Bestandsdatenblatt

Dorsch östliche Ostsee

Gültig 05/2010 - 05/2011

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Ostsee
Fanggebiet:östliche Ostsee (25-32) FAO 27
Art:Gadus morhua

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und zwei unabhängigen wissenschaftlichen Surveys, die alle Altersklassen ab Alter 1 abdecken. Illegale (IUU) Fänge sind in die Berechnung eingeschlossen. Zwei von vier Referenzwerten nach dem Vorsorgeansatz und einer nach dem maximalen Dauerertrag sind definiert (für Fischereiliche Sterblichkeit), basierend auf Modellergebnissen. Die Vorsorgeansatz-Biomasse-Referenzpunkte erscheinen überholt und werden seit 2008 nicht mehr verwendet. [96]

 

Wesentliche Punkte

2010: Vier stärkere Jahrgänge und der starke Rückgang der illegalen Fänge seit Herbst 2007 sorgen für eine schnelle Erholung des Bestandes. Managementplan ab 2008 implementiert, der Plan ist im Einklang mit dem Vorsorgeansatz. Die fischereiliche Sterblichkeit ist inzwischen geringer als der Zielreferenzwert, der Bestand wird nach dem Prinzip des höchsten Dauertrages bewirtschaftet und ist inzwischen größer als die alten Biomasse-Referenzpunkte, die ausgesetzt wurden, weil sie zu anspruchsvoll erschienen.

 

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

 

  Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  unter dem Grenzwert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Nach einem historischen Anstieg der Biomasse Ende der 1970er Jahre und Maximalfängen von fast 400.000 t nahm der Bestand ab Mitte der 1990er Jahre rasch ab. Bei hoher Fischereilicher Sterblichkeit galt der Bestand ab Mitte der 1990er Jahre als stark überfischt, vor allem durch hohe illegale Fänge. Die Rekrutierung war über fast zwei Jahrzehnte schwach, auch durch unvorteilhafte Umweltbedingungen. Obwohl sich diese nicht entscheidend verbessert haben, hat die Reduzierung des Fischereidrucks und einige etwas bessere Nachwuchsjahrgänge zu einer sehr positiven Bestandsentwicklung geführt. [96] [95]

 

Ausblick

Der Bestand wird weiter anwachsen und sich vollständig erholen, also auch wieder eine gesunde Altersstruktur aufweisen. Die Fangquoten werden daher in den nächsten Jahren kontinuierlich um 15% (entsprechend dem Managementplan) angehoben werden können.

 

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Anders als in den meisten anderen Meeresgebieten sind die marinen Fischbestände im Brackwassermeer Ostsee stark von den Umweltbedingungen abhängig. Insbesondere für die erfolgreiche Reproduktion benötigen die Meeresfische salz- und sauerstoffreiches Wasser, das aus der Nordsee in die Ostsee einströmen muss. Sauerstoffarmut in Bodennähe, z.B. durch Nährstoffeinträge in die Ostsee befördert, ist für die Dorschreproduktion besonders nachteilig. Sie beeinflusst auch die Verbreitung des Bestandes. In der Regel sind nach Einstromereignissen aus der Nordsee unmittelbar stärkere Nachwuchsjahrgänge festzustellen. Die Einstromereignisse sind in den letzten Jahrzehnten immer seltener geworden, trotzdem wächst der Bestand nun durch die sehr moderate Fischerei schnell an und dehnt sein Verbreitungsgebiet aus. [93] [94]

 

Wer und Wie

Das Management erfolgt durch die Europäische Union und zu einem sehr geringen Teil durch die Russische Föderation. Ein EU-Managementplan ist 2007 verabschiedet worden. Er sieht die jährliche Reduzierung der fischereilichen Sterblichkeit um 10% bis zum Erreichen einer Ziel-Sterblichkeit (F) von 0,3 vor, insbesondere durch die Reduzierung der Fangtage. Dieser Plan wurde vom ICES 2009 als positiv bewertet (in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz) und ist Basis für Fangempfehlung und Festsetzung der TACs, auch nachdem der Zielwert bereits im letzten Jahr unterschritten wurde. Weitere Managementinstrumente sind Verordnungen zu Maschenweiten und Selektionseinrichtungen der Netze (z.B. Bacoma), Mindestanlandelängen (MLS) sowie die Einrichtung von Laichschongebieten und -zeiten im Sommer. [92] [96]

