Bestandsdatenblatt

Dorsch östliche Ostsee

Gültig 05/2020 - 05/2021

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Ostsee
Fanggebiet:östliche Ostsee (25-32) FAO 27
Art:Gadus morhua

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Die Begutachtung erfolgt in der Regel jährlich, seit 2019 wieder durch eine analytische Bestandsberechnung unter Verwendung von Fangdaten und zwei unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Referenzwerte sind nur für die Laicherbiomasse und nur nach Vorsorgeansatz definiert (Bpa und Blim). Diese basieren nun auf der Laicherbiomasse von 2012, welche den letzten starken Jahrgang produziert hat. Da die Laicherbiomasse jedes Jahr auch rückwirkend neu berechnet wird und sich ändern kann, sind die Referenzwerte nicht fixiert, sondern werden jedes Jahr angepasst. Schätzungen der illegalen (IUU) Fänge in früheren Jahren und Rückwürfe gehen in die Berechnungen ein. [1124] [1187] [1190]

Wesentliche Punkte

2020: Die Situation des Bestandes hat sich 2020 nicht verbessert. Die Laicherbiomasse hat weiter abgenommen, liegt tief im roten Bereich (unter Blim) und wird sich selbst bei einer Null-Entnahme nicht kurzfristig erholen. Entsprechend der Vorgaben des Managementplanes lautet die Empfehlung daher erneut auf Schließung der Fischerei. Die fischereiliche Sterblichkeit konnte weiter reduziert werden, die natürliche Sterblichkeit ist aber inzwischen achtmal so hoch wie die fischereiliche, was heisst, dass die Regulierung der Fischerei nur noch einen geringen Einfluss auf die künftige Bestandsentwicklung hat. Die Ursachen sind vielfältig, haben aber wohl vor allem mit dem Sauerstoffmangel im Bornholmbecken zu tun. In den Untergebieten 24 und 25-32 ist 2020 keine gezielte Fischerei auf Dorsch erlaubt. Die EU-Quoten dürfen nur für Beifänge genutzt werden. [1124] [1187] [1190]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  unzureichende Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

    Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

Fischereiliche Sterblichkeit

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag)

Bestands­entwicklung

Nach einem starken Anstieg der Biomasse Mitte der 1970er Jahre aufgrund vorteilhafter Umweltbedingungen wurden Maximalfänge von fast 400.000 t erzielt. Ab Mitte der 1980er Jahre nahm der Bestand rasch ab. Bei hoher fischereilicher Sterblichkeit galt der Bestand schnell als stark überfischt, vor allem durch zu hoch festgesetzte legale Fangmengen und zusätzlich erhebliche illegale Fänge. Nach einem Anstieg der Laicherbiomasse 2008 bis 2010 und erneutem Anstieg 2014 bis 2015 ist eine stetige Abnahme zu beobachten. Seit 2017 liegt die Laicherbiomasse wieder unter dem Limitwert des Vorsorgeansatzes (Blim), also tief im roten Bereich. Die fischereiliche Sterblichkeit nimmt seit 2012 ab, 2019 wurde der niedrigste Wert der Zeitreihe erreicht. Offenbar ist aber die natürliche Sterblichkeit in den letzten Jahren deutlich gestiegen und ist nun acht mal höher als die fischereiliche. Die Nachwuchsproduktion war über fast zwei Jahrzehnte schwach, auch durch unvorteilhafte Umweltbedingungen. Nach einer kurzfristigen Verbesserung nimmt die Nachwuchsproduktion seit 2012 wieder ab und war 2018 die niedrigste der Zeitreihe. [1124] [1187] [1190]

