualität werden in die Fischmehlproduktion gegeben. Daten zur Menge der Rückwürfe stehen nicht zur Verfügung, seit 2015 sind Rückwürfe in dieser Fischerei verboten. Je nach Saison und Gebiet kann es in der Sprottfischerei zu Heringsbeifängen kommen, gemischte Fänge dürfen aber nur unter bestimmten Bedingungen angelandet werden. Bis Ende 2014 war durch das Verbot des „Highgradings“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) für quotierte Arten ohne Mindestanlandelänge (z.B. Hering und Sprotte) der Rückwurf in EU-Gewässern faktisch verboten, sofern das Fahrzeug über Sprottquote verfügte. [206] [631] [750] [819] [826]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Die Sprotte ist gemeinsam mit Hering eine Hauptnahrungsquelle für Dorsch, Dorscheier sind wiederum Nahrung für die Sprotte. Die Sprottfischerei kann daher indirekt den Dorschbestand beeinflussen, denn ein kleinerer Sprottbestand bedeutet weniger Nahrung für Dorsche, aber auch einen geringeren Räuberdruck auf Dorscheier. Die pelagische Schleppnetzfischerei beeinflusst den Meeresboden kaum (weil sie ihn in der Regel nicht berührt). [30] [819] [826]

Biologische Besonder­heiten

Ein wichtiger Faktor mit Einfluss auf die Bestandsgröße der Sprotte ist die Größe des Dorschbestandes der östlichen Ostsee. Beide Bestände beeinflussen sich gegenseitig über ihre Räuber-Beute-Beziehung. Es entsteht die sogenannte „Dorsch-Sprott-Schaukel“, in der entweder der eine oder der andere Bestand dominiert. Als eine der wesentlichen Beutearten des erwachsenen Dorschs hat die Sprotte lange Zeit direkt vom schlechten Zustand der Dorschbestände profitiert. Hohe Wassertemperaturen und milde Winter haben die Nachwuchsproduktion der Sprotte zusätzlich gefördert. Infolgedessen ist der Sprottbestand der Ostsee in den letzten zehn Jahren stark angewachsen und konkurrierte mit den verbliebenen Dorschlarven um deren bevorzugte Nahrung. Außerdem fraßen die erwachsenen Sprotten die ohnehin nur noch spärlich vorhandenen Dorscheier und hatten aufgrund ihrer enormen Anzahl plötzlich einen zusätzlichen negativen Effekt auf den Dorschbestand. Mit dem zwischen 2007 und 2010 schnell anwachsenden Dorschbestand nahm die Sprottbiomasse zwar wieder ab, ein deutlicher Einfluss war aber nur dort festzustellen, wo beide Arten gemeinsam vorkommen (ICES-Gebiet 25 und 26). Weiter östlich und nördlich gibt es relativ wenig Dorsch und der Sprottbestand dort wird kaum beeinflusst. [93] [142] [819] [826]

Zusätzliche Informationen

Sprotten sind in der gesamten Ostsee verbreitet, hohe Konzentrationen von Jungtieren werden küstennah gefunden. Sowohl im offenen Meer als auch küstennah treten das ganze Jahr über gemischte Schwärme von Hering und Sprotte auf. [819] [826]

Zertifizierte Fischereien

Bislang ist keine Fischerei auf Sprotte in der Ostsee nach einem der gängigen Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert. Eine Fischerei befindet sich seit vielen Jahren ohne wesentlichen Fortschritt in der Bewertung für das Nachhaltigkeitszertifikat des Marine Stewardship Councils (MSC). [4]

Soziale Aspekte

Zum Einsatz kommen vor allem kleine und mittlere Fangschiffe, in einigen Ländern auch Schiffe über 40m Länge. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgen nach Landesregeln. [13] [819] [826]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[93]Möllmann C, Kornilovs G, Fetter M, Köster FW2005Climate, zooplankton, and pelagic fish growth in the central Baltic Sea ICES Journal of Marine Science 62: 1270-1280
[142]Steputtis D, Hinrichsen H-H, Böttcher U, Götze E, Mohrholz V2010An example of meso-scale hydrographic features in the central Baltic Sea and their influence on the distribution and vertical migration of sprat, Sprattus sprattus balticus (Schn.) Fisheries Oceanography, 20 (1): 82–88
[206]Europäische Union (EG)2005Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen in der Ostsee, den Belten und dem Öresund, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 88/98europa.eu
[463]Voss R, Köster FW, Dickmann M2003Comparing the feeding habits of co-occurring sprat (Sprattus sprattus) and cod (Gadus morhua) larvae in the Bornholm Basin, Baltic Sea. Fish. Res. 63: 97-111
[631]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rates über die zulässige Anlandung von Hering zu industriellen Zwecken ohne Bestimmung für den unmittelbaren menschlichen Verzehreuropa.eu
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[819]ICES2015Report of the Baltic Fisheries Assessment Working Group (WGBFAS), 14-21 April 2015, ICES HQ, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2015/ACOM:10. 13 pp.ices.dk
[821]Europäische Union (EU)2014Verordnung (EU) Nr. 1221/2014 des Rates vom 10. November 2014 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für das Jahr 2015 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 43/2014 und (EU) Nr. 1180/2013europa.eu
[826]ICES2015Report of the Advisory Committee, 2015. Book 8. Baltic Sea. 8.3.18 Sprat (Sprattus sprattus) in Subdivisions 22–32 (Baltic Sea)ices.dk