Bestandsdatenblatt

Seehecht Nordostpazifik (Merluccius productus)

Gültig 03/2016 - 04/2017

Seehecht Nordostpazifik (Merluccius productus)

gültig 03/2016 - 04/2017

Zugehörige Fischart

Seehecht (6 Arten)

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Golf von Alaska, Kalifornienstrom
Fanggebiet:USA, Kanada FAO 67
Art:Merluccius productus

Wissenschaftliche Begutachtung

Durch eine gemeinsame Seehecht-Arbeitsgruppe der USA (Northwest Fisheries Science Center www.nefsc.noaa.gov) und Kanada (Fisheries and Oceans Canada (DFO) www.dfo-mpo.gc.ca (Centre for Scientific Advice (CSA), Pacific Region)

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Als Maß für die fischereiliche Entnahme wird die relative Fischerei-Intensität („fishing intensity“) verwendet: Der Management-Zielwert liegt bei 1, der Limit-Wert nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) ist etwas höher. Für die Weibchen-Laicherbiomasse sind ebenfalls Referenzwerte für das Management-Ziel (B40%) und nach MSY (niedriger) festgelegt. Rückwürfe in der gezielten Seehechtfischerei gehen in die Berechnungen ein. Bestandsberechnung und Vorhersage sind sehr unsicher, u.a. durch große Unsicherheiten in der Stärke einiger Jahrgänge. [895]

Wesentliche Punkte

2016: Der Bestand liegt nach allen Referenzwerten im grünen Bereich. Dank der starken 2010er und 2014er Jahrgänge liegt er nahe seiner höchsten Biomasse seit 1990. Er erreicht derzeit 79% der unbefischten Laicherbiomasse. Die Fischerei-Intensität sinkt seit 2011. [895]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die industrielle Fischerei begann in US-Gewässern Mitte der 1960er Jahre durch Fabrikschiffe aus der Sowjetunion, später kamen Fabrikschiffe z.B. aus Polen, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland hinzu. In den 1980er Jahren starteten Kooperationen von US-Trawlern mit sowjetischen Fabrikschiffen. Im Laufe der Zeit wurde die Kapazität der US-Flotte und auch die Verarbeitungsmöglichkeiten an Land ausgebaut, und seit Beginn der 1990er Jahre wird die Ressource in US-Gewässern ausschließlich durch die heimische Flotte genutzt. Die Entwicklung in kanadischen Gewässern war ähnlich, allerdings gab es dort noch bis 2011 in einigen Jahren Kooperationen mit ausländischen Fabrikschiffen.
Nach der aktuellen Bestandsberechnung war die Laicherbiomasse (Weibchen) zu Beginn der Fischerei und in den 1970er Jahren auf einem eher niedrigen Stand, stieg dann aufgrund von zwei oder mehreren starken Jahrgängen in den frühen 1980ern schnell an. Nach einem Maximum in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre war eine schnelle Abnahme bis ins Jahr 2000 zu beobachten. 2002 wurde der Bestand von den USA als überfischt erklärt. Der erneute Anstieg bis 2003 war die Folge des starken 1999er Jahrganges, schon 2004 galt der Bestand als wieder aufgebaut. Die Laicherbiomasse sank mit dem Verschwinden dieses starken Jahrgangs bis 2009 auf den niedrigsten Wert der Zeitserie, steigt aber seitdem wieder an. Als Maß für den Fischereidruck wird die relative Fischerei-Intensität angegeben. Sie ist seit 2011 gesunken. Derzeit liegt der Bestand nach allen Referenzwerten im grünen Bereich. Die farbigen Unterlegungen in der Grafik geben den großen Unsicherheitsbereich der Bestandsberechnung an. Die Nachwuchsproduktion dieses Seehechtbestandes ist äußerst variabel, was zu großen und schnellen Wechseln in der Bestandsbiomasse führt. [366] [895]

Ausblick

Der 2010er-Jahrgang erscheint in der aktuellen Berechnung sehr stark und hat 2013, 2014 und 2015 große Teile der Fischerei getragen. Der 2011er-Jahrgang hingegen ist klein, die 2012er und 2013er unterdurchschnittlich. Erst der 2014er-Jahrgang erscheint wieder überdurchschnittlich und erreicht möglicherweise die Werte des 2010ers. Die Unsicherheiten in der Vorhersage für diesen Seehecht-Bestand sind sehr groß, die Entwicklung der Fangmöglichkeiten daher schwer vorherzusagen. [895]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