Ausblick

Der Bestand liegt tief im roten Bereich und wird sich selbst bei einer Null-Entnahme nicht innerhalb weniger Jahre erholen – entsprechend der Vorschriften des Managementplanes lautet die Empfehlung daher erneut auf Schließung aller Fischereien. Auch wenn dieser Empfehlung nicht vollständig nachgekommen wird, werden die erlaubten Fangmengen für längere Zeit auf niedrigem Niveau bleiben. Die weitere Entwicklung des Bestandes hängt auch stark von den Umweltbedingungen ab (siehe auch unter Umwelteinflüsse auf den Bestand). [1187] [1190]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Anders als in den meisten anderen Meeresgebieten sind die marinen Fischbestände im Brackwassermeer Ostsee stark von den Umweltbedingungen abhängig. Insbesondere für die erfolgreiche Nachwuchsproduktion (Reproduktion) benötigen die Dorsche salz- und sauerstoffreiches Wasser, das aus der Nordsee in die Ostsee einströmen muss. Sauerstoffarmut in Bodennähe, z.B. durch natürliche oder durch den Menschen erzeugte Nährstoffeinträge in die Ostsee verursacht, ist für die Dorschreproduktion besonders nachteilig. Sie beeinflusst auch die Verbreitung und das Wachstum des Bestandes. In der Regel waren nach bedeutenden Einstromereignissen aus der Nordsee unmittelbar stärkere Nachwuchsjahrgänge festzustellen, was schnell zu einem Bestandsaufbau führte. Die Salzwassereinströme zwischen Dezember 2014 und Anfang 2016 führten zunächst zu einer guten Durchmischung der Bornholmsee, der Sauerstoff am Boden wurde dann aber überraschend schnell aufgezehrt, so dass die Verhältnisse wieder denen der Stagnationsperiode vor 2013 entsprechen. Bemerkenswert ist, dass die fischereiliche Sterblichkeit offenbar nur noch den kleineren Teil der Gesamtsterblichkeit ausmacht, die Bestandsentwicklung also vor allem von Umweltparametern getrieben wird. Die genauen Ursachen der hohen natürlichen Sterblichkeit sind nicht identifiziert, es gibt aber zahlreiche Ansätze der Erklärung, die überwiegend mit der Sauerstoffarmut im Bornholmecken zu tun, aber auch mit Nahrungsmangel und Fehlernährung (bodenlebende Wirbellose stehen wegen der Sauerstoffarmut am Boden kaum zur Verfügung, Heringen und Sprotten scheint ein wichtiger Inhaltsstoff zu fehlen) und Parasitierung (die sich vermutlich gegenseitig verstärken). [44] [93] [94] [1124] [1187] [1190]

