Bestandsdatenblatt

Nördlicher (europäischer) Seehecht

Gültig 06/2016 - 06/2017

Nördlicher (europäischer) Seehecht

gültig 06/2016 - 06/2017

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Seehecht (6 Arten)

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Keltischer und Biskaya-Schelf
Fanggebiet:westliche Ostsee (22-24), nördliche Biskaya (8.abd), nördliche Gebiete (3.a, 4, 5, 6, 7), ozeanischer Nordostatlantik (10, 12, 14) FAO 27
Art:Merluccius merluccius

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und vier unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Die Referenzpunkte nach Vorsorgeansatz (Bpa, Blim, Fpa, Flim) und dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy, Btrig) sind definiert. Ein großer Teil der Rückwürfe geht in die Berechnung ein. [931] [949]

Wesentliche Punkte

2016: Der Bestand liegt vollständig im grünen Bereich. Die Laicherbiomasse ist weiter gestiegen und erreicht den höchsten Wert der gesamten Zeitreihe. Die fischereiliche Sterblichkeit bleibt stabil und liegt unter dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). Ein Teil der Fänge aus diesem Bestand fällt seit Januar 2016 unter das Anlandegebot der EU. [927] [931] [949]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse des nördlichen europäischen Seehechts nahm seit Beginn der Zeitreihe langsam aber fast kontinuierlich ab, bis Ende der 1990er Jahre das historische Minimum erreicht wurde. Gleichzeitig stieg die fischereiliche Sterblichkeit stark an. Ab 1998 erholte sich der Bestand zunächst langsam, seit 2008 schnell, und die Biomasse erreichte 2015 den höchsten Wert der Zeitreihe. Die fischereiliche Sterblichkeit konnte zwischen 2007 und 2010 erheblich gesenkt werden und liegt seit 2011 unter dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy). Die Nachwuchsproduktion schwankt seit 2009 um den Mittelwert. [931] [949]

Ausblick

Der Bestand wird nach dem Konzept des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet. Die hohe Laicherbiomasse erlaubt eine weitere Erhöhung der erlaubten Fangmengen, solange der Fischereidruck ausreichend niedrig bleibt. [931] [949]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Ökologische Faktoren und Umwelteinflüsse auf diesen Seehechtbestand werden zurzeit weder in der Begutachtung noch für die Bewirtschaftung berücksichtigt. Es wurden jedoch Veränderungen in der erfolgreichen Nachwuchsproduktion von Seehecht zeitgleich mit Veränderungen von verschiedenen globalen, regionalen und lokalen Parametern beobachtet. So profitieren z.B. frühe Lebensstadien wahrscheinlich von etwas wärmeren Temperaturen. [931] [949]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt vor allem durch die Europäische Union. Seit 2004 gibt es einen Erholungs- bzw. Managementplan, der aber wegen der inzwischen völlig veränderten Wahrnehmung des Bestandes nicht mehr verwendet werden kann, weil die Zielwerte nicht mehr gültig sind. Er wird daher vom ICES nicht als Basis für die Fangempfehlung genutzt. Die Bewirtschaftung erfolgt über gebietsbezogene Höchstfangmengen (TACs) im Rahmen eines Gesamt-TAC für diesen Bestand. Außerdem gibt es Mindestanlandelängen und technische Regularien, wie z.B. bestimmte Maschenweiten in unterschiedlichen Gebieten und Fischereien. Fänge aus diesem Bestand in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Norwegens sind über eine Quote für sogenannte „andere Arten“ reguliert. Ein Teil der Fänge aus diesem Bestand fällt seit Januar 2016 unter das Anlandegebot der EU. [359] [750] [907] [927] [928] [929] [931] [933] [949]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Vor 2006, insbesondere vor Einführung des Erholungsplanes, wurden die Höchstfangmengen (TACs) teilweise erheblich höher als die Fangempfehlungen festgesetzt. 2006 bis 2010 und 2014 hat sich das Management dicht an die wissenschaftliche Empfehlung gehalten, sie 2011 bis 2013 sowie 2015 jedoch wieder überschritten. Der TAC für 2016 liegt leicht unter der Fangempfehlung. Die Anlandungen liegen seit 2009 über den TACs. [931] [949]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Seehecht wird im Nordostatlantik als zwei getrennte Bestände bewirtschaftet: einen nördlichen und einen südlichen. Der hier behandelte nördliche Bestand ist geografisch weit verbreitet (ICES Gebiete IIIa, IV, VI, VII und VIIIabd). Die Bewirtschaftung erfolgt über gebietsbezogene Höchstfangmengen (TACs) im Rahmen eines Gesamt-TAC, der auch die EU-Gewässer von IIa und Vb und internationale Gewässer von Vb, XII und XIV beinhaltet, nicht aber die Gewässer der Färöer-Inseln. In Norwegen wird Seehecht derzeit über eine Quote für sogenannte „andere Arten“ reguliert. [907] [929] [931] [949]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2015: Gesamtfang: 105,9 (Anlandungen: 95,0, Rückwürfe 10,9); von den Anlandungen Langleinen 44%, Schleppnetze 33%, Kiemennetze 19%, andere 4%
TACs2008: 54,0 2009: 51,5 2010: 55,1 2011: 55,1 2012: 55,1 2013: 55,1 2014: 81,8 2015: 90,8 2016: 108,8 [907] [931] [949]