 

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Zwischen 1995 und 2008 wurde die legale Höchstfangmenge teilweise erheblich oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlung festgesetzt. Zwischen 2002 und 2008 empfahl die Wissenschaft für vier Jahre eine Schließung der Fischerei, um den Bestand schnell und sicher wieder aufzubauen. Seit 2009 stimmen implementierte TACS und Fangempfehlung überein. [96] [91]

 

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Verbreitungs- und Managementgebiet decken sich seit 2004 (EU-AWZ rot, Russische AWZ gelb), zuvor wurde eine gemeinsame Höchstfangmenge für beide Dorschbestände festgesetzt. Westlicher und Östlicher Dorsch vermischen sich zu unbekannten Anteilen, vor allem in der Arkonasee (östlicher Teil von SD 24). [96]

 

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang51,7 Gesamtfang (45,2 offizielle Anlandungen plus 3,2 IUU-Anlandungen und 3,3 Rückwürfe); davon Schleppnetze 70%, Kiemennetze 30%, Langleinen weniger als 1%
TACs 2007: 44,3  2008: 42,3  2009: 49,4  2010: 51,3 (nur EU)

IUU-Fischerei

In der östlichen Ostsee wurden zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2007 zwischen 35 und 45% Dorsch zusätzlich zum TAC illegal entnommen. Nach Auskunft von Vertretern des polnischen Fischereiverbandes hat allein die polnische Fischerei ihre Fangquote um bis zu 100% überzogen. Seit dem Regierungswechsel in Polen im Oktober 2007 werden die Fänge besser kontrolliert, die illegale Entnahme aus dem Gesamtbestand lag 2008 und 2009 unter 10%. [95]

 

Struktur und Fangmethode

Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien. Dorsch wird mit unterschiedlichen Methoden (z.B. Stellnetze, Grundschleppnetze, Langleinen) für die menschliche Ernährung gefangen. Treibnetze und Baumkurren dürfen in der Ostsee nicht eingesetzt werden. Wegen der wenigen Zielarten ist die Fischerei in der Ostsee eher einfach strukturiert. In der östlichen Ostsee wird Dorsch vor allem mit pelagischen Schleppnetzen gefangen, da das Bodenwasser zu wenig Sauerstoff aufweist und daher vom Dorsch gemieden wird.

 

Beifänge und Rückwürfe

Unerwünschte Beifänge von Dorsch in Fischereien mit anderen Zielarten sind selten, weil es kaum gemischte Fischereien mit anderen Zielarten gibt. Allerdings können in der Schleppnetzfischerei variable Mengen von Plattfischen (vor allem Flunder) und in den Stellnetzfischereien zu bestimmten Jahreszeiten Seevögel und Meeressäuger beigefangen werden. Rückwürfe untermaßiger Dorsche lagen in den letzten Jahren bei 5-15% (höherer Wert beim Einwachsen stärkerer Nachwuchsjahrgänge in die Fischerei), einige Flotten haben 2009 freiwillig die Maschenweite erhöht und die Fänge untermaßiger Dorsche damit stark reduziert. Allerdings gibt es seit 2008 aus einigen Flotten Hinweise auf "highgrading", also das Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren. Die EU hat diese Praxis wie schon in der Nordsee seit Anfang 2010 verboten. [49] [95] [97]

 

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen kann der Meeresboden geschädigt werden. In Stellnetzfischereien treten – abhängig von Ort und Jahreszeit – teilweise erhebliche Beifänge von Seevögeln auf. Auch marine Säuger können in Teilen der Ostsee beigefangen werden. [30] [97]

 

