Dorsch östliche Ostsee
gültig 05/2021 - 05/2022
Zum aktuellen Bestandsdatenblatt
Zugehörige Fischart
Archiv
Allgemeine Informationen
Ökoregion: | Ostsee |
Fanggebiet: | östliche Ostsee (25-32) FAO 27 |
Art: | Gadus morhua |
Wissenschaftliche Begutachtung
Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk
Methode, Frequenz
Die Begutachtung erfolgt in der Regel jährlich, seit 2019 wieder durch eine analytische Bestandsberechnung unter Verwendung von Fangdaten und zwei unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Referenzwerte sind nur für die Laicherbiomasse und nur nach Vorsorgeansatz definiert (Bpa und Blim). Diese basieren nun auf der Laicherbiomasse von 2012, die den letzten starken Jahrgang produziert hat. Da die Laicherbiomasse jedes Jahr auch rückwirkend neu berechnet wird und sich ändern kann, sind die Referenzwerte nicht fixiert, sondern werden jedes Jahr angepasst. Schätzungen der illegalen (IUU) Fänge in früheren Jahren und Rückwürfe gehen in die Berechnungen ein. [977] [1258] [1259]
Wesentliche Punkte
Die Situation des Bestandes hat sich 2021 nicht verbessert. Die Laicherbiomasse hat nochmals abgenommen, liegt tief im roten Bereich (unter Blim) und wird sich selbst bei einer Null-Entnahme nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre erholen. Entsprechend der Vorgaben des Managements lautet die Empfehlung daher erneut auf Schließung der Fischerei. Die fischereiliche Sterblichkeit ist weiter reduziert worden, die natürliche Sterblichkeit ist aber inzwischen achtmal so hoch wie die fischereiliche, was heißt, dass die Regulierung der Fischerei nur noch einen geringen Einfluss auf die künftige Bestandsentwicklung hat. Die Ursachen sind vielfältig, haben aber wohl vor allem mit dem Sauerstoffmangel im Bornholmbecken zu tun. In den Untergebieten 24 und 25-32 ist auch 2021 keine gezielte Fischerei auf Dorsch erlaubt. Die EU-Quoten dürfen nur für Beifänge genutzt werden. [977] [1258] [1259]
Bestandszustand
Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität) |
---|
unzureichende Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz) |
Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan) |
Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag) |
Fischereiliche Sterblichkeit |
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Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz) |
Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan) |
Referenzwerte nicht definiert (nach höchstem Dauerertrag) |
Bestandsentwicklung
Nach einem starken Anstieg der Biomasse in Folge vorteilhafter Umweltbedingungen Mitte der 1970er Jahre wurden Maximalfänge von fast 400.000 t erzielt. Ab Mitte der 1980er Jahre nahm der Bestand aber rasch wieder ab. Bei hoher fischereilicher Sterblichkeit galt er schnell als stark überfischt, vor allem durch zu hoch festgesetzte legale Fangmengen und zusätzlich erhebliche illegale Fänge. Nach einer Erholung des Bestandes 2008 bis 2015 ist eine stetige Abnahme der Biomasse zu beobachten. Seit 2017 liegt sie wieder unter dem Limitwert des Vorsorgeansatzes (Blim), also tief im roten Bereich. Die fischereiliche Sterblichkeit nimmt seit 2012 ab, 2020 wurde der niedrigste Wert der Zeitreihe erreicht. Offenbar ist aber die natürliche Sterblichkeit in den letzten Jahren deutlich gestiegen und ist nun achtmal höher als die fischereiliche. Die Nachwuchsproduktion war über fast zwei Jahrzehnte schwach, auch durch unvorteilhafte Umweltbedingungen. Nach einer kurzfristigen Verbesserung nimmt die Nachwuchsproduktion seit 2012 wieder ab und war 2018 die niedrigste der Zeitreihe. [1258] [1259]
Ausblick
Der Bestand liegt tief im roten Bereich und wird sich selbst bei einer Null-Entnahme nicht innerhalb weniger Jahre erholen – der ICES empfiehlt daher erneut die Schließung aller Fischereien. Managementziel ist nun nicht mehr die Erholung und nachhaltige Bewirtschaftung des Bestandes, sondern der Erhalt der derzeitigen Laicherbiomasse, damit der Bestand sich bei einer Änderung der Umweltbedingungen wieder erholen kann. Um nicht alle anderen Fischereien in der östlichen Ostsee mit gelegentlichen Dorsch-Beifängen schließen zu müssen und damit auf knapp 500.000 t Fänge verzichten zu müssen, hat die EU eine Beifangquote von knapp 600 t (2021) festgesetzt. Weitere 400 t werden voraussichtlich in Gebiet 24 beigefangen und bis zu 3.000 t in der gerichteten russischen Fischerei. Die gerichtete Fischerei ist in der EU dagegen weitgehend geschlossen und wird dies für viele Jahre bleiben. Die weitere Entwicklung des Bestandes hängt auch stark von den Umweltbedingungen ab (siehe auch unter Umwelteinflüsse auf den Bestand). [977] [1258] [1259] [1270]
