Bestandsdatenblatt

Nordsee-Schellfisch

Gültig 06/2015 - 09/2016

Nordsee-Schellfisch

gültig 06/2015 - 09/2016

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Schellfisch

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Keltischer und Biskaya-Schelf
Fanggebiet:Keltische Meere (6, 7), Nordsee (4, 3.a20) FAO 27
Art:Melanogrammus aeglefinus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und zwei unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Rückwürfe und Beifang in der Industriefischerei gehen in die Berechnungen ein. Seit 2014 wird ein einheitlicher Schellfisch-Bestand der Nordsee (ICES-Gebiet IV), im Skagerrak (Gebiet IIIaN) und westlich Schottlands (Gebiet VIa) begutachtet. Nach dem Vorsorgeansatz sind nur beide Referenzpunkte für die Laicherbiomasse festgelegt (Bpa, Blim). Außerdem sind zwei Referenzwerte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Btrig, Fmsy) definiert. [844] [849]

Wesentliche Punkte

2015: Der Bestand liegt nach allen Referenzwerten im grünen Bereich. Er wird nach dem anspruchsvollen Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet. Die fischereiliche Sterblichkeit ist aber im letzten Jahr leicht gestiegen, die Laicherbiomasse hat weiter abgenommen. [844] [849]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Fischerei auf diesen Bestand wird im Wesentlichen von gelegentlich auftretenden, sehr starken Jahrgängen getragen, die dann zu einer raschen Zunahme und insgesamt zu starken Schwankungen der Laicherbiomasse führen. Zwischen diesen Ereignissen ist die Nachwuchsproduktion sehr gering. Herausragende Jahrgänge sind z.B. 1974 und 1999 aufgetreten, diese haben über viele Jahre eine gute Fischerei ermöglicht. Die letzten Jahrgänge waren schwach, 2014 möglicherweise etwas stärker, aber noch immer unter dem Langzeitmittel. Die fischereiliche Sterblichkeit war über den größten Teil der Zeitreihe viel zu hoch, vor allem durch erhebliche Rückwürfe in der gemischten Rundfischfischerei. Sie konnte erst seit Beginn dieses Jahrtausends gesenkt werden und liegt seit 2008 unter dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy). Gleichzeitig wuchs der Bestand über den MSY-Referenzwert (Btrigger) an, hat in den letzten Jahren aber wieder abgenommen. Ursache für die Stabilisierung der Schellfisch-Biomasse und die Senkung des Fischereidruckes waren vor allem die vielfältigen Bemühungen, den überfischten Nordsee-Kabeljau wieder aufzubauen. [844] [849]

Ausblick

Aufgrund der schwachen Nachwuchsjahrgänge der letzten Jahre wird die Laicherbiomasse in naher Zukunft (2015 und 2016) weiter abnehmen. Trotzdem ist zumindest kurzfristig noch eine Erhöhung der Fangmengen möglich. Die langfristige Entwicklung hängt von der tatsächlichen Stärke des 2014er Jahrganges ab. [844] [849]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Das Wachstum von Schellfisch in der Nordsee hängt von der Wassertemperatur ab. Warmes Wasser führt zu schnellerem Wachstum in den frühen Lebensstadien, aber auch zu früherer Geschlechtsreife und zu geringeren maximalen Längen. Ursache und Auslöser für das bemerkenswerte unregelmäßige Auftreten sehr starker Jahrgänge sind nicht bekannt. [495] [496] [844]