Wer und Wie

Das Management erfolgt durch die Europäische Union und zu einem sehr geringen Teil durch die Russische Föderation. Ein neuer EU-Managementplan für Dorsch und alle pelagischen Bestände der Ostsee ist 2016 in Kraft getreten. Da für diesen Bestand aber derzeit kein Referenzwert für die fischereiliche Sterblichkeit nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy) ableitbar ist, kann der Plan nicht als Basis für die Fangempfehlung genutzt werden. Die Fangempfehlung für 2020 basiert daher weiterhin auf dem Vorsorgeansatz. Weitere Managementinstrumente sind Verordnungen zu Maschenöffnungen und Selektionseinrichtungen der Netze (z.B. Bacoma) sowie die Einrichtung von Laichschongebieten und -zeiten im Sommer. Seit Januar 2015 gilt in der Ostsee ein generelles Rückwurfverbot für Dorsche sowie eine Referenzmindestgröße für die Bestandserhaltung von 35 cm (siehe auch unter Beifänge und Rückwürfe). Maßgeblich auf Druck der Umweltverbände und gegen den ausdrücklichen wissenschaftlichen Rat hat die EU-Kommission vom 23.07.2019 bis zum 31.12.2019 eine Sofortmaßnahme zum Schutz des östlichen Dorschbestandes in den Gebieten 24-26 erlassen. Nominell galt ein Fangverbot für Dorsch, tatsächlich gab es aber etliche Ausnahmen und lediglich die gerichtete Fischerei in einer Entfernung von mehr als 6 sm von der Küste war untersagt. Beigefangene Dorsche mussten im Widerspruch zum EU-Anlandegebot verworfen werden, der Fischereidruck wurde so wahrscheinlich sogar erhöht (Details und Ausnahmen siehe EU-Durchführungsverordnung 2019/1248).
Auch 2020 ist in Untergebieten 24-26 keine gezielte Fischerei auf Dorsch erlaubt. Der TAC in Höhe von 2000 t darf in den EU-Gewässern der östlichen Ostsee nur für Beifänge genutzt werden, die aber auf die Dorschquote angerechnet werden müssen. Rückwürfe sind wieder verboten. [750] [977] [1055] [1124] [1148] [1178] [1187] [1190] [1191] [1192]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Zwischen 1995 und 2008 wurde die legale Höchstfangmenge (TAC) teilweise erheblich oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlung festgesetzt. Zwischen 2002 und 2007 empfahl die Wissenschaft für vier Jahre eine Schließung der Fischerei, um den Bestand schnell und sicher wieder aufzubauen. Der Empfehlung wurde jedoch in keinem Jahr gefolgt. Seit der Einrichtung des Managementplans 2008 stimmten Fangempfehlung und festgesetzte TACs (EU-Quote plus russische Quote) bis 2012 weitestgehend überein. 2013 und 2014 lag die Summe der Quoten geringfügig, seit 2015 jedoch erheblich über der wissenschaftlichen Empfehlung. Für 2020 lautete die wissenschaftliche Empfehlung auf eine Schließung der Fischerei, die Summe von EU-Beifangquote (2.000 t) und russischer autonomer Quote (5.500 t) liegt aber erheblich darüber.
Seit 2015 ist die Fangempfehlung bestandsspezifisch, schließt also Fänge von Ostdorschen ein, die in Gebiet 24 (westliches Managementgebiet) getätigt werden. Seit 2009 werden die Quoten nicht ausgefischt. [1124] [1187] [1190] [1191] [1192]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Dorsch der östlichen Ostsee ist über das östliche Managementgebiet (ICES Gebiete 25-32) hinaus auch in der Arkonasee (ICES-Gebiet 24) verbreitet. Hier vermischen sich West- und Ostdorsch und werden daher auch gemeinsam gefangen und auf die Dorschquoten der westlichen Ostsee angerechnet. Verbreitungs- und Managementgebiet unterscheiden sich also. [1124] [1178] [1187] [1190]

Anlandungen und legale Höchstfangmengen (TACs) (in 1.000 t)

Gesamtfang2019 (einschließlich Fänge aus dem Bestand in Gebiet 24): 11,9 (10,0 Anlandungen plus 2,0 Rückwürfe)
Kommerzielle Anlandungen in Gebiet 25-32: 8,4 (davon aktive Geräte (pelagische und Grundschleppnetze) 84%, passive Geräte (Kiemennetze) 16%)
TACs (Quote EU/Russland, nur Gebiete 25-32) 2010: 51,3/4,8   2011: 59,0/5,5   2012: 67,9/6,3   2013: 61,6/7,1    2014: 65,9/7,5   2015: 51,4/4,4   2016: 41,1/5,8   2017: 30,9/6,1    2018: 28,4/5,9   2019: 24,1/5,8   2020: 2 (nur als Beifänge)/5,5   [1124] [1178] [1187] [1190]

IUU-Fischerei

In der östlichen Ostsee wurden zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2007 zwischen 35 und 40% Dorsch zusätzlich zu den Höchstfangmengen illegal entnommen. Nach Auskunft von Vertretern des polnischen Fischereiverbandes hat allein die polnische Fischerei ihre Fangquote um bis zu 100% überzogen. Seit dem Regierungswechsel in Polen im Oktober 2007 werden die Fänge besser kontrolliert, die illegale Entnahme aus dem Gesamtbestand lag 2008 und 2009 unter 10%. Seit 2010 werden falsch- oder nicht berichtete Fänge nicht mehr als Problem angesehen, auch weil die Höchstfangmenge seitdem nie ausgefischt wurde. In den letzten Jahren gab es jedoch Hinweise auf illegale Modifikationen von Schleppnetzen, um die Selektivitätseigenschaften zu verändern, und es kam zu erheblichen Rückwürfen, die seit 2015 illegal sind. Trotz der Schließung der gerichteten Fischerei seit Mitte 2019 wird offenbar in vielen osteuropäischen Häfen unverändert viel Dorsch angelandet [1124] [1119] [1124]