Umwelteinflüsse auf den Bestand
Anders als in den meisten anderen Meeresgebieten sind die marinen Fischbestände im Brackwassermeer Ostsee stark von den Umweltbedingungen abhängig. Insbesondere für die erfolgreiche Nachwuchsproduktion (Reproduktion) benötigen die Dorsche salz- und sauerstoffreiches Wasser, das aus der Nordsee in die Ostsee einströmen muss. Sauerstoffarmut in Bodennähe, z.B. durch natürliche oder durch den Menschen erzeugte Nährstoffeinträge in die Ostsee verursacht, ist für die Dorschreproduktion besonders nachteilig. Sie beeinflusst auch die Verbreitung und das Wachstum des Bestandes. In der Regel waren nach bedeutenden Einstromereignissen aus der Nordsee unmittelbar stärkere Nachwuchsjahrgänge festzustellen, was schnell zu einem Bestandsaufbau führte. Die Salzwassereinströme zwischen Dezember 2014 und Anfang 2016 führten zunächst zu einer guten Durchmischung der Bornholmsee, der Sauerstoff am Boden wurde dann aber überraschend schnell aufgezehrt, so dass die Verhältnisse wieder denen der Stagnationsperiode vor 2013 entsprechen. Bemerkenswert ist, dass die fischereiliche Sterblichkeit offenbar nur noch den kleineren Teil der Gesamtsterblichkeit ausmacht, die Bestandsentwicklung also vor allem von Umweltbedingungen getrieben wird. Das geringe Wachstum, die schwache Kondition und die hohe natürliche Sterblichkeit der Dorsche haben wahrscheinlich mehrere Ursachen, deren jeweiliger Einfluss aber unklar ist:
1. Sauerstoffarmut wirkt direkt auf den Metabolismus und indirekt durch Nahrungsmangel (bodenlebende Wirbellose stehen wegen der Sauerstoffarmut am Boden kaum zur Verfügung) und geringe Überlebenschancen der Nachkommen.
2. Reduzierte Verfügbarkeit von Fischnahrung im Hauptverbreitungsgebiet (Heringe und Sprotten zeigen in den letzten Jahren durch nördlichere Verbreitung eine geringere Überlappung mit Dorsch, insbesondere im Herbst).
3. Hoher Parasitenbefall, der mit einer erhöhten Häufigkeit von Kegelrobben zusammenhängt. (hohe Befallsraten können Ursache für, aber auch Folge der schlechten Dorsch-Kondition sein).
Die einzelnen Faktoren verstärken sich vermutlich gegenseitig. [44] [93] [1258] [1259] [1271]
Wer und Wie
Das Management dieses Dorschbestandes erfolgt durch die Europäische Union und zu einem sehr geringen Teil durch die Russische Föderation. Ein EU-Mehrjahresplan für Dorsch und alle pelagischen Bestände der Ostsee ist 2016 in Kraft getreten. Da für diesen Bestand aber derzeit kein Referenzwert für die fischereiliche Sterblichkeit nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy) ableitbar ist, kann der Plan nicht als Basis für die Fangempfehlung genutzt werden. Die Fangempfehlung für 2021 basiert daher weiterhin auf dem Vorsorgeansatz. Weitere Managementinstrumente sind Verordnungen zu Maschenöffnungen und Selektionseinrichtungen der Netze (z.B. Bacoma) sowie die Einrichtung von Laichschongebieten und -zeiten im Sommer. Seit Januar 2015 gilt in der Ostsee ein generelles Rückwurfverbot für Dorsche sowie eine Referenzmindestgröße für die Bestandserhaltung von 35 cm (siehe auch unter Beifänge und Rückwürfe). Maßgeblich auf Druck der Umweltverbände und gegen den ausdrücklichen wissenschaftlichen Rat hat die EU-Kommission vom 23.07.2019 bis zum 31.12.2019 eine Sofortmaßnahme zum Schutz des östlichen Dorschbestandes in den Gebieten 24-26 erlassen. Nominell galt ein Fangverbot für Dorsch, tatsächlich gab es aber etliche Ausnahmen und lediglich die gerichtete Fischerei in einer Entfernung von mehr als 6 sm von der Küste war untersagt. Beigefangene Dorsche mussten im Widerspruch zum EU-Anlandegebot verworfen werden, der Fischereidruck wurde so wahrscheinlich sogar erhöht (Details und Ausnahmen siehe EU-Durchführungsverordnung 2019/1248).