Wer und Wie

Das Management erfolgt durch die Europäische Union und Norwegen. Für die ICES-Gebiete IV und IIIaN ist ein Managementplan in Kraft, der vom ICES als in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz bewertet wurde. Der Entwurf eines Managementplanes für Gebiet VIa wurde ebenfalls positiv bewertet. Es gibt aber bisher keinen Managementplan, der für das gesamte 2014 neu definierte Verbreitungsgebiet des Bestandes gültig ist, und somit Basis für die Fangempfehlung sein kann. Die Fangempfehlung erfolgt daher auf Basis des Konzeptes zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). Weitere Managementinstrumente sind Verordnungen zu Maschenweiten und Mindestanlandelängen (MLS), die sich in EU- und norwegischen Gewässern unterscheiden. Die seit 1998 zunehmend implementierten Schutzmaßnahmen für den Nordsee-Kabeljau haben zwar nicht zu einer Erholung dieses Bestandes geführt, hatten aber eindeutig sehr positive Auswirkungen auf den Nordsee-Schellfischbestand. [39] [844] [849]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Das Management hat von 2008 bis 2014 den Bewirtschaftungsplan, der auch die Basis für die wissenschaftliche Empfehlung bildete, befolgt. Wissenschaftliche Empfehlung und festgesetzte Höchstfangmengen (TACs) stimmten also gut überein. Die Fangempfehlung für 2015 schloss ein weiteres Managementgebiet mit ein, die Summe der TACs aller drei Managementgebiete lag weit unter der wissenschaftlichen Empfehlung. [798] [844] [849]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Dieser Schellfisch-Bestand ist von der Westküste Schottlands (ICES-Gebiet VIa) um Schottland herum bis in die Nordsee (Gebiet IV) und das Skagerrak (Gebiet IIIaN) verbreitet. Die Höchstfangmengen (TACs) werden getrennt für die Gebiete Vb und VIa (EU und internationale Gewässer), IV und den EU-Teil von IIa, und das gesamte Gebiet III (Skagerrak/Kattegat und EU-Gebiete der eigentlichen Ostsee) festgelegt. [798] [844] [849]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

GesamtfangGesamtfang 2014: 46,3; Anlandungen: 41,1; Rückwürfe: 5,1; Beifang Industriefischerei: 0,07, von den Anlandungen: Grundschleppnetze und Wadennetze über 100 mm Maschenweite 96%, Schleppnetze 70-99 mm 2%, andere 2%
TACs 4 & 2.a (EU)/3.a & 22-32/5.b & 6.a (EU & internat. Gewässer)2007: 55,0/3,4 2008: 46,0/2,9 2009: 42,1/2,6
2010: 35,8/2,2 2011: 34,1/2,1 2012: 39,2/2,4
2013: 45,0/2,8 2014: 38,3/2,4/4,0 2015: 40,7/2,5/4,5
[798] [844] [849]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge von Nordsee-Schellfisch. [844] [849]

Struktur und Fangmethode

In der Fischerei auf Schellfisch in der Nordsee (ICES-Gebiete IV & IIIaN) werden überwiegend verschiedene Grundschleppnetze und zu einem kleineren Teil Umkreisungsnetze eingesetzt. Er wird überwiegend in der gemischten Rundfischfischerei mit Kabeljau und Wittling gefangen (und kann hier auch Zielart sein), oder als Beifang in der Kaisergranatfischerei. Den größten Anteil in Gebiet IV fischt das Vereinigte Königreich, in IIIa Dänemark. In Gebiet VIa wird Schellfisch überwiegend von der schottischen und irischen Flotte mit Grundschleppnetzen in einer gemischten Fischerei gefangen. [844] [849]

