Bestandsdatenblatt

Nordsee-Steinbutt

gültig 06/2022 - 06/2023

Nordsee-Steinbutt

gültig 06/2022 - 06/2023

Andere Bestände

Ostsee-Steinbutt

Zugehörige Fischart

Steinbutt

Allgemeine Informationen

Ökoregion:Nordsee
Fanggebiet:Nordsee (4) FAO 27 (Nordostatlantik)
Art:Scophthalmus maximus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten aus der kommerziellen Fischerei und zwei unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Nach dem Vorsorgeansatz sind drei Referenzwerte definiert (Bpa, Blim, Fpa). Die Referenzwerte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) sind ebenfalls festgelegt (Fmsy, MSY-Btrigger). Die Bestandsberechnung ist aufgrund unvollständiger Eingangsdaten eher unsicher. [1357] [1361]

Wesentliche Punkte

2022: Laicherbiomasse und fischereiliche Sterblichkeit von Nordsee-Steinbutt liegen vollständig im grünen Bereich. In der aktuellen Berechnung erscheint die Nachwuchsproduktion 2019 nochmals schwächer als in den Berechnungen der letzten Jahre, bleibt aber eine der stärksten der Zeitreihe. Die Nachwuchsproduktion 2021 liegt unter dem Langzeitmittel. [1357] [1361]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

 nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)
 

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

 angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse stieg ab 2005 und liegt seit 2013 über dem Referenzwert nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY-Btrigger). Die fischereiliche Sterblichkeit hat seit Mitte der 1990er Jahre abgenommen und schwankt seit 2012 um Fmsy, derzeit liegt sie darunter. Die Nachwuchsproduktion variiert ohne deutlichen Trend und liegt 2021 unter dem Mittelwert der Zeitserie. Nach dem Höchstwert von 6.340 t in 1991 nahmen die Anlandungen ab und liegen in den letzten Jahren zwischen 2.600 und knapp 3.500 t. [1357] [1361]

Ausblick

Nordsee-Steinbutt wird nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet. Der Fischereidruck liegt aber nur knapp unter Fmsy. Aufgrund schwächerer Nachwuchsproduktion fällt die Fangempfehlung für 2023 erheblich geringer aus und liegt unter den Fängen der letzten Jahre. [1357] [1361]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Steinbutt gilt als ortsgebundener Fisch, es gibt aber auch Hinweise auf Wanderverhalten. In der Nordsee wurden Wanderungen zwischen den Laich- und Aufwuchsgebieten im Südosten in nördlichere Gebiete beobachtet. Die älteren Fische sind toleranter gegenüber niedrigen Wassertemperaturen in der nördlichen Nordsee, wo es für die Jungfische zu kalt zum Überleben ist. [1357] [1361]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung von Nordsee-Steinbutt erfolgt durch die EU gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich (UK) über eine Begrenzung der Anlandemenge (TAC). Der TAC schließt neben der Nordsee (EU- und UK-Gewässer von ICES-Gebiet 4) auch die UK-Gewässer von Gebiet 2.a ein und gilt für Steinbutt und Glattbutt gemeinsam. Die Bewirtschaftung erfolgt außerdem über technische Maßnahmen (z.B. Maschenweiten) und Aufwandsbeschränkungen. Außerdem gibt es freiwillige Mindestanlandelängen einiger Erzeugerorganisationen in einzelnen Mitgliedsstaaten (Belgien, Niederlande). Fänge aus diesem Bestand fallen vollständig unter das Anlandegebot der EU, bzw. unter die nationalen Rechtsvorschriften UKs zur Regelung von Rückwürfen (Details auch unter Beifänge & Rückwürfe). [1065] [1360] [1357] [1361]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Für 2014 wurde die erste numerische Fangempfehlung für diesen Bestand gegeben. 2015 und 2016 lagen die Fänge über dieser wissenschaftlichen Empfehlung, seit 2017 liegen sie darunter. Ein Vergleich mit der festgesetzten Höchstfangmenge (TAC) ist nicht möglich, solange ein gemeinsamer TAC für zwei verschiedene Arten (Steinbutt & Glattbutt) festgelegt wird, was biologisch sinnlos ist. Die Bewirtschaftung von zwei Arten unter einem TAC verhindert die effektive Kontrolle der jeweiligen Fangmenge und kann zur Übernutzung einer oder beider Arten führen. [1357] [1361]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Nordsee-Steinbutt ist im ICES-Gebiet 4 (Nordsee) verbreitet. Die Höchstfangmenge (TAC) wird für die EU- und UK-Gewässer der Nordsee (ICES Gebiet 4) und die UK-Gewässer von ICES-Gebiet 2.a gemeinsam mit Glattbutt festgelegt. [1065] [1357] [1360] [1361]