Struktur und Fangmethode

Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhielten gerichtete Fischereien, bis diese ab Mitte 2019 untersagt wurden. Dorsch wird hauptsächlich mit Schleppnetzen für die menschliche Ernährung gefangen. In fast allen Fischereien der östlichen Ostsee tritt Dorsch mindestens als Beifang auf; die wichtigsten Fischereien mit den höchsten Dorschanlandungen sind gemischt, zielen also auf Dorsch und Plattfische – seit 2020 nominell nur noch auf Plattfisch. Im Hauptfanggebiet, der Bornholmsee, wurden Grundschleppnetze auch im freien Wasser geschleppt, weil sich der Dorsch zumindest bis 2011 seltener in Bodennähe aufhielt. Aufgrund der verbesserten Sauerstoffsituation ist der Dorsch ab 2013 zumindest vorübergehend zum Bodenleben zurückgekehrt und wird wieder vermehrt am Boden gefischt. Außerdem werden vor allem in Küstengewässern z.B. Stellnetze verwendet. In Gebieten mit hohem Fraßdruck durch Robben werden zunehmend auch Fischfallen genutzt. Treibnetze und Baumkurren dürfen in der Ostsee nicht eingesetzt werden. Wegen der wenigen Zielarten ist die Fischerei in der Ostsee eher einfach strukturiert. [1124] [1148] [1187] [1190]

Beifänge und Rückwürfe

Seit dem 1. Januar 2015 ist der Rückwurf von Dorsch in der Ostsee generell verboten. Tiere unter der Referenzmindestgröße für die Bestandserhaltung von 35 cm müssen angelandet und auf die Fangquoten angerechnet werden, dürfen aber nicht für den menschlichen Konsum verwendet werden. Vom Anlandegebot ausgenommen sind Dorsche aus Fischfallen und Reusen. Sie dürfen aufgrund hoher Überlebensraten zurückgesetzt werden. Auch durch Fraß beschädigter Fisch ist vom Anlandegebot ausgenommen. Basierend auf Beobachterdaten wird der Rückwurf von Dorsch für 2017 auf 11% des Gesamtfanges (Gebiete 24-32, bezogen aufs Gewicht) geschätzt, 2018 und 2019 waren es 16%. Es gibt aber in einigen Nationen Schwierigkeiten, Beobachter an Bord zu bekommen (insbesondere im zweiten Halbjahr 2019), und man geht davon aus, dass die Rückwürfe auch mit 16% noch deutlich unterschätzt werden. Im zweiten Halbjahr 2019 gab es allerdings durch die Sofortmaßnahmen der EU-Kommission zum Schutz des Dorsches der östlichen Ostsee eine Rückwurfverpflichtung für Dorsch in den Gebieten 24-26. Teile der Rückwürfe des Jahres 2019 sind daher – anders als in den Vorjahren – legal. Nur 0,7% der Anlandungen wurden 2017, 2018 und 2019 (57 t) als legal angelandete untermaßige Fänge registriert. In der Schleppnetzfischerei können unterschiedliche Mengen von Plattfischen (vor allem Flunder) beigefangen werden. Ein großer und variabler Teil des Flunderbeifangs wird zurückgeworfen. [750] [979] [1055] [1124] [1187] [1190] [1191] [1192]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. In der östlichen Ostsee wurde Dorsch in der letzten Dekade vor allem mit pelagischen Schleppnetzen (ohne Grundberührung) gefangen, da das Bodenwasser zu wenig Sauerstoff aufwies und daher vom Dorsch gemieden wurde. In den letzten Jahren haben zunächst kleinere, dann sehr starke Einstromereignisse zu einer Verbesserung der Sauerstoffgehalte am Boden der Bornholmsee geführt, der Dorsch ist daraufhin zum Bodenleben zurückgekehrt und wurde dort zumindest vorübergehend auch von der Fischerei gefangen. In Stellnetzfischereien (Kiemennetze) können – abhängig von Ort (vor allem in der südlichen Ostsee) und Jahreszeit – Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern auftreten. Für die sehr kleine Schweinswalunterpopulation östlich der Darßer Schwelle (Gebiete 24-32) könnte der Einfluss dieser Fischerei erheblich sein. [30] [97] [208]