Seit 2020 ist in Untergebieten 24 und 25-32 keine gezielte Fischerei auf Dorsch erlaubt. Die festgelegte EU-Quote (2021: 595 t für Gebiete 25-32) darf in den EU-Gewässern der östlichen Ostsee nur für Beifänge genutzt werden, die aber auf die Dorschquote angerechnet werden müssen. Auch die Freizeitfischerei ist in den Gebieten 24 sowie 25-26 eingeschränkt, bzw. verboten. [750] [977] [1055] [1148] [1191] [1192] [1258] [1259] [1270]
Differenz zwischen Wissenschaft und Management
Zwischen 1995 und 2008 wurde die legale Höchstfangmenge (TAC) teilweise erheblich oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlung festgesetzt. Zwischen 2002 und 2007 empfahl die Wissenschaft für vier Jahre eine Schließung der Fischerei, um den Bestand schnell und sicher wieder aufzubauen. Der Empfehlung wurde jedoch in keinem Jahr gefolgt. Seit der Einrichtung des Managementplans 2008 stimmten Fangempfehlung und festgesetzte TACs (EU-Quote plus russische Quote) bis 2012 weitestgehend überein. 2013 und 2014 lag die Summe der Quoten geringfügig, seit 2015 jedoch erheblich über der wissenschaftlichen Empfehlung. Für 2020 und 2021 lautete die wissenschaftliche Empfehlung auf eine Schließung der Fischerei, die Summe von EU-Beifangquote und russischer autonomer Quote lag 2020 bei 7.500 t, bzw. liegt 2021 bei knapp 3.600 t.
Seit 2015 ist die Fangempfehlung bestandsspezifisch, schließt also Fänge von Ostdorschen ein, die in Gebiet 24 (westliches Managementgebiet) getätigt werden. Die Dorschfischerei in diesem Gebiet ist daher ebenso beschränkt wie in den östlicheren Gebieten. Seit 2009 werden die Quoten für die Gebiete 25-32 nicht ausgefischt. [977] [1258] [1259] [1270]
Karten
Verbreitungsgebiet
Managementgebiet
Der Dorsch der östlichen Ostsee ist über das östliche Managementgebiet (ICES Gebiete 25-32) hinaus auch in der Arkonasee (ICES-Gebiet 24) verbreitet. Hier vermischen sich West- und Ostdorsch und werden daher auch gemeinsam gefangen und auf die Dorschquoten der westlichen Ostsee angerechnet. Verbreitungs- und Managementgebiet unterscheiden sich also. [1258] [1259] [1270]
Anlandungen und legale Höchstfangmengen (TACs) (in 1.000 t)
Gesamtfang | 2020 (einschließlich Fänge aus dem Bestand in Gebiet 24): 2,9 (2,7 Anlandungen plus 0,2 Rückwürfe) Kommerzielle Anlandungen in Gebiet 25-32: 2,3 (davon aktive Geräte (pelagische und Grundschleppnetze) 91%, passive Geräte (Kiemennetze) 9%) |
TACs (Quote EU/Russland, nur Gebiete 25-32) | 2010: 51,3/4,8 2011: 59,0/5,5 2012: 67,9/6,3 2013: 61,6/7,1 2014: 65,9/7,5 2015: 51,4/4,4 2016: 41,1/5,8 2017: 30,9/6,1 2018: 28,4/5,9 2019: 24,1/5,8 2020: 2 (nur als Beifänge)/5,5 2021: 0,6 (nur als Beifänge)/3,0 [1258] [1259] [1270] |
IUU-Fischerei
In der östlichen Ostsee wurden zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2007 zwischen 35 und 40% Dorsch zusätzlich zu den Höchstfangmengen illegal entnommen. Nach Auskunft von Vertretern des polnischen Fischereiverbandes hat allein die polnische Fischerei ihre Fangquote um bis zu 100% überzogen. Seit dem Regierungswechsel in Polen im Oktober 2007 werden die Fänge besser kontrolliert, die illegale Entnahme aus dem Gesamtbestand lag 2008 und 2009 unter 10%. Seit 2010 werden falsch- oder nicht berichtete Fänge nicht mehr als Problem angesehen, auch weil die Höchstfangmenge seitdem nie ausgefischt wurde. Es kommt aber weiterhin zu erheblichen Rückwürfen, obwohl diese seit 2015 illegal sind. Trotz der Schließung der gerichteten Fischerei seit Mitte 2019 wird offenbar in vielen osteuropäischen Häfen unverändert viel Dorsch angelandet. [1258] [1259]
Struktur und Fangmethode
Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhielten gerichtete Fischereien auf Ostdorsch, bis diese ab Mitte 2019 untersagt wurden (Gebiete 24-26). Seit 2020 darf Dorsch in den Gebieten 24 und 25-32 bis auf wenige Ausnahmen nur noch als Beifang gefangen, bzw. angelandet werden. Die meisten Anlandungen 2020 wurden von Russland getätigt (77%), welches nicht von der Schließung der Dorschfischerei betroffen ist. Dorsch wird hauptsächlich mit Schleppnetzen für die menschliche Ernährung gefangen. In fast allen Fischereien der östlichen Ostsee tritt Dorsch mindestens als Beifang auf; die wichtigsten Fischereien mit den höchsten Dorschanlandungen sind gemischt, zielen also auf Dorsch und Plattfische – seit 2020 nominell nur noch auf Plattfisch. Im Hauptfanggebiet, der Bornholmsee, wurden Grundschleppnetze auch im freien Wasser geschleppt, weil sich der Dorsch zumindest bis 2011 seltener in Bodennähe aufhielt. Aufgrund der verbesserten Sauerstoffsituation ist der Dorsch ab 2013 zumindest vorübergehend zum Bodenleben zurückgekehrt und wurde vermehrt am Boden gefischt. Außerdem werden vor allem in Küstengewässern z.B. Stellnetze verwendet. In Gebieten mit hohem Fraßdruck durch Robben werden zunehmend auch Fischfallen genutzt. Treibnetze dürfen in der Ostsee nicht eingesetzt werden. Wegen der wenigen Zielarten ist die Fischerei in der Ostsee eher einfach strukturiert. [1148] [1258] [1259]
Beifänge und Rückwürfe
Seit 1. Januar 2015 ist der Rückwurf von Dorsch in der Ostsee generell verboten. Tiere unter der Referenzmindestgröße für die Bestandserhaltung von 35 cm müssen angelandet und auf die Fangquoten angerechnet werden, dürfen aber nicht für den menschlichen Konsum verwendet werden. Vom Anlandegebot ausgenommen sind Dorsche aus Fischfallen und Reusen. Sie dürfen aufgrund hoher Überlebensraten zurückgesetzt werden. Auch durch Fraß beschädigter Fisch ist vom Anlandegebot ausgenommen. Basierend auf Beobachterdaten wird der Rückwurf von Dorsch für 2017 auf 11% des Gesamtfanges (Gebiete 24-32, bezogen aufs Gewicht) geschätzt, 2018 und 2019 waren es 16%. Es gibt aber in einigen Nationen Schwierigkeiten, Beobachter an Bord zu bekommen (insbesondere im zweiten Halbjahr 2019) und man geht davon aus, dass die Rückwürfe auch mit 16% noch deutlich unterschätzt wurden. Im zweiten Halbjahr 2019 gab es allerdings durch die Sofortmaßnahmen der EU-Kommission zum Schutz des Dorsches der östlichen Ostsee eine Rückwurfverpflichtung für Dorsch in den Gebieten 24-26. Teile der Rückwürfe des Jahres 2019 waren daher – anders als in den Vorjahren – legal. 2020 gab es aufgrund der Covid-19-Pandemie eine noch geringere Beprobung und die Rückwurfdaten sind sehr unsicher. Nur 10% der EU Anlandungen wurden abgedeckt, Schätzungen für passive Fanggeräte (nur 9% der Anlandungen) fehlen gänzlich. Alle Rückwurfschätzungen für 2020 stammen nur aus EU-Ländern, sie betrugen mit 101 t 16% des EU-Gesamtfanges, bezogen auf das Gewicht. Nur 0,7% der Anlandungen wurden 2017, 2018 und 2019 als legal angelandete untermaßige Fänge registriert, 2020 0,3% (9 t). In der gemischten Grundfischfischerei wird ein großer und variabler Teil des Flunderbeifangs zurückgeworfen. [750] [979] [1055] [1191] [1192] [1258] [1259]
Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt
Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. Der Einfluss hängt aber auch von Fangmethode und Bodenstruktur ab. Auf sandigem Boden hat eine Studie in den USA nur einen geringen Einfluss durch Grundscherbrettnetze feststellen können. So waren zwar die Spuren der Scherbretter lange sichtbar (mindestens ein Jahr), es konnten aber kaum signifikante Unterschiede in der Mikrotopographie der befischten und unbefischten Gebiete nachgewiesen werden. Auch bei strukturformenden und mobilen Wirbellosen zeigten befischte und unbefischte Gebiete keine signifikanten Unterschiede. In der östlichen Ostsee wurde Dorsch in der letzten Dekade vor allem mit pelagischen Schleppnetzen (ohne Grundberührung) gefangen, da das Bodenwasser zu wenig Sauerstoff aufwies und daher vom Dorsch gemieden wurde. In den letzten Jahren haben zunächst kleinere, dann sehr starke Einstromereignisse zu einer temporären Verbesserung der Sauerstoffgehalte am Boden der Bornholmsee geführt. Der Dorsch ist daraufhin vorübergehend zum Bodenleben zurückgekehrt und wurde dort auch von der Fischerei gefangen. In Stellnetzfischereien (Kiemennetze) können – abhängig von Ort (vor allem in der südlichen Ostsee) und Jahreszeit – Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern auftreten. Für die sehr kleine Schweinswalunterpopulation östlich der Darßer Schwelle (Gebiete 24-32) könnte der Einfluss dieser Fischerei erheblich sein. [30] [97] [208] [808] [1258] [1259]
Biologische Besonderheiten
Ostseedorsch kann über 20 Jahre alt werden. Dieser große, aber nicht so produktive Dorsch-Bestand der östlichen Ostsee ist von den Veränderungen der Umweltbedingungen in den letzten 20 Jahren stark betroffen. In der östlichen Ostsee lebt er als marine Fischart am äußersten Rand seines physiologischen Verbreitungsgebietes. Der Dorsch laicht im Sommer in den tiefen Becken der östlichen Ostsee. Er ist für ein erfolgreiches Laichen auf sauerstoffreiches (mehr als 2 mg/l O2) und salzhaltiges Wasser (S größer 11) angewiesen. Diese Bedingungen traten über viele Jahre nur noch im Mittelwasser des Bornholmbeckens (ICES Gebiet 25) auf. Ende 2014 war der stärkste Salzwassereinstrom seit 60 Jahren zu verzeichnen, weitere Einströme folgten im Winter 2015/16. Die Auswirkungen dieser Salzwassereinströme hielten nicht lange an, der eingetragene Sauerstoff wurde schneller aufgezehrt als erwartet.
Der Räuber Dorsch und seine wesentliche Beute Sprotte befinden sich in einer starken Abhängigkeit voneinander („Dorsch-Sprott-Schaukel“). Sprott und Hering sind nach Menge die wichtigste Nahrung für die erwachsenen Dorsche. Ihre örtlich geringere Verfügbarkeit im derzeitigen Dorsch-Hauptverbreitungsgebiet könnte ab 2011 neben anderen Gründen zu starker Gewichtsabnahme bei den größeren Dorschen geführt haben. Nach den starken Salzwassereinströmen ab Dez. 2014 haben sich die individuellen Gewichte schnell wieder normalisiert, Nahrungsmangel oder Fehlernährung ist aber möglicherweise weiterhin ein Problem (siehe auch unter „Umwelteinflüsse auf den Bestand“). [44] [93] [94] [1258] [1259]
Zusätzliche Informationen
Im Verlauf der Covid-19-Pandemie ist der Markt für Frischfischanlandungen der Küstenfischerei über Monate fast zusammengebrochen: Ursache waren die weitreichenden Reiseverbote für Touristen und die Schließung der Gastronomie, sowie offenbar eine Abneigung des Endverbrauchers gegen leicht verderbliche Nahrungsmittel. Auch der Transport von Frischfisch auf die Märkte in Frankreich und den Niederlanden wurde eingeschränkt. Für die größeren Fahrzeuge waren dagegen Probleme mit der Versorgung mit Arbeitskräften wesentlicher. Erst ab Ende Mai 2020 normalisierte sich die Lage wieder – die Dorsch-Fangsaison war zu diesem Zeitpunkt aber schon vorbei. Im Vergleich zu den Umweltbedingungen (beim Dorsch der östlichen Ostsee) bzw. den Fangmengensenkungen durch die Politik dürften die kurzen Fangausfälle jedoch nur eine geringere Rolle für die Bestandsentwicklung spielen.