In Jahren mit wärmerem Wasser wandert der Bestand im Sommer generell weiter nach Norden. Mit den zunehmenden Temperaturen der letzten Jahre wurde das Verbreitungsgebiet größer, und Laichgebiete und Verbreitung der Jungtiere verschoben sich nach Norden. Seehecht ist eine wichtige Nahrung z.B. für den Humboldt-Kalmar. Wenn dieser im Kalifornienstrom sehr häufig ist, kann er einen Einfluss auf den Seehecht-Bestand haben (Wegfraß, Beeinflussung des Schwarmverhaltens). [366] [895]

Wer und Wie

Die USA und Kanada haben 2003 ein Abkommen zur gemeinsamen Bewirtschaftung dieses Seehecht-Bestandes geschlossen. In den Gewässern der USA erfolgt das Fischereimanagement nach dem Magnuson-Stevens Fishery Conservation and Management Act. Der National Marine Fisheries Service (NMFS, NOAA) und das Pacific Fishery Management Council (PFCM) bewirtschaften die Seehechtfischerei in den USA. In Kanada erfolgt das Management durch die DFO (Fisheries and Oceans Canada, Pacific Region). Die Höchstfangmengen (TACs) werden den Vorgaben des Abkommens entsprechend verteilt (USA 73,88 %, Kanada 26,12 %). Eine Übertragung nicht gefischter Anteile ins Folgejahr ist möglich. Im Grundfisch-Managementplan der Bundesstaaten Washington, Oregon und Kalifornien werden die Anteile für verschiedene Fischereien festgelegt. Alle auf See verarbeitenden Fahrzeuge (USA und Kanada) werden von Beobachtern an Bord kontrolliert, Anlandungen der kanadischen, nicht auf See verarbeiteten Schiffe werden im Hafen kameraüberwacht. Das Management erfolgt außerdem über nationale technische Regularien wie Maschenweiten und Gebietsschließungen. [364] [366] [444] [895]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Trotz formloser Vereinbarungen über die Bewirtschaftung des Bestands gab es in den 1990er Jahren Unstimmigkeiten über die Verteilung der wissenschaftlich empfohlenen akzeptablen Entnahme (ABC) zwischen den USA und Kanada. Die Folge war eine Überschreitung der Empfehlung um bis zu 30%. Seit Ratifizierung des Abkommens zur gemeinsamen Bewirtschaftung wurden die festgelegten Quotenanteile der beiden Länder eingehalten und die Fangmengen entsprechend der ABC festgesetzt oder lagen in einigen Jahren weit darunter. Die jährlichen Anlandungen liegen seit 2003 streng innerhalb dieser Vorgaben und wurden auch durch die ins Folgejahr übertragenen ungefischten Anteile nicht überschritten. 2015 haben die USA 47,4 % und Kanada 31,8% ihrer Quote gefischt. Von der erlaubten Höchstfangmenge wurden damit 43,3% ausgefischt. Die erlaubten Fangmengen sind seit 2010 weder für die USA noch für Kanada restriktiv. [364] [895]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Dieser Seehechtbestand ist auf dem pazifischen Schelf Nordamerikas zwischen der Baja California und Südost-Alaska verbreitet. Das Hauptverbreitungsgebiet liegt zwischen Kalifornien und dem nördlichen British Columbia. Das Management erfolgt über eine gemeinsame Höchstfangmenge der USA und Kanada, sonst aber über die jeweiligen nationalen Regeln. [364] [366] [895]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2015: 190,7, davon USA: 154,2 Kanada: 36,5;
überwiegend pelagische Schleppnetze
TACs (USA und Kanada)2008: 364,8 2009: 184,0 2010: 262,5 2011: 393,8
2012: 251,8 2013: 365,1 2014: 428,0 2015: 440,0
2016: 497,5 [895] [899]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge aus diesem Bestand. [895]

Struktur und Fangmethode

Dieser Bestand wird überwiegend mit pelagischen Schleppnetzen entlang der Küsten von Nord-Kalifornien, Oregon, Washington und British Columbia gefischt. Die Fischerei der USA ist in verschiedene Sektoren unterteilt: Fabrikschiffe, die auf See verarbeiten; Fangschiffe, die an Fabrikschiffe liefern; Fangschiffe, die zur Verarbeitung an Land liefern, und traditionelle Stammesfischerei. Hauptfangzeit ist von April bis November. [366] [895]

