Bestandsdatenblatt

Nördlicher (europäischer) Seehecht

Gültig 06/2017 - 06/2018

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Keltischer und Biskaya-Schelf
Fanggebiet:westliche Ostsee (22-24), nördliche Biskaya (8.abd), nördliche Gebiete (3.a, 4, 5, 6, 7), ozeanischer Nordostatlantik (10, 12, 14) FAO 27
Art:Merluccius merluccius

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und vier unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Die Referenzpunkte nach Vorsorgeansatz (Bpa, Blim, Fpa, Flim) und dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy, Btrig) sind definiert. Ein großer Teil der Rückwürfe geht in die Berechnung ein. Die Unsicherheiten dieser Bestandsberechnung sind relativ hoch, da einige Eingangsdaten fehlen – insbesondere belastbare Fangdaten einzelner der sehr vielen an der Fischerei teilnehmenden Nationen. [1009] [1010]

Wesentliche Punkte

2017: Der Bestand liegt weiterhin vollständig im grünen Bereich. Die Laicherbiomasse ist nach Erreichen des Höchstwertes im letzten Jahr etwas gesunken. Die fischereiliche Sterblichkeit bleibt dicht unter dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). [1009] [1010]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse des nördlichen europäischen Seehechts nahm seit Beginn der Zeitreihe langsam aber fast kontinuierlich ab, bis Ende der 1990er Jahre das historische Minimum erreicht wurde. Gleichzeitig stieg die fischereiliche Sterblichkeit stark an. Ab 1998 erholte sich der Bestand zunächst langsam, seit 2006 schnell, erreichte 2016 den höchsten Wert der Zeitreihe und hat nun etwas abgenommen. Die fischereiliche Sterblichkeit konnte nach 2005 erheblich gesenkt werden und liegt seit 2012 unter dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy). Die Nachwuchsproduktion schwankt seit 2009 um den Mittelwert und liegt 2016 möglicherweise darüber. [1009] [1010]

Ausblick

Der Bestand wird nach dem Konzept des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet. Trotz der hohen Laicherbiomasse muss vorsichtig agiert werden, da es Unsicherheiten in der Häufigkeit großer Fische gibt. Der Bestand reagiert schnell und empfindlich auf eine veränderte Nachwuchsproduktion, die Fangmengen sollten daher zunächst nicht weiter steigen. [1009] [1010]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Ökologische Faktoren und Umwelteinflüsse auf diesen Seehechtbestand werden zurzeit weder in der Begutachtung noch für die Bewirtschaftung berücksichtigt. Es wurden jedoch Veränderungen in der erfolgreichen Nachwuchsproduktion von Seehecht zeitgleich mit Veränderungen von verschiedenen globalen, regionalen und lokalen Parametern beobachtet. So profitieren z.B. frühe Lebensstadien wahrscheinlich von etwas wärmeren Temperaturen. [1009] [1010]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt vor allem durch die Europäische Union. Seit 2004 gibt es einen Erholungs- bzw. Managementplan, der aber wegen der inzwischen völlig veränderten Wahrnehmung des Bestandes nicht mehr verwendet werden kann, weil die darin definierten Zielwerte nicht mehr gültig sind. Er wird daher vom ICES nicht als Basis für die Fangempfehlung genutzt. Die Bewirtschaftung erfolgt über gebietsbezogene Höchstfangmengen (TACs) im Rahmen eines Gesamt-TACs für diesen Bestand. Außerdem gibt es Mindestreferenzgrößen für die Bestandserhaltung und technische Regularien, wie z.B. bestimmte Maschenweiten in unterschiedlichen Gebieten und Fischereien. Fänge aus diesem Bestand in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Norwegens sind über eine eigene Quote reguliert. Ein Teil der Fänge aus diesem Bestand fällt seit Januar 2016 unter das Anlandegebot der EU. [359] [686] [750] [981] [998] [1009] [1010]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Vor 2006, insbesondere vor Einführung des Erholungsplanes, wurden die Höchstfangmengen (TACs) teilweise erheblich höher als die Anlandeempfehlungen festgesetzt. 2006 bis 2010 und 2014 hat sich das Management dicht an die wissenschaftliche Empfehlung gehalten, sie 2011 bis 2013 sowie 2015 jedoch wieder überschritten. Die TACs für 2016 und 2017 liegen leicht unter der nun Fangempfehlung. Die Anlandungen lagen seit 2009 teilweise erheblich über den TACs. Die Anlandungen 2016 lagen leicht unter dem TAC, die Fänge aber darüber. [1009] [1010]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Seehecht wird im Nordostatlantik als zwei getrennte Bestände bewirtschaftet: einen nördlichen und einen südlichen. Der hier behandelte nördliche Bestand ist geografisch weit verbreitet (ICES Gebiete 3.a, 4, 6, 7 und 8.abd). Die Bewirtschaftung erfolgt über gebietsbezogene Höchstfangmengen (TACs) im Rahmen eines Gesamt-TAC, der auch die EU-Gewässer von 2.a und 5.b und internationale Gewässer von 5.b, 12 und 14 beinhaltet, nicht aber die Gewässer der Färöer-Inseln. [981] [1009] [1010]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2016: Gesamtfang: 118,6 (Anlandungen: 107,5, Rückwürfe 11,1); von den Anlandungen Langleinen 39%, Schleppnetze 33%, Kiemennetze 24%, andere 4%
TACs2008: 54,0 2009: 51,5 2010: 55,1 2011: 55,1
2012: 55,1 2013: 55,1 2014: 81,8 2015: 90,8
2016: 108,8 2017: 119,8 [981] [1009] [1010]