Beifänge und Rückwürfe

Schellfisch wird als weniger wertvoll angesehen als Kabeljau und ist schwieriger zu vermarkten. Daher kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Rückwürfen großer Mengen anlandefähigen Schellfischs, um den Platz an Bord für Kabeljau vorzuhalten. Noch 2007 wurde ebensoviel Schellfisch verworfen wie für den menschlichen Verzehr angelandet. Die Menge der Rückwürfe hat in den letzten Jahren abgenommen, ist 2014 aber wieder gestiegen (11 % des Gesamtfanges bezogen aufs Gewicht). Die Rückwurfrate 2013 war die niedrigste in der gesamten Zeitreihe (6,5%). Ursache sind wahrscheinlich Maßnahmen zur Reduzierung der Rückwürfe in einigen Ländern, aber auch die derzeit geringe Nachwuchsproduktion, wodurch weniger kleine Tiere unbeabsichtigt beigefangen werden. Ursachen für den Anstieg der Rückwürfe 2014 sind nicht bekannt. In norwegischen Gewässern sind sämtliche Rückwürfe von quotierten Arten verboten. In EU-Gewässern der Nordsee und westlich Schottlands sowie dem Skagerrak gilt für Schellfisch ein Verbot des „highgradings“ (Rückwurf legal anlandbarer Fische), spätestens ab Januar 2019 gibt es ein vollständiges Anlandegebot. Beifänge von Schellfisch in der Industriefischerei waren bis 2003 bedeutend, spielen seither aber keine Rolle mehr. [39] [631] [844] [849]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Sie fangen neben den Zielarten auch Arten, die nicht kommerziell genutzt werden und deren Entnahme einen Einfluss auf das Ökosystem haben kann. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Der Einfluss hängt aber auch von Fangmethode und Bodenstruktur ab. Auf sandigem Boden hat eine Studie in den USA nur einen geringen Einfluss durch Grundscherbrettnetze feststellen können. So waren zwar die Spuren der Scherbretter lange sichtbar (mindestens 1 Jahr), es konnten aber kaum signifikante Unterschiede in der Mikrotopographie der befischten und unbefischten Gebiete nachgewiesen werden. Auch bei strukturformenden und mobilen Wirbellosen zeigten befischte und unbefischte Gebiete keine signifikanten Unterschiede. Entlang der norwegischen Küste sind empfindliche Kaltwasser-Korallen verbreitet, die durch Fanggeräte zerstört werden können. Die Kartierung der Riffe schreitet stetig voran, auch Fischer versuchen den Kontakt mit Riffen zu vermeiden, um ihr Gerät zu schonen. In einigen Gebieten ist zum Schutz dieser Riffe der Einsatz von Grundschleppnetzen verboten. [7] [8] [30] [149] [808] [844] [849]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand wird als ein „spasmodic spawner“ bezeichnet: Alle paar Jahre produziert er einen sehr starken Nachwuchsjahrgang, der dann zu einem schnellen Anstieg der Laicherbiomasse führt und die Fischerei über viele Jahre tragen kann. Zwischen diesen Ereignissen ist die Nachwuchsproduktion sehr gering. Der letzte herausragende Jahrgang ist 1999 aufgetreten. [844] [849]

Zusätzliche Informationen

Die gemischte Rundfischfischerei in der Nordsee lässt sich wie die gemischte Plattfischfischerei kaum sinnvoll mit einem Ein-Arten Ansatz bewirtschaften: Die gemeinsam gefangenen Arten liefern sehr unterschiedliche Anlandeerlöse, und deshalb werden die weniger wertvollen Arten in erheblichem Umfang verworfen. [4] [844] [849]

Zertifizierte Fischereien

Zwei Fischereien auf Schellfisch in der Nordsee sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils zertifiziert (ca. 65% der Anlandungen). [4]

Soziale Aspekte

Schellfisch wird mit mittleren und großen Fahrzeugen aller Nordsee-Anrainer gefangen. Die meisten Anlandungen werden vom Vereinigten Königreich getätigt (vor allem Schottland). Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. [13] [844] [849]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[149]MAREANO: The Sea in Maps and PicturesMareano Homepage: Vulnerable biotope mapsmareano.no
[495]Wright PJ, Gibb FM, Gibb I.M, Millar CP2011Reproductive investment in the North Sea haddock: temporal and spatial variation. Marine Ecology Progress Series, 432: 149–160
[496]Baudron AR, Needle CL, Marshall CT2011Implications of a warming North Sea for the growth of haddock Melanogrammus aeglefinus. Journal of Fish Biology, 78/7:1874–1889
[631]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rates über die zulässige Anlandung von Hering zu industriellen Zwecken ohne Bestimmung für den unmittelbaren menschlichen Verzehreuropa.eu
[798]Europäische Union (EU)2015Verordnung (EU) 2015/104 des Rates vom 19. Januar 2015 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Unionsschiffe in bestimmten Nicht-Unionsgewässern (2015) und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 43/2014 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 779/2014europa.eu
[808]James Lindholm J, Gleason M, Kline D, Clary L, Rienecke S, Cramer A, Los Huertos M2015Ecological effects of bottom trawling on the structural attributes of fish habitat in unconsolidated sediments along the central California outer continental shelf Fishery Bulletin 113:82-96
[844]ICES2015Report of the Working Group on the Assessment of Demersal Stocks in the North Sea and Skagerrak (WGNSSK), 28 April-7 May, ICES HQ, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2015/ACOM:13. 1031 pp.ices.dk
[849]ICES2015Report of the Advisory Committee, 2015. Book 6. Greater North Sea and Celtic Seas Ecoregions. 6.3.10 Haddock (Melanogrammus aeglefinus) in Subarea IV and Divisions VIa and IIIa West (North Sea, West of Scotland, Skagerrak)ices.dk