Biologische Besonder­heiten

Ostseedorsch kann über 20 Jahre alt werden. Dieser große, aber nicht so produktive Dorsch-Bestand der östlichen Ostsee ist von den Veränderungen der Umweltbedingungen in den letzten 20 Jahren („regime shift“) stark betroffen. In der östlichen Ostsee lebt er als marine Fischart am äußersten Rand seines physiologischen Verbreitungsgebietes. Der Dorsch laicht im Sommer in den tiefen Becken der östlichen Ostsee. Er ist für ein erfolgreiches Laichen auf sauerstoffreiches (mehr als 2 mg/l O2) und salzhaltiges Wasser (S größer 11) angewiesen. Diese Bedingungen traten über viele Jahre nur noch im Mittelwasser des Bornholmbeckens (ICES Gebiet 25) auf, neuerdings auch wieder am Boden der Bornholmsee und in der Danziger Bucht. Ende 2014 war der stärkste Salzwassereinstrom seit 60 Jahren zu verzeichnen, weitere Einströme folgten im Winter 2015/16. Die Auswirkungen dieser Salzwassereinströme hielten nicht lange an, der Sauerstoff wurde schneller aufgezehrt als erwartet.
Der Räuber Dorsch und seine wesentliche Beute Sprotte befinden sich in einer starken Abhängigkeit voneinander („Dorsch-Sprott-Schaukel“). Sprott und Hering sind nach Menge die wichtigste Nahrung für die erwachsenen Dorsche. Ihre örtlich geringere Verfügbarkeit im derzeitigen Dorsch-Hauptverbreitungsgebiet könnte ab 2011 neben anderen Gründen zu starker Gewichtsabnahme bei den größeren Dorschen („Magerdorsche“, „Dreikantfeilen“) geführt haben. Nach den starken Salzwassereinströmen ab Dez. 2014 haben sich die individuellen Gewichte schnell wieder normalisiert, Nahrungsmangel oder Fehlernährung ist aber möglicherweise weiterhin ein Problem (siehe auch unter „Umwelteinflüsse auf den Bestand“). [44] [93] [94] [1124] [1187] [1190]