IUU-Fischerei

In den letzten Jahren konnten die Höchstfangmengen (TACs) die Fischerei nicht effektiv regulieren. Die Anlandungen lagen teilweise erheblich über der erlaubten Fangmenge, 2016 war diese Überschreitung aber viel geringer. 1961-1970 waren die Unsicherheiten in der Fischereistatistik sehr hoch und es gab erhebliche Mengen nicht zugeordneter Anlandungen. 2011, 2012 und 2013 sind diese „unallocated landings“ aufgrund von Unterschieden zwischen offiziellen Statistiken und den deutlich höheren wissenschaftlichen Abschätzungen der Entnahme erneut gestiegen. 2014 und 2015 waren die Unterschiede deutlich geringer, und 2016 sind diese Anlandungen den einzelnen Gebieten zugeordnet worden und tauchen daher nicht mehr gesondert auf. [1009] [1010]

Struktur und Fangmethode

Seehecht wird meist in einer gemischten Fischerei mit Seeteufel, Flügelbutt und/oder Kaisergranat gefangen. Zum Einsatz kommen verschiedene Fanggeräte, die in unterschiedlichen Fischerei-Einheiten zusammengefasst sind. Die meisten Anlandungen kommen zurzeit aus ICES-Gebiet 7. Hauptfangnation ist Spanien. [13] [1009] [1010]

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe von quotierten Arten sind in Norwegen verboten. In der Biskaya (ICES-Gebiete 8.abd) unterliegen alle Fänge von Seehecht seit Januar 2016 der Anlandeverpflichtung, in den keltischen Meeren (6 und 7) gilt die Verpflichtung für einen Großteil der Flotten, in der Nordsee (4 und 3.a) nur für die Fischerei mit Haken und Leinen. Durch Fraß beschädigter Fisch ist vom Anlandegebot aber ausgenommen. Für die übrigen Flotten gilt bis spätestens Ende 2018 nur ein Verbot des „highgradings“ (Rückwurf legal anlandbarer Fische). In einigen Gebieten und Flotten ist der Rückwurf von jungen Seehechten sehr hoch. Auch der Rückwurf von größeren Tieren ist in den letzten Jahren gestiegen, da in einigen Flotten die Quoten restriktiver wurden. Die bekannten Rückwürfe stiegen nach 2008 in allen Flotten signifikant an (2013 knapp 17% bezogen auf den Gesamtfang), konnten seitdem aber wieder gesenkt werden (2014 und 2015 10%, 2016 9,4% des Gesamtfanges). [631] [686] [750] [979] [998] [1009] [1010] [1011]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen (33% der Seehecht-Anlandungen) können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Der Einfluss hängt aber auch von Fangmethode und Bodenstruktur ab. Auf sandigem Boden hat eine Studie in den USA nur einen geringen Einfluss durch Grundscherbrettnetze feststellen können. So waren zwar die Spuren der Scherbretter lange sichtbar (mindestens 1 Jahr), es konnten aber kaum signifikante Unterschiede in der Mikrotopographie der befischten und unbefischten Gebiete nachgewiesen werden. Auch bei strukturformenden und mobilen Wirbellosen zeigten befischte und unbefischte Gebiete keine signifikanten Unterschiede. In Kiemennetzen können Seevögel und Meeressäuger beigefangen werden, küstennah z.B. Schweinswale. In der Langleinenfischerei kommt der Beifang von Seevögeln vor. Verlorengegangene Geräte wie Kiemennetze können für eine gewisse Zeit weiterfischen (ghost fishing). Der Einfluss des „ghost fishing“ ist noch nicht quantifiziert worden, ist in flachen Bereichen (kleiner 200 m) aber kein signifikantes Problem. [7] [8] [30] [808]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand laicht von Februar bis Juli entlang der Schelfkante von der Biskaya bis südlich und westlich von Irland. Nach einer kurzen Lebensphase im Freiwasser („pelagisch“) gehen die jungen Seehechte vorübergehend zum Bodenleben in über 200 m Tiefe über. Bereits im September wechseln sie erneut den Lebensraum, diesmal in flacheres Wasser mit schlickigem Boden in etwa 75-120 m Tiefe. [1009] [1010]