Bis 2015 war es technisch kaum möglich, die beiden Dorschbestände zu trennen. Es war aber lange bekannt, dass eine große, aber nicht quantifizierbare Menge Ostdorsch westlich Bornholms (Arkonasee, ICES-Gebiet 24) gefischt wurde. Ab 2015 konnte durch eine Kombination aus genetischen Methoden und Gehörstein-Umrissanalysen eine Zeitserie der Anteile von Ost- und Westdorsch in der Arkonasee angefertigt werden. Das Gebiet 24 wird nun in der Berechnung beider Bestände als Mischgebiet behandelt.
Dorsch ist für die Ostseefischerei von herausragender Bedeutung, der Wiederaufbau der Bestände daher vorrangiges Ziel des Fischereimanagements. Seit 2009 wird die erlaubte Höchstfangmenge für dieses Managementgebiet nicht ausgefischt bzw. angelandet, zwischen 2014 und 2019 wurden nur 69% bis 28% der Quoten offiziell gefischt. Im zweiten Halbjahr 2019 war außerdem ein Großteil der kommerziellen Fischerei auf Dorsch verboten. Seit 2020 ist in den EU-Gewässern der Gebiete 24 und 25-26 fast keine gezielte Fischerei auf Dorsch erlaubt. [13] [1189] [1191] [1192] [1258] [1259] [1270]
Zertifizierte Fischereien
Die MSC-Zertifikate für Fischereien auf Dorsch in der östlichen Ostsee wurden im Dezember 2015 wegen des schlechten Bestandszustandes, der fehlenden Referenzpunkte und eines unzureichenden Managements suspendiert. Inzwischen sind sie ausgelaufen und damit nicht mehr gültig. [4] [919]
Soziale Aspekte
Die Dorschfischerei in der östlichen Ostsee wird mit Fahrzeugen aller Größen durchgeführt. Insbesondere die kleineren Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. Die allermeisten Fahrzeuge fahren unter EU-Flaggen, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach EU-Regeln. [13] [185] [1258] [1259]
Marktdaten: Verschiedene Kabeljau-/Dorscharten auf dem deutschen Markt zusammengefasst.
2022 (vorl.): Verbrauch in Deutschland: 28.053 t (2021: 18.026 t), Marktanteil (Fische, Krebse, Weichtiere): 2,5 % (2021: 1,6 %) [13] [14]
Anlandungen (in 1.000 t) | Fänge (in 1.000 t) | Laicherbiomasse (in 1.000 t) | Laicherbiomasse Zustand | Fischereiliche Sterblichkeit | Anmerkungen (insbesondere Managementplan) | Gültigkeit | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Nördlicher Schelf (4 6.a 7.d 3.a20) | 24,9 | 32,6 | 80,3 | Südlicher Unterbestand Laicherbiomasse Zustand rot |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Färöer Bank (5.b.2) | 1,2 | 1,2 | - | Biomasse nur als Index |
11/2024 - 11/2025 | ||
Nordostatlantik, Färöer Plateau (5.b.1) | 3,7 | 3,7 | 15,1 | - |
11/2024 - 11/2025 | ||
Nordostatlantik, Irische See (7.a) | - | - | 8,3 | Fänge 65 t, Anlandungen 56 t |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Island (5.a) | 218,2 | - | 377,5 | Managementplan ab 1994/2009/2015, Anl. Fischereijahr 219,8 |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Kattegat (21) | - | - | - | nur Beifangquote, Fänge: 72 t, Anlandungen: 26 t, Laicherbiomasse nur relative Werte |
06/2024 - 06/2026 | ||