Biologische Besonder­heiten

Ostseedorsch kann über 20 Jahre alt werden. Ab Altersklasse 3 sind ein Drittel, ab 4 über vier Fünftel der Tiere geschlechtsreif. Er lebt als marine Fischart hier am äußersten Rand seines physiologischen Verbreitungsgebietes. Der Dorsch laicht in den tiefen Becken der östlichen Ostsee im Sommer. Er ist für ein erfolgreiches Laichen auf sauerstoffreiches (2 mg/l O2) und salzhaltiges Wasser (S größer 11) angewiesen. Diese Bedingungen traten zwischen 1993 und 2008 nur noch in einem schmalen Wasserkörper im Bornholmbecken auf, die östlicheren Laichgebiete (z.B. Gotlandbecken) schienen dagegen verloren zu sein. Der große, aber nicht so produktive Bestand der östlichen Ostsee ist von den Veränderungen der Umweltbedingungen in den letzten 20 Jahren (regime shift) und den daraus und aus zu starker Befischung resultierenden Veränderungen im Räuber-Beute-Gefüge (Dorsch-Sprott-Schaukel) stark betroffen. [93] [94] [44]

 

Zusätzliche Informationen

Dorsch ist für die Ostseefischerei von herausragender Bedeutung, der Wiederaufbau der Bestände daher vorrangiges Ziel des Fischereimanagements. Erhebliche wirtschaftliche Probleme hat der starke Rückgang der Erzeugerpreise für frischen Dorsch seit 2009 (um 50-75%) verursacht. Hierfür ist offenbar das große Angebot an Kabeljau auf dem Weltmarkt verantwortlich.
Mit der Erholung des Bestandes ist die Fischerei zunehmend weniger abhängig von der Stärke der nachwachsenden Jahrgänge – bis letztes Jahr hat sie überwiegend nachwachsende Jahrgänge gefangen: 3/4 der Fänge bestanden aus 3-4 Jahre alten Fischen.
Die Bestandsberechnung weist erhebliche Unsicherheiten auf, vor allem durch die ungenauen Kenntnisse über Menge und Zusammensetzung illegaler Fänge und Discards, sowie durch Unsicherheiten bei der Altersbestimmung. [14] [95] [96]

Soziale Aspekte

Die Dorschfischerei in der östlichen Ostsee wird mit Fahrzeugen aller Größen durchgeführt. Insbesondere die kleineren Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die allermeisten Fahrzeuge fahren unter EU-Flaggen, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach EU-Regeln. [13]

 

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[44]Vallin L, Nissling A2000Maternal effects on egg size and egg buoyancy of Baltic cod, Gadus morhua. Implications for stock structure effects on recruitment Fisheries Research 49:21-37
[49]Europäische Union (EU)2009Verordnung (EG) Nr. 1288/2009 des Rates zur Festlegung technischer Übergangsmaßnahmen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2011europa.eu
[91]Europäische Union (EU)2009Verordnung (EG) Nr. 1226/2009 des Rates zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und begleitenden Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee (2010)europa.eu
[92]Europäische Union (EU)2007Verordnung (EG) Nr. 1098/2007 des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Dorschbestände der Ostsee und für die Fischereien, die diese Bestände befischen, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 779/97europa.eu
[93]Möllmann C, Kornilovs G, Fetter M, Köster FW2005Climate, zooplankton, and pelagic fish growth in the central Baltic Sea ICES Journal of Marine Science 62: 1270-1280
[94]ICES2010Report of the ICES/HELCOM Working Group on Integrated Assessments of the Baltic Sea (WGIAB), 19–23 April 2010, ICES Headquarters, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2010/SSGRSP:02. 94 pp.ices.dk
[95]ICES2010Report of the Baltic Fisheries Assessment Working Group (WGBFAS), 15-22 April 2010, ICES Headquarters, Copenhagen . 621 pp. 2.4. Cod in Subdivisions 25-32ices.dk
[96]ICES2010Report of the Advisory Committee, 2010. Book 8.The Baltic Sea. 8.4.2. Cod in Subdivision 25-32ices.dk
[97]Zydelis R, Bellebaum J, Österblom H, Vetemaa M, Schirmeister B, Stipniece A, Dagys M, van Eerden M, Garthe S2009Bycatch in gillnet fisheries – An overlooked threat to waterbird populations Biological Conservation 142:1269–1281