Zusätzliche Informationen

Die Trennung der zwei Seehechtbestände im Nordost-Atlantik in einen nördlichen und einen südlichen Bestand basiert nicht auf biologischen Erkenntnissen. Genetische Unterschiede konnten nicht gefunden werden. Die angenommene Trennlinie ist der Cap Breton Canyon etwa an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Der Canyon wird als geographische Schranke betrachtet, weil er möglicherweise den Austausch zwischen den Beständen verringert. Eine Vermischung der „Bestände“ ist aber wahrscheinlich. [1009] [1010]

Soziale Aspekte

Die Seehecht-Fischerei wird in verschiedenen gemischten Fischereien und daher auch mit verschiedenen Fahrzeugen aller Größen durchgeführt. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der jeweiligen Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. Hauptfangnation ist Spanien. [13] [1009] [1010]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[359]European Comission2004Verordnung (EG) Nr. 811/2004 des Rates vom 21.4.2004 zur Festlegung von Maßnahmen zur Wiederauffüllung des nördlichen Seehechtbestandseuropa.eu
[631]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rates über die zulässige Anlandung von Hering zu industriellen Zwecken ohne Bestimmung für den unmittelbaren menschlichen Verzehreuropa.eu
[686]Europäische Union (EU)2016DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/2375 DER KOMMISSION vom 12. Oktober 2016 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in den nordwestlichen Gewässerneuropa.eu
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[808]James Lindholm J, Gleason M, Kline D, Clary L, Rienecke S, Cramer A, Los Huertos M2015Ecological effects of bottom trawling on the structural attributes of fish habitat in unconsolidated sediments along the central California outer continental shelf Fishery Bulletin 113:82-96
[979]Europäische Union (EU)2015VERORDNUNG (EU) 2015/812 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Mai 2015 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 850/98, (EG) Nr. 2187/2005, (EG) Nr. 1967/2006, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 254/2002, (EG) Nr. 2347/2002 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und der Verordnungen (EU) Nr. 1379/2013 und (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anlandeverpflichtung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rateseuropa.eu
[981]Europäische Union (EU)2017VERORDNUNG (EU) 2017/127 DES RATES vom 20. Januar 2017 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2017 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässerneuropa.eu
[998]Europäische Union (EU)2016DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/2250 DER KOMMISSION vom 4. Oktober 2016 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in der Nordsee und in den Unionsgewässern der ICES-Division IIaeuropa.eu
[1009]ICES2017ICES Advice on fishing opportunities, catch, and effort, Greater Northern Sea, Celtic Seas, and Bay of Biscay and Iberian Coast ecoregions, Hake (Merluccius merluccius) in subareas 4, 6, and 7, and in divisions 3.a, 8.a–b, and 8.d, Northern stock (Greater North Sea, Celtic Seas, and the northern Bay of Biscay)ices.dk
[1010]ICES2017Report of the Benchmark Workshop on Widely Distributed Stocks (WKWIDE), 4-11 May 2017, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2017/ACOM:36. 552 pp.ices.dk
[1011]Europäische Union (EU)2016DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/2374 DER KOMMISSION vom 12. Oktober 2016 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in den südwestlichen Gewässerneuropa.eu