Nordostatlantik, Kelt. See (7.e-k) | 0,4 | 0,5 | 0,6 | - |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Nordost-Arktis (1, 2) | 582,6 | - | 552,2 | Managementplan ab 2004, Klassifizierung hier nach Managementplan |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Norw. Küste, Nördl. (1, 2) | 45,4 | 52,2 | 61,0 | nur Norw. Fischerei, Klassifizierung hier nach Managementplan |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Norw. Küste, Südl. (1, 2) | 2,7 | 7,5 | - | nur Norw. Fischerei, Laicherbiomasse nur relativ |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordostatlantik, Ost Grönl.-Island Offshore NAFO 1 ICES 14 | 29,4 | 29,4 | - | keine Bestandsberechnung, Anlandungen 2022 |
06/2024 - 06/2026 | ||
Nordostatlantik, östliche Ostsee (24-32) | 1,0 | 1,1 | - | Laicherbiomasse nur noch relativ angegeben |
05/2024 - 05/2025 | ||
Nordostatlantik, Rockall (6.b) | - | - | - | Anl. 2022 71 t |
06/2023 - 06/2026 | ||
Nordostatlantik, westl. Ostsee (22-24) | 0,4 | 0,4 | - | Anlandungen & Fänge 2022, inkl. Freizeitfischerei, für Laicherbiomasse nur rel. Angabe |
09/2023 - 05/2025 | ||
Nordostpazifik, Golf von Alaska | 4,7 | 6,2 | 39,9 | Anlandungen/Fänge 2020, Laicherbiomasse Vorhersage 2022 |
12/2021 - 12/2022 | ||
Nordostpazifik, Östliche Beringsee | 154,6 | 155,6 | 259,8 | Anlandungen/Fänge 2020, Laicherbiomasse Vorhersage 2022 |
12/2021 - 12/2022 | ||
Nordwestatlantik Georges Bank (5Z) (USA) | 1,9 | 2,0 | - | Anlandungen & Fänge 2016, inkl. Freizeit- und Kanadische Fischerei |
10/2017 - 10/2020 | ||
Nordwestatlantik, Bay of Fundy (4X5Yb) (Kanada) | 0,6 | - | 10,3 | Anlandungen 2019/20, SSB 2018 |
04/2020 - 05/2022 | ||
Nordwestatlantik, Flemish Cap (NAFO 3M) | 17,5 | - | - | Anlandungen 2019 |
06/2020 - 06/2021 | ||
Nordwestatlantik, Grand Banks S. (NAFO 3NO) | 0,6 | - | 18,5 | Anlandungen 2017, SSB 2018, Fischerei geschlossen |
06/2018 - 06/2021 | ||
Nordwestatlantik, Gulf St. Law. N. (3Pn4Rs) (Kanada) | 2,7 | - | 11,8 | Anlandungen 2017/18, SSB 2019 (aus Begutachtung 2019) |
07/2019 - 08/2022 | ||
Nordwestatlantik, Northern cod (2J3KL) (Kanada) | 10,6 | - | 398,0 | Anlandungen 2019, SSB 2019 (aus Begutachtung 2019) |
11/2021 - 08/2021 | ||
Nordwestatlantik, West Grönl. Inshore NAFO 1A-C | 6,1 | 6,1 | 8,4 | - |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordwestatlantik, West Grönl. Inshore NAFO 1D-F | 4,9 | 4,9 | 5,3 | - |
06/2024 - 06/2025 | ||
Nordwestatlantik, West Grönl. Offshore NAFO1 | 7,9 | 7,9 | 14,9 | - |
06/2024 - 06/2025 |
Klassifizierung nach dem Ansatz des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY), durch den ICES bis 2020 oder analog zu dessen Einteilung:
Symbol | Biomasse | Bewirtschaftung (fischereiliche Sterblichkeit) |
---|---|---|
innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert | angemessen oder unternutzt | |
außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert | übernutzt | |
Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten | Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten |
Autor | Jahr | Titel | Quelle | |
---|---|---|---|---|
[4] | Marine Stewardship Council (MSC) | Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischerei | msc.org | |
[13] | Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) | Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepage | ble.de | |
[14] | Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ) | Fisch-Informationszentrum e.V. Homepage | fischinfo.de | |
[30] | Food and Agriculture Organization (FAO) | FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010] | fao.org | |
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