Anlandungen und legale Höchstfangmengen (TACs) (in 1.000 t)

Gesamtfang2021: 2,8; Anlandungen: 2,7, Rückwürfe: 0,1 (inkl. Anlandungen unter der Mindestgröße); von den Anlandungen: Baumkurren 66%, Grundscherbrettnetze 25%, andere 9%
TACs (EU- und UK-Gewässer 4 & UK-Gewässer 2a, gemeinsam mit Glattbutt) 2010: 5,26   2011: 4,64   2012: 4,64   2013: 4,64   2014: 4,64   2015: 4,64   2016: 4,49   2017: 5,92   2018: 7,10   2019: 8,12   2020: 6,5   2021: 5,8   2022: 5,5    [1065] [1357] [1360] [1361]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge von Steinbutt aus der Nordsee. [1357] [1361]

Struktur und Fangmethode

Steinbutt wird hauptsächlich als begehrter Beifang in der gemischten Fischerei auf andere Plattfische (vor allem Scholle und Seezunge) und Grundfische gefangen. Die gestiegenen Treibstoffkosten haben u.a. die Entwicklung treibstoffsparender Fangmethoden gefördert. So haben viele, vor allem niederländische Fahrzeuge in den letzten Jahren auf Baumkurren mit weniger Bodenkontakt umgerüstet, bei denen Ketten durch Scheuchelektroden (Pulsbaumkurren, „Pulse trawl“) oder gezielte, feine Wasserströme („Wingsum“, „Hydroriggs“) ersetzt sind. Obwohl die Umweltauswirkungen dieser Fangmethode aus wissenschaftlicher Sicht geringer sind als bei herkömmlichen Baumkurren, ist der Einsatz von elektrischem Strom für den kommerziellen Fischfang, also auch Pulsbaumkurren, seit 01.07.2021 nicht mehr erlaubt. Hauptfangnation von Nordsee-Steinbutt sind derzeit die Niederlande (2021: 60%). [30] [1091] [1148] [1213] [1357] [1361]

Beifänge und Rückwürfe

In EU-Gewässern der Nordsee fällt Steinbutt seit Januar 2019 vollständig unter das Anlandegebot. Aufgrund hoher Überlebensraten gilt derzeit (bis Ende 2022 jährlich neu entschieden) eine Ausnahme für Fänge mit Baumkurren (Maschenöffnung im Steert 80mm) (Details siehe EU-Verordnung, die Regelungen im Vereinigten Königreich können abweichen). Steinbutt ist selbst überwiegend Beifang, wenn auch ein sehr wertvoller. Der Rückwurf von Steinbutt in der Schleppnetz-Fischerei ist wahrscheinlich gering, von vermarktbaren Tieren insgesamt sehr unwahrscheinlich. Die Rückwürfe lagen 2013 bis 2015 zwischen 3 und 5% (bezogen auf den Gesamtfang), stiegen jedoch 2016 auf 16%, 2017 und 2018 waren es 13%, 2019 sanken die Rückwürfe wieder auf 7%, 2020 auf 6% und 2021 auf 5%. [750] [1165] [1357] [1361]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundscherbrettnetzen und Baumkurren können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Der Einfluss hängt aber auch von Fangmethode und Bodenstruktur ab. Auf sandigem Boden hat eine Studie in den USA nur einen geringen Einfluss durch Grundscherbrettnetze feststellen können. So waren zwar die Spuren der Scherbretter lange sichtbar (mindestens 1 Jahr), es konnten aber kaum signifikante Unterschiede in der Mikrotopographie der befischten und unbefischten Gebiete nachgewiesen werden. Auch bei strukturformenden und mobilen Wirbellosen zeigten befischte und unbefischte Gebiete keine signifikanten Unterschiede. Die Umweltauswirkungen von Pulsbaumkurren („Pulse trawls“) sind nach aktuellen Erkenntnissen geringer als die herkömmlicher Baumkurren. Dennoch sind sie seit 01.07.2021 verboten. Potentiell problematisch können auch Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern in Stellnetzen sein. [7] [30] [208] [637] [808] [1148] [1213] [1357] [1361]

Biologische Besonder­heiten

Steinbutt ist einer der wenigen Meeresfische, die auch Brackwasser bewohnen. Er ist außerdem einer der am schnellsten wachsenden Plattfische. Steinbutt-Weibchen wachsen signifikant schneller als Männchen, und ihre altersspezifische Länge ist größer. Dies führt zu einer höheren fischereilichen Nutzung der weiblichen Fische. [1357] [1361]

Zusätzliche Informationen

Knapp 90% der Steinbuttfänge im Nordostatlantik einschl. der Ostsee werden in der Nordsee getätigt. Steinbutt gilt neben der Seezunge als wertvollster Plattfisch. [14] [1357] [1361]

Zertifizierte Fischereien

Bislang ist keine Fischerei auf Steinbutt in der Nordsee nach einem der gängigen Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert.

