Bestandsdatenblatt

Nordost-Arktischer Schellfisch

Gültig 06/2011 - 06/2012

Nordost-Arktischer Schellfisch

gültig 06/2011 - 06/2012

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Schellfisch

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Barentsmeer (Nordost-Arktis), Norwegische See
Fanggebiet:Nordost-Arktis und Norw. See (1, 2.ab) FAO 27
Art: Melanogrammus aeglefinus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und vier unabhängigen wissenschaftlichen Surveys. Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz (Fpa, Flim, Bpa, Blim) sind definiert. Die Referenzwerte für die fischereiliche Sterblichkeit wurden 2011 überarbeitet und dabei deutlich angehoben. Die Referenzwerte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Btrig, Fmsy) sind ebenfalls festgelegt. [246]

Wesentliche Punkte

2011: Die Laicherbiomasse wächst weiter und erreicht einen historischen Höchstwert. Der Bestand liegt nach allen Bewirtschaftungskonzepten im grünen Bereich. Die Menge der nicht gemeldeten Fänge (IUU-Fischerei) liegt für 2010 wieder bei null. [246]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  über dem Grenzwert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse dieses Bestandes liegt seit 1989 über dem Vorsorgereferenzwert (Bpa). Besonders in den letzten 10 Jahren ist sie schnell gestiegen und hat nun erneut einen historischen Höchstwert erreicht. Die fischereiliche Sterblichkeit schwankt seit Mitte der 1990er um den Referenzwert des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy). Die Anlandungen erreichten 1973 ihren Höchstwert (322.000 t) und 11 Jahre später den Tiefstwert (21.000 t), seitdem steigen sie schwankend an. Die Jahrgänge 2004-2006 waren besonders stark, 2008 und 2010 hingegen liegen möglicherweise unter dem Durchschnitt (in der Grafik nicht abgebildet). [246]

Ausblick

Bei weiterer Befolgung des Managementplans mit einer fischereilichen Sterblichkeit von 0,35 kann die Fangmenge weiter moderat steigen. Mittelfristig dürfte die Biomasse jedoch wieder abnehmen. [246]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Die variable Nachwuchsproduktion von Schellfisch in der Nordost-Arktis kann auf Veränderungen im Einstrom von Atlantikwasser in die Barentssee zurückgeführt werden. Die Wassertemperatur im ersten und zweiten Lebensjahr ist ein wichtiger Faktor, der die Jahrgangsstärke beeinflusst. Zu kaltes Wasser in der Bodenschicht verringert die Wahrscheinlichkeit starker Jahrgänge. [246] [255]

Wer und Wie

Das Management erfolgt gemeinsam von Norwegen und die Russische Föderation durch die "Joint Norwegian-Russian Fisheries Commission“ (JNRFC). 2004 wurde ein Managementplan (Harvest Controle Rule, HCR) eingeführt, der einen Zielwert für die fischereiliche Sterblichkeit vorgibt und Veränderungen der zulässigen Höchstfangmenge auf jährlich ±25% begrenzt. Der Managementplan basiert auf dem Referenzwert zum Vorsorgeansatz (Fpa), der 2011 deutlich angehoben wurde. Der ICES empfiehlt aber weiterhin die Nutzung des niedrigeren Referenzwertes für die Bewirtschaftung des Bestandes, der sich auch mit dem Referenzwert nach MSY deckt. 2010 wurde entschieden, dass dieser Managementplan bis 2015 verwendet wird. Er wurde vom ICES als in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz bewertet, eine Bewertung nach dem Konzept zur Erlangung des höchsten nachhaltigen Dauerertrages ist bisher nicht erfolgt. Der Plan ist Basis für Fangempfehlung und Festsetzung der Höchstfangmengen (TACs). Neben den TACs wird diese Fischerei durch Mindestfanggrößen, Festlegung minimaler Maschenweiten, Sortiereinrichtungen, maximal zulässige Menge von juvenilen Fischen als Beifang, Echtzeitschließungen, Gebietsbeschränkungen und saisonale Schließungen reguliert. Seit Januar 2011 sind die technischen Regularien von Norwegen und Russland aufeinander abgestimmt. Eine Fischereikontrolle erfolgt durch Inspektionen auf See und generell bei allen Anlandungen, sowie durch Logbücher und tägliche Meldungen an die zuständigen Behörden. [246] [81] [148] [255]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Bis einschließlich 2008 wurde die Höchstfangmenge (TAC) meist über den Empfehlungen des ICES festgelegt. Seit 2009 entspricht der TAC den wissenschaftlichen Empfehlungen und wurde für 2011 entsprechend Managementplan und ICES Empfehlungen um 25% erhöht. [246] [148]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Verbreitungs- und Managementgebiete decken sich, allerdings gibt es nationale Regelungen der Küstenstaaten und Sonderregelungen in internationalen Gewässern. [246]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2010: Anlandungen 249,3; davon Schleppnetze 74%, Langleinen 18%, andere 8%
TACs2007: 150 2008: 155 2009: 194 2010: 243 2011: 303 [82] [246] [148]