IUU-Fischerei

In den letzten Jahren können die Höchstfangmengen (TACs) die Fischerei nicht effektiv regulieren. Die Anlandungen lagen auch 2015 wieder über der erlaubten Fangmenge, allerdings weniger stark als in den Vorjahren. Seit 2011 gibt es nicht zugeordnete Anlandungen, die auf den Unterschieden zwischen offiziellen Statistiken und den deutlich höheren wissenschaftlichen Abschätzungen beruhen. Seit 2014 sind diese Unterschiede stark gesunken, was zu einer erheblichen Reduzierung der nicht zugeordneten Anlandungen führte. [931] [949]

Struktur und Fangmethode

Seehecht wird meist in einer gemischten Fischerei mit Seeteufel, Flügelbutt und/oder Kaisergranat gefangen. Zum Einsatz kommen verschiedene Fanggeräte, die in unterschiedlichen Fischerei-Einheiten zusammengefasst sind. Die meisten Anlandungen kommen zurzeit aus ICES-Gebiet VII. Hauptfangnation ist Spanien. [13] [931] [949]

Beifänge und Rückwürfe

In einigen Gebieten und Flotten ist der Rückwurf von jungen Seehechten sehr hoch. Auch der Rückwurf von größeren Tieren ist in den letzten Jahren gestiegen, da in einigen Flotten die Quoten restriktiver wurden. Die bekannten Rückwürfe stiegen nach 2008 in allen Flotten signifikant an (2013 knapp 17% bezogen auf den Gesamtfang), konnten aber 2014 und 2015 wieder reduziert werden (jeweils 10% des Gesamtfanges). Rückwürfe von quotierten Arten sind in Norwegen verboten. In der Biskaya (ICES-Gebiete VIIIa, b, d) unterliegen alle Fänge von Seehecht seit Januar 2016 der Anlandeverpflichtung, in den keltischen Meeren (VI und VII) gilt die Verpflichtung für einen Großteil der Flotten, in der Nordsee (IV und IIIa) nur für die Fischerei mit Haken und Leinen. Für die übrigen Flotten gilt bis spätestens Ende 2018 nur ein Verbot des „highgradings“ (Rückwurf legal anlandbarer Fische). [631] [750] [927] [928] [931] [933] [949]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen (33% der Seehecht-Anlandungen) können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Der Einfluss hängt aber auch von Fangmethode und Bodenstruktur ab. Auf sandigem Boden hat eine Studie in den USA nur einen geringen Einfluss durch Grundscherbrettnetze feststellen können. So waren zwar die Spuren der Scherbretter lange sichtbar (mindestens 1 Jahr), es konnten aber kaum signifikante Unterschiede in der Mikrotopographie der befischten und unbefischten Gebiete nachgewiesen werden. Auch bei strukturformenden und mobilen Wirbellosen zeigten befischte und unbefischte Gebiete keine signifikanten Unterschiede. In Kiemennetzen können Seevögel und Meeressäuger beigefangen werden, küstennah z.B. Schweinswale. In der Langleinenfischerei kommt der Beifang von Seevögeln vor. Verlorengegangene Geräte wie Kiemennetze können für eine gewisse Zeit weiterfischen (ghost fishing). Der Einfluss des „ghost fishing“ ist noch nicht quantifiziert worden, ist in flachen Bereichen (kleiner 200 m) aber kein signifikantes Problem. [7] [8] [30] [808]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand laicht von Februar bis Juli entlang der Schelfkante von der Biskaya bis südlich und westlich von Irland. Nach einer kurzen Lebensphase im Freiwasser („pelagisch“) gehen die jungen Seehechte vorübergehend zum Bodenleben in über 200 m Tiefe über. Bereits im September wechseln sie erneut den Lebensraum, diesmal in flacheres Wasser mit schlickigem Boden in etwa 75-120 m Tiefe. [931] [949]