Zusätzliche Informationen

Im Verlauf der Covid-19-Pandemie ist der Markt für Frischfischanlandungen der Küstenfischerei über Monate fast zusammengebrochen: Ursache waren die weitreichenden Reiseverbote für Touristen und die Schließung der Gastronomie, sowie offenbar eine Abneigung des Endverbrauchers gegen leicht verderbliche Nahrungsmittel. Auch der Transport von Frischfisch auf die Märkte in Frankreich und den Niederlanden wurde eingeschränkt. Für die größeren Fahrzeuge waren dagegen Probleme mit der Versorgung mit Arbeitskräften wesentlicher. Erst ab Ende Mai 2020 normalisierte sich die Lage wieder – die Dorsch-Fangsaison war zu diesem Zeitpunkt aber schon vorbei. Der verringerte Fischereidruck dürfte zwar kurzfristig zu einer zusätzlichen Entlastung der Dorschbestände führen, im Vergleich zu den Umweltbedingungen (beim Dorsch der östlichen Ostsee) bzw. den Fangmengensenkungen durch die Politik dürften die kurzen Fangausfälle jedoch eine geringere Rolle spielen.
Bis 2015 war es technisch kaum möglich, die beiden Dorschbestände zu trennen. Es war aber lange bekannt, dass eine große, aber nicht quantifizierbare Menge Ostdorsch westlich Bornholms (Arkonasee, ICES-Gebiet 24) gefischt wurde. Ab 2015 konnte durch eine Kombination aus genetischen Methoden und Gehörstein-Umrissanalysen eine Zeitserie der Anteile von Ost- und Westdorsch in der Arkonasee angefertigt werden. Das Gebiet 24 wird nun in der Berechnung beider Bestände als Mischgebiet behandelt.
Dorsch ist für die Ostseefischerei von herausragender Bedeutung, der Wiederaufbau der Bestände daher vorrangiges Ziel des Fischereimanagements. Seit 2009 wird die erlaubte Höchstfangmenge für dieses Managementgebiet nicht ausgefischt bzw. angelandet, 2014, 2015, 2016, 2017 2018 und 2019 wurden nur 39%, 67%, 62% 69% 46% bzw. 28% der Quoten offiziell gefischt. Gründe dafür könnten eine schlechte Verfügbarkeit, der niedrige Marktpreis, verringerte Flottenkapazität aber auch vermehrter Rückwurf aufgrund der schlechten Qualität (geringes individuelles Gewicht) oder aufgrund hoher Anteile untermaßiger Fische in Folge einer illegalen Modifikation der Schleppnetze sein. Im zweiten Halbjahr 2019 war außerdem ein Großteil der kommerziellen Fischerei auf Dorsch verboten. [13] [1124] [1187] [1189] [1190] [1191] [1192]

Zertifizierte Fischereien

Die MSC-Zertifikate für Fischereien auf Dorsch in der östlichen Ostsee wurden im Dezember 2015 wegen des schlechten Bestandszustandes, der fehlenden Referenzpunkte und eines unzureichenden Managements suspendiert. Inzwischen sind sie ausgelaufen und damit nicht mehr gültig [4] [919]

Soziale Aspekte

Die Dorschfischerei in der östlichen Ostsee wird mit Fahrzeugen aller Größen durchgeführt. Insbesondere die kleineren Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die allermeisten Fahrzeuge fahren unter EU-Flaggen, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach EU-Regeln. [13] [185] [1124] [1187] [1190]

Marktdaten: Verschiedene Kabeljau-/Dorscharten auf dem deutschen Markt zusammengefasst.

2022 (vorl.): Verbrauch in Deutschland: 28.053 t (2021: 18.026 t), Marktanteil (Fische, Krebse, Weichtiere): 2,5 % (2021: 1,6 %) [13] [14]