IUU-Fischerei

Die nicht gemeldeten Fänge betrugen zwischen 2002 und 2008 4 bis 34% der Anlandungen, wurden in den letzten Jahren allerdings weniger und gehen für 2009 und 2010 gegen null. Diese Fänge werden seit 2007 in der Bestandsberechnung berücksichtigt [246] [255]

Struktur und Fangmethode

Schellfisch wird in der Nordost-Arktis ganzjährig vor allem mit Schleppnetzen, seltener mit Langleinen gefangen. Langleinen werden fast ausschließlich von norwegischen Fahrzeugen eingesetzt. Bei hohen Bestandsdichten ist Schellfisch Ziel einer gerichteten Fischerei, in anderen Jahren tritt er vor allem Beifang in der Kabeljaufischerei auf. In den letzen Jahren haben Norwegen und Russland mehr als 90% der Anlandungen getätigt, aber auch EU-Fahrzeuge haben Fangrechte. [39] [81] [246] [255]

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe von Kabeljau, Schellfisch und Seelachs sind sowohl in Norwegen als auch in Russland illegal. Sie kommen aber zu bestimmten Zeiten zum Teil in erheblichem Maße vor, vor allem bei Fischen, die knapp unter der Mindestfangröße liegen. Es gibt Hinweise, dass derzeitige Fangkontrollen und Meldesysteme nicht effektiv genug sind, um Rückwürfe zu verhindern. [246] [255]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen kann der Meeresboden geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Einen negativen Effekt hat dieses Gerät auf die Fauna des Hartbodens, hier hat als Folge des Einsatzes von Grundschleppnetzen die Abundanz von z.B. Schwämmen und Kaltwasser-Korallen abgenommen. Verlorengegangene Geräte wie Kiemennetze können für eine gewisse Zeit weiterfischen (ghost fishing). Der Einfluss des „ghost fishing“ ist jedoch noch nicht quantifiziert worden. [30] [83] [7] [8] [149]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand ist in der Barentssee und den angrenzenden Gebieten überwiegend bei einer Wassertemperatur von über 2°C verbreitet. Reife Schellfische wandern Anfang des Jahres an die norwegische Westküste, wo sie von März bis Mai laichen, und ziehen danach zu den Sommerfraßgebieten in der Barentssee. Die Verbreitung variiert in Abhängigkeit von Wassertemperatur und Nahrungsangebot.
Schellfisch kann sehr unterschiedliches Futter nutzen und zwischen Fisch, Plankton und bodenlebenden Tieren variieren. Wenn verfügbar, ist er ein großer Räuber auf Lodde und deren Brut, kann aber auch auf andere Fischarten, Krill und Bodentiere wechseln. Ist der Loddenbestand groß, ist Schellfisch wiederum seltener Beute von Meeressäugern. [246] [255]

Zusätzliche Informationen

Schellfisch wird in Norwegen gerne in der Sportfischerei geangelt. Er ist Grundlage vieler landestypischer Rezepte, wie zum Beispiel dem Fischpudding und Fischbällchen. [39]

Zertifizierte Fischereien

Zwei Fischereien auf Nordost-Arktischen Schellfisch sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils zertifiziert, die zuvor einzeln zertifizierten „Domstein Longliner Partners“ gehören nun zu „Norway North East Arctic offshore haddock“ (Norwegische Flotte). Vier weitere Fischereien sind im Zertifizierungsverfahren. Insgesamt fangen diese Fischereien den größten Teil des TACs [4]

Soziale Aspekte

Die Fahrzeuge in der Norwegensee und in der Barentssee fahren unter norwegischer, russischer oder EU-Flaggen, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach den (sehr unterschiedlichen) Regeln dieser Staaten. [13] [39]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[81]Ministerium für Handel, Industrie und Fischerei, NorwegenOnline Portal des Nærings- og fiskeridepartementet (Ministerium für Handel, Industrie und Fischerei), Norwegenregjeringen.no
[82]Ministry of Fisheries and Coastal Affairs, Norwegen2010Agreement on Norwegian-Russian fisheries for 2010. Pressemitteilung No.: 97/2009Ministry of Fish
[83]Fossa JH, Mortensen PB, Furevik DM2002The deep-water coral Lophelia pertusa in Norwegian waters: distribution and fishery impacts Hydrobiologia 471:1-12
[148]Ministry of Fisheries and Coastal Affairs, Norwegen2010Agreement on Norwegian-Russian fisheries for 2011. Pressemitteilung No.: 63/2010Ministry of Fish
[149]MAREANO: The Sea in Maps and PicturesMareano Homepage: Vulnerable biotope mapsmareano.no
[246]ICES2011Report of the Advisory Committee, 2011. Book 3. The Barents Sea and the Norwegian Sea. 3.4.3 Haddock in Subareas I and II (Northeast Arctic)ices.dk
[255]ICES2011Report of the Arctic Fisheries Working Group (AFWG), 28 April - 4 May 2011, Hamburg, Germany. ICES CM 2011/ACOM:05. 659 pp.. 4 Northeast Arctic Haddock (Subareas I and II)ices.dk