Soziale Aspekte

Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. [12] [13] [1357] [1361]

Marktdaten

2022 (vorl.): Verbrauch in Deutschland: 286 t (2021: 385 t), Marktanteil (Fische, Krebse, Weichtiere): 0,03 % (2021: 0,03 %) [13] [14]

Anlandungen (in 1.000 t)Fänge (in 1.000 t)Laicherbiomasse (in 1.000 t)Laicherbiomasse ZustandFischereiliche SterblichkeitAnmerkungen (insbesondere Managementplan)Gültigkeit
Kattegat/Skagerrak (3.a) 0,1 0,2 - Biomasse nur relativ angegeben 06/2023 -
06/2024
Nordsee (4) 2,7 2,8 8,7 - 06/2022 -
06/2023
Ostsee (22-32) 0,1 - - Anlandungen 2022 05/2023 -
05/2024

Klassifizierung nach dem Ansatz des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY), durch den ICES bis 2020 oder analog zu dessen Einteilung:

SymbolBiomasseBewirtschaftung (fischereiliche Sterblichkeit)
innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertangemessen oder unternutzt
außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertübernutzt
Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende DatenZustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten
AutorJahrTitelQuelle
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[12]Europäische Gemeinschaften2009Die Gemeinsame Fischereipolitik. Ein Leitfaden für Benutzerec.europa.eu
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[208]Bellebaum, J2011Untersuchung und Bewertung des Beifangs von Seevögeln durch die passive Meeresfischerei in der Ostsee. BfN-Skripten 295 Bundesamt für Naturschutz, ISBN 978-3-89624-030-9, www.bfn.de
[637]Soetaert M, Decostere A, Polet H, Verschueren B, Chiers K2015Electrotrawling: a promising alternative fishing technique warranting further exploration Fish and Fisheries, 16.1:104–124
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[808]James Lindholm J, Gleason M, Kline D, Clary L, Rienecke S, Cramer A, Los Huertos M2015Ecological effects of bottom trawling on the structural attributes of fish habitat in unconsolidated sediments along the central California outer continental shelf Fishery Bulletin 113:82-96
[1065]Europäische Union (EU)Northern agreements, Fisheries agreements with the United Kingdom, Norway, Faroe Islands, Iceland and coastal states.europa.eu
[1091]ICES2018The Netherlands request on the comparison of the ecological and environmental effects of pulse trawls and traditional beam trawls when exploiting the North Sea sole TAC. ICES Advice: Special Requests. Report. https://doi.org/10.17895/ices.pub.4379https://doi.org/10.17895/ices.pub.4379
[1148]Europäische Union (EU)2019VERORDNUNG (EU) 2019/1241 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen und den Schutz von Meeresökosystemen, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2019/2006, (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und (EU) Nr. 1380/2013, (EU) 2016/1139, (EU) 2018/973, (EU) 2019/472 und (EU) 2019/1022 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 894/97, (EG) Nr. 850/98, (EG) Nr. 2549/2000, (EG) Nr. 254/2002, (EG) Nr. 812/2004 und (EG) Nr. 2187/2005 des Rateseuropa.eu
[1165]Europäische Union (EU)2020DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2020/2014 DER KOMMISSION vom 21. August 2020 mit Einzelheiten zur Umsetzung der Anlandeverpflichtung für bestimmte Fischereien in der Nordsee im Zeitraum 2021-2023europa.eu
[1213]ICES2020Request of the Netherlands on the ecosystem and environmental impacts of pulse trawling for the sole (Solea solea) fishery in the North Sea. In Report of the ICES Advisory Committee, 2020. ICES Advice, 2020, sr.2020.03. https://doi.org/10.17895/ices.advice.6020.https://doi.org/10.17895/ices.advice.6020
[1357]ICES2022Working Group on the Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (WGNSSK). ICES Scientific Reports. 4:43. 1321 pp. http://doi.org/10.17895/ices.pub.19786285http://doi.org/10.17895/ices.pub.19786285
[1360]Europäische Union (EU)2022VERORDNUNG (EU) 2022/515 DES RATES vom 31. März 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/109 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2022 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässerneuropa.eu
[1361]ICES2022Turbot (Scophthalmus maximus) in Subarea 4 (North Sea). In Report of the ICES Advisory Committee, 2022. ICES Advice 2022, tur.27.4. https://doi.org/10.17895/ices.advice.19453871.https://doi.org/10.17895/ices.advice.19453871