Anlandungen (in 1.000 t)Fänge (in 1.000 t)Laicherbiomasse (in 1.000 t)Laicherbiomasse ZustandFischereiliche SterblichkeitAnmerkungen (insbesondere Managementplan)Gültigkeit
Nordostatlantik, Färöer Bank (5.b.2) - - - Anlandungen 2021: 61 t 11/2022 -
11/2024
Nordostatlantik, Färöer Plateau (5.b.1) 5,4 5,4 10,2 - 11/2022 -
11/2024
Nordostatlantik, Irische See (7.a) 0,1 0,1 5,0 - 06/2022 -
06/2023
Nordostatlantik, Island (5.a) 242,2 - 368,3 Managementplan ab 1994/2009/2015, Anl. Fischereijahr 239,9 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Kattegat (21) - - - nur Beifangquote, 2022 Anlandungen: 19 t, Fänge: 55 t, Laicherbiomasse nur relative Werte 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Kelt. See (7.e-k) 0,6 0,6 0,6 - 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Nordost-Arktis (1, 2) 719,2 - 718,8 Managementplan ab 2004 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Nordsee, westl. Schottl. (4 6.a 7.d 3.a20) 16,4 23,2 89,1 Nordwest Unterbestand Laicherbiomasse Zustand grün 09/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Norw. Küste (I, II) 39,5 - 16,8 nur Norw. Fischerei 06/2016 -
06/2017
Nordostatlantik, Ost Grönl.-Island Offshore NAFO 1 ICES 14 29,4 29,4 - keine Bestandsberechnung 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, östliche Ostsee (24-32) 1,1 1,2 76,9 - 05/2023 -
05/2024
Nordostatlantik, Rockall (6.b) - - - Anl. 2022 71 t 06/2023 -
06/2026
Nordostatlantik, westl. Ostsee (22-24) 0,4 0,4 - Anlandungen & Fänge inkl. Freizeitfischerei, für Laicherbiomasse nur rel. Angabe 09/2023 -
05/2024
Nordostpazifik, Golf von Alaska 4,7 6,2 39,9 Anlandungen/Fänge 2020, Laicherbiomasse Vorhersage 2022 12/2021 -
12/2022
Nordostpazifik, Östliche Beringsee 154,6 155,6 259,8 Anlandungen/Fänge 2020, Laicherbiomasse Vorhersage 2022 12/2021 -
12/2022
Nordwestatlantik Georges Bank (5Z) (USA) 1,9 2,0 - Anlandungen & Fänge 2016, inkl. Freizeit- und Kanadische Fischerei 10/2017 -
10/2020
Nordwestatlantik, Bay of Fundy (4X5Yb) (Kanada) 0,6 - 10,3 Anlandungen 2019/20, SSB 2018 04/2020 -
05/2022
Nordwestatlantik, Flemish Cap (NAFO 3M) 17,5 - - Anlandungen 2019 06/2020 -
06/2021
Nordwestatlantik, Grand Banks S. (NAFO 3NO) 0,6 - 18,5 Anlandungen 2017, SSB 2018, Fischerei geschlossen 06/2018 -
06/2021
Nordwestatlantik, Gulf of Maine (5Y) (USA) 0,4 0,6 3,0 Laicherbiomasse (1. Modell), Fänge & Anlandungen 2016, inkl. Freizeitfischerei 10/2017 -
10/2020
Nordwestatlantik, Gulf St. Law. N. (3Pn4Rs) (Kanada) 2,7 - 11,8 Anlandungen 2017/18, SSB 2019 (aus Begutachtung 2019) 07/2019 -
08/2022
Nordwestatlantik, Gulf St. Law. S. (4T4Vn) (Kanada) - - 13,9 Anlandungen 2017/18: 60 t, SSB 2018, Fischerei geschl., nur Beifangquote 08/2019 -
08/2022
Nordwestatlantik, NAFO (3Ps) (Kanada) 2,4 - 16,0 Anlandungen 2019/20 02/2020 -
12/2021
Nordwestatlantik, Northern cod (2J3KL) (Kanada) 10,6 - 398,0 Anlandungen 2019, SSB 2019 (aus Begutachtung 2019) 11/2021 -
08/2021
Nordwestatlantik, West Grönl. Inshore NAFO 1A-C 4,9 4,9 4,6 - 06/2023 -
06/2024
Nordwestatlantik, West Grönl. Inshore NAFO 1D-F 2,6 2,6 5,8 - 06/2023 -
06/2024
Nordwestatlantik, West Grönl. Offshore NAFO1 5,2 5,2 12,6 - 06/2023 -
06/2024

Klassifizierung nach dem Ansatz des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY), durch den ICES bis 2020 oder analog zu dessen Einteilung:

SymbolBiomasseBewirtschaftung (fischereiliche Sterblichkeit)
innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertangemessen oder unternutzt
außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertübernutzt
Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende DatenZustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten
AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[44]Vallin L, Nissling A2000Maternal effects on egg size and egg buoyancy of Baltic cod, Gadus morhua. Implications for stock structure effects on recruitment Fisheries Research 49:21-37
[93]Möllmann C, Kornilovs G, Fetter M, Köster FW2005Climate, zooplankton, and pelagic fish growth in the central Baltic Sea ICES Journal of Marine Science 62: 1270-1280
[94]ICES2010Report of the ICES/HELCOM Working Group on Integrated Assessments of the Baltic Sea (WGIAB), 19–23 April 2010, ICES Headquarters, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2010/SSGRSP:02. 94 pp.ices.dk
[97]Zydelis R, Bellebaum J, Österblom H, Vetemaa M, Schirmeister B, Stipniece A, Dagys M, van Eerden M, Garthe S2009Bycatch in gillnet fisheries – An overlooked threat to waterbird populations Biological Conservation 142:1269–1281
[185]Europäische KommissionEuropäische Kommission, Fischerei, Homepageeuropa.eu
[208]Bellebaum, J2011Untersuchung und Bewertung des Beifangs von Seevögeln durch die passive Meeresfischerei in der Ostsee. BfN-Skripten 295 Bundesamt für Naturschutz, ISBN 978-3-89624-030-9, www.bfn.de
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[919]Marine Stewardship Council (MSC)2015Pressemitteilung: MSC-Zertifikate für Fischereien auf Dorsch in der östlichen Ostsee suspendiert, 17.12.2015msc.org
[977]Europäische Union (EU)2016VERORDNUNG (EU) 2016/1139 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 6. Juli 2016 zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Bestände von Dorsch, Hering und Sprotte in der Ostsee und für die Fischereien, die diese Bestände befischen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1098/2007 des Rateseuropa.eu
[979]Europäische Union (EU)2015VERORDNUNG (EU) 2015/812 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Mai 2015 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 850/98, (EG) Nr. 2187/2005, (EG) Nr. 1967/2006, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 254/2002, (EG) Nr. 2347/2002 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und der Verordnungen (EU) Nr. 1379/2013 und (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anlandeverpflichtung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rateseuropa.eu
[1055]Europäische Union (EU)2017DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2018/306 DER KOMMISSION vom 18. Dezember 2017 zur Festlegung von Spezifikationen für die Umsetzung der Anlandeverpflichtung für Dorsch und Scholle in den Fischereien in der Ostseeeuropa.eu
[1124]ICES2019Cod (Gadus morhua) in subdivisions 24-32, eastern Baltic stock (eastern Baltic Sea). In Report of the ICES Advisory Committee, 2019, cod.27.24-32, https://doi.org/10.17895/ices.advice.4747ices.dk
[1148]Europäische Union (EU)2019VERORDNUNG (EU) 2019/1241 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen und den Schutz von Meeresökosystemen, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2019/2006, (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und (EU) Nr. 1380/2013, (EU) 2016/1139, (EU) 2018/973, (EU) 2019/472 und (EU) 2019/1022 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 894/97, (EG) Nr. 850/98, (EG) Nr. 2549/2000, (EG) Nr. 254/2002, (EG) Nr. 812/2004 und (EG) Nr. 2187/2005 des Rateseuropa.eu
[1178]Europäische Union (EU)2018Verordnung (EU) 2019/1838 Des Rates vom 30. Oktober 2019 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für 2020 und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/124 betreffend bestimmte Fangmöglichkeiten in anderen Gewässern, ST/13239/2019/INITeuropa.eu
[1187]ICES2020BALTIC FISHERIES ASSESSMENT WORKING GROUP (WGBFAS). ICES Scientific Reports. 2:45. 632 pp. http://doi.org/10.17895/ices.pub.6024http://doi.org/10.17895/ices.pub.6024
[1189]ICESHomepage: News: The impact of COVID 19 on fishing industries in ICES countries (Zugriff 09.06.2020)ices.dk
[1190]ICES2020Cod (Gadus morhua) in subdivisions 24–32, eastern Baltic stock (eastern Baltic Sea). In Report of the ICES Advisory Committee, 2020. ICES Advice 2020, cod.27.24-32.https://doi.org/10.17895/ices.advice.5943.ices.dk
[1191]Europäische Union (EU)2019Pressemitteilung 23.07.2019: Bestand in Gefahr: Sofortiges Fangverbot für Dorsch in der Ostseeeuropa.eu
[1192]Europäische Union (EU)2019DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2019/1248 DER KOMMISSION vom 22. Juli 2019 mit Maßnahmen zur Minderung einer ernsthaften Bedrohung des Dorschbestands in der östlichen Ostsee (Gadus morhua)europa.eu