Zusätzliche Informationen

Die Trennung der zwei Seehechtbestände im Nordost-Atlantik in einen nördlichen und einen südlichen Bestand basiert nicht auf biologischen Erkenntnissen. Genetische Unterschiede konnten nicht gefunden werden. Die angenommene Trennlinie ist der Cap Breton Canyon etwa an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Der Canyon wird als geographische Schranke betrachtet, weil er möglicherweise den Austausch zwischen den Beständen verringert. Eine Vermischung der „Bestände“ ist aber wahrscheinlich. [907] [931] [949]

Zertifizierte Fischereien

Drei Fischereien auf diesen Seehechtbestand sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils (MSC) zertifiziert. [4]

Soziale Aspekte

Die Seehecht-Fischerei wird in verschiedenen gemischten Fischereien und daher auch mit verschiedenen Fahrzeugen aller Größen durchgeführt. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der jeweiligen Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. Hauptfangnation ist Spanien. [13] [931] [949]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[359]European Comission2004Verordnung (EG) Nr. 811/2004 des Rates vom 21.4.2004 zur Festlegung von Maßnahmen zur Wiederauffüllung des nördlichen Seehechtbestandseuropa.eu
[631]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rates über die zulässige Anlandung von Hering zu industriellen Zwecken ohne Bestimmung für den unmittelbaren menschlichen Verzehreuropa.eu
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[808]James Lindholm J, Gleason M, Kline D, Clary L, Rienecke S, Cramer A, Los Huertos M2015Ecological effects of bottom trawling on the structural attributes of fish habitat in unconsolidated sediments along the central California outer continental shelf Fishery Bulletin 113:82-96
[907]Europäische Union (EU)2016VERORDNUNG (EU) 2016/72 DES RATES vom 22. Januar 2016 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2016 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern und zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/104europa.eu
[927]Europäische Union (EU)2015DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2015/2440 DER KOMMISSION vom 22. Oktober 2015 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in der Nordsee und in den Unionsgewässern der ICES-Division IIaeuropa.eu
[928]Europäische Union (EU)2015DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2015/2438 DER KOMMISSION vom 12. Oktober 2015 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in den nordwestlichen Gewässerneuropa.eu
[929]Anonymus2015Agreed record of fisheries consultations between Norway and the European Union for 2016, Bergen, 4 December 2015
[931]ICES2016Report of the Advisory Committee, 2016. Book 9. Widely Distributed and Migratory Stocks. 9.3.32 Hake (Merluccius merluccius) in subareas 4, 6, and 7 and divisions 3.a, 8.a–b, and 8.d, Northern stock (Greater North Sea, Celtic Seas, and the northern Bay of Biscay)ices.dk
[933]Europäische Union (EU)2015DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2015/2439 DER KOMMISSION vom 12. Oktober 2015 zur Erstellung eines Rückwurfplans für bestimmte Fischereien auf Grundfischarten in den südwestlichen Gebieteneuropa.eu
[949]ICES2016Report of the Working Group for the Bay of Biscay and the Iberian waters Ecoregion (WGBIE), 13-19 May 2016, ICES HQ, Copenhagen, Denmark. ICES CM/ACOM:12. 513 pp.ices.dk