Beifänge und Rückwürfe

Der gesamte Rückwurf von Seehecht liegt in den letzten Jahren bei unter 1% der Anlandungen und hat daher keinen messbaren Einfluss auf die Bestandsentwicklung. Zum Schutz von Lachsen (insbesondere Königslachs) und bedrohten Drachenkopf-Arten (Rockfish) gibt es Gebietsschließungen und saisonale Beschränkungen. Um den Beifang dieser Arten zu verringern, wurde die Fischerei in den letzten Jahren teilweise in küstenfernere Gebiete verlagert. Der Beifang von Königslachs kommt aber vor, außerdem wird z.B. pazifischer Heilbutt gelegentlich beigefangen. Weitere Schutzmaßnamen sind im Grundfisch-Managementplan der USA festgelegt. [444] [895] [898]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Die Fischerei wird überwiegend mit pelagischen Schleppnetzen durchgeführt, die selten Grundberührung haben und den Meeresboden daher kaum beeinflussen. Der Beifang von Seevögeln und Meeressäugern ist selten und durch Beobachter an Bord gut dokumentiert. Die aktuellste Studie (2002-2009) ergab Beifänge von Seevögeln, Meeressäugern und Schildkröten auf weniger als 2% der Fangreisen. [448] [895] [898]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand der Art Merluccius productus wird im Gegensatz zu den relativ standorttreuen Beständen im Puget Sound, in der Strait of Georgia und im Golf von Kalifornien als der “wandernde Küstenbestand“ bezeichnet. Im Winter ist er küstenferner in etwas südlicheren Gebieten verbreitet, wo auch das Laichgeschäft stattfindet. Im Frühjahr, Sommer und Herbst wandert der Bestand in küstennahe Gebiete zwischen Nord-Kalifornien (USA) und dem Norden von British Columbia (Kanada). Zu dieser Zeit findet auch die Fischerei statt. [366] [895]

Zusätzliche Informationen

Der nordpazifische Seehecht wird im englischen Sprachraum als „Pacific hake“ oder „Pacific whiting“ bezeichnet. Er ist derzeit die häufigste Grundfischart in der Ökoregion „Kalifornienstrom“ und stellt die größte Biomasse auf dem Kontinentalschelf von British Columbia (BC). Ein Großteil der Anlandungen wird zu Surimi (Krebsfleischimitat) verarbeitet, in jüngerer Zeit werden aber vermehrt auch Seehecht-Filetblöcke produziert. [366] [367] [895]

Zertifizierte Fischereien

Die gesamte Seehechtfischerei der USA im Nordostpazifik ist nachhaltigkeitszertifiziert nach den Standards des Marine Stewardship Councils (MSC). Das Zertifikat beinhaltet außerdem kanadische Fischereien. [4]

Soziale Aspekte

Die Seehecht-Fischerei wird mit großen, auf See verarbeitenden Fabrikschiffen, aber auch mit einigen kleineren Fahrzeugen durchgeführt. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der USA, Kanadas und ggf. einiger kanadischer Kooperationspartner (keine seit 2012), die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt nach den jeweiligen Landesregeln. [895]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[364]National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA)20042023 Harvest Specifications for Pacific Whiting and 2023 Tribal Allocationfisheries.noaa.gov
[366]Ressler PH, Holmes JA, Fleischer GW, Thomas RE, Cooke KC2007Pacific Hake, Merluccius productus, Autecology: A Timely Review Marine Fisheries Review, 69:1-24
[367]Crawford WR, Irvine JR2010State of physical, biological, and selected fishery resources of Pacific Canadian marine ecosystems in 2010, Research Document 2011/054dfo-mpo
[444]Pacific Fishery Management Council, USAPacific Coast Groundfish Fishery Management Plan for the California, Oregon, and Washington Groundfish Fisherypcouncil.org
[448]Jannot J, Heery E, Bellman MA, Majewski J2011Estimated bycatch of marine mammals, seabirds, and sea turtles in the US west coast commercial groundfish fishery, 2002-2009 West Coast Groundfish Observer Program. National Marine Fisheries Service, NWFSC, 2725 Montlake Blvd E., Seattle, WA 98112
[895]Grandin CJ, Hicks AC, Berger AM, Edwards AM, Taylor N, Taylor IG, Cox S2016Status of the Pacific Hake (whiting) stock in U.S. and Canadian waters in 2016, Prepared by the Joint Technical Committee of the U.S. and Canada Pacific Hake/Whiting Agreement, National Marine Fisheries Service and Fisheries and Oceans Canada. 165 pp.afsc.noaa.gov
[898]Pedersen M, Stocker M, Trumble RJ2016First Annual Re-assessment Surveillance Report
US and Canada Pacific Hake/Whiting Mid-water Trawl Fishery.
msc.org
[899]Pacific Seafood Processors Association (PSPA)2016Homepage: 7 April 2016, Coast-Wide Whiting TAC for US and Canada Set at 497,500 tons, besucht 27. April 